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München

Braune Terroristen,
blinder Staat

Helga Müller, Neue Internationale 84, Oktober 2003

Anfang September hat die Polizei mehrere Neonazis - darunter Martin Wiese, ein bekannter Drahtzieher der rechtsradikalen Szene - in München verhaftet. Es wurden Sprengstoff, Handgranaten und Waffen sichergestellt.

Bezeichnend ist, dass er erst jetzt festgenommen wurde, obwohl er aufgrund seiner Führungsrolle in der "Kameradschaft Süd" schon unter Beobachtung stand. Aufmerksam wurden die Behörden wegen einer Nazi-Schlägerei im Juli. Offensichtlich ging es dabei um ein Strafkommando gegen einen Neonazi, der sich von der Szene lossagen wollte.

Wiese stammt aus Mecklenburg-Vorpommern und war mit dabei, als Anfang der 90iger Jahre das Ausländerheim in Rostock-Lichtenhagen tagelang vom rechten Mob angegriffen und in Brand gesteckt wurde.

Bekannt wurde jetzt, dass die "Kameradschaft Süd" einen Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum, auf Moscheen und auf eine griechische Schule geplant hatte. Auch SPD-Politiker wie Franz Maget standen auf der Liste der Neonazis.

Die Verantwortlichen in Politik und Polizei haben die Gefährlichkeit der Neonazi-Gruppen immer heruntergespielt, obwohl selbst der Verfassungsschutz in seinem letzten Bericht von der Gefahr spricht, "dass Einzelpersonen oder Kleinstgruppen auch schwere Anschläge mit der Absicht begehen, eine politische Fanalwirkung zu erzielen."

Umgruppierung der Rechten

Die rechte Szene formiert sich neu. Nachdem alle bisherigen Versuche einer rechten Parteibildung gescheitert sind, organisiert sich die rechte Szene v.a. in autonomen regionalen Gruppen, den Kameradschaften. Dabei gehen die Neonazis mit den schwer zu organisierenden, aber gewaltbereiten Skinheads eine gefährliche Verbindung ein.

Auch in Oberbayern haben sich die Rechten neu "aufgestellt": Über das Aktionsbündnis "Demokratie direkt e.V." haben sich der nationalkonservative Rand der CSU, die Republikaner (unter Führung ihres Stadtrats in München Johann Weinfurtner) und rechte "Kameradschaften" zusammengeschlossen.

Auch Wiese war an mehreren ihrer Aktionen beteiligt. "Demokratie direkt" versucht sich immer wieder in Großdemonstrationen gegen die Politik des US-Imperialismus in München einzuschleichen, so in die Demos gegen die NATO-Sicherheitskonferenz.

Man versucht auch, eigene Kundgebungen wie gegen die israelische Besatzungspolitik unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den US-Imperialismus zu organisieren. Gleichzeitig macht "Demokratie direkt" gegen Antifaschisten Stimmung und veröffentlicht in ihrer Zeitung Steckbriefe und Fotos von ihnen.

Doch Nazi-Aktivist Wiese schreckt auch vor Gewalt nicht zurück. Vor zwei Jahren haben Faschos einen Griechen halbtot geschlagen. Im Mai sprengte er eine Veranstaltung der SPD in München.

Gegenwehr hat Wiese bei Gewerkschaftern, SPD-Mitgliedern, der Linken und der Münchner Bevölkerung gespürt, als er im letzten Herbst gegen die Wehrmachtsausstellung mehrere Gegendemos angemeldet hatte. Am 30.11. rotteten sich dazu auch der Hamburger Neonazi Christian Worch und der einschlägig bekannte Nazi Steffen Hupka zusammen. Tausende MünchnerInnen versuchten, diesen Naziaufmarsch zu verhindern.

Dass aus dieser antifaschistischen Gegendemo mehrere DemonstrantInnen verhaftet worden sind, zeigt deutlich, gegen wen der Staat wirklich kompromißlos einschreitet. Es zeigt auch wie illusionär, gefährlich und politische fatal das Hoffen auf "Verbote" der Nazis und Illusionen in den bürgerlichen Staat im Kampf gegen die braune Brut sind.

Am 22. September kam es zum Prozeß gegen zwei Antifaschisten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, zu einer Straftat aufgerufen zu haben - die genehmigte Demonstration der Neonazis zu blockieren. Damit hätten sie gegen das Versammlungsrecht verstoßen!

Christiaan Boissevain wurde vorgeworfen, Stadtpläne mit der Marschroute der Nazi-Demo verteilt und zur Blockade der Nazi-Demo aufgerufen zu haben. Martin Löwenberg, ehemaliger KZ-Häftling, wurde sein antifaschistischer Aufruf vorgeworfen: "Verhindern wir gemeinsam den Aufmarsch von alten und neuen Nazis! Es ist legitim, ja es ist legal, sich den Totengräbern der Demokratie in den Weg zu stellen!".

Verteidigt die Antifaschisten!

Beide wurden trotz des Hinweises, dass sie sich wie tausend Andere und im Einklang mit Münchens OB Ude und dem Beschluss des Stadtrates gegen die Neonazis zur Wehr gesetzt haben, zu Geldstrafen verurteilt.

Die Begründung verdeutlicht, wie der bürgerliche Staat Rechtsextremisten schützt und "Rädelsführer" auf der linken Seite aburteilt. Die Rechtmäßigkeit einer Demonstration festzustellen, sei allein das Recht der Gerichte, so der Staatsanwalt. Der "Pöbel" auf der Straße sei nicht in der Lage zu beurteilen, wer das Recht auf Versammlung hat.

In Solidarität mit den Angeklagten hat der ver.di-Bezirk-München erklärt: "verdi-München fordert deshalb, die skandalösen Urteile gegen Martin Löwenberg und Christiaan Boissevain umgehend zu revidieren und das noch anhängige Verfahren gegen Siegfried Benker (Grünen-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat München, Anm d. Red.) sofort einzustellen."

Diese Erklärung zeigt, dass es notwendig und möglich ist, die Arbeiterbewegung und die ImmigrantInnen in den Kampf gegen den Faschismus einzubeziehen, anstatt dem Staat und solchen Figuren wir Innenminister Beckstein zu vertrauen.

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Nr. 84, Oktober 2003

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*  Gewerkschaften: Kampf oder Friedenspflicht?
*  Heile Welt
*  München: Braune Terroristen, blinder Staat
*  Brasilien: Lulas Weg nach Rechts
*  Volksfront in Brasilien: Vierte Internationale regiert mit
*  30. Jahrestag des Pinochet-Putsches: Vom Traum zum Trauma
*  Palästina: Verteidigt die Intifada-AktivistInnen!
*  27. September: Aktionstag ohne Action
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