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Für eine Arbeiter/innen/Partei in den USA

Wann, wenn nicht jetzt?

Tobi Hansen, Neue Internationale 217, März 17

Millionen gegen die Amtseinführung auf der Straße, viele Tausende mit spontanen Protesten gegen den „Muslim Ban“, beim Aktionstag „A day without Latinos“ allein in Milwaukee ca. 15.000 auf der Straße: So sehr, wie die Trump-Administration national und international provoziert, so vielfältig und massenhaft ist auch der Widerstand in den USA.

Der internationale Frauenkampftag am 8.3. wird ein weiterer Protesttag in den USA, ebenso sind auch ein „Women's Strike“ angekündigt wie auch Aktionen am 1. Mai, dem nichtoffiziellen „Tag der Arbeit“.

So viel Mobilisierung, Aktion, Debatte erlebte die US-amerikanische Linke zuletzt bei Occupy Wall Street, allerdings dieses Mal in einer massiv erweiterten Form. Verschiedene MigrantInnengruppen stehen unter dem Bannon/Trump-Kabinett einer rassistischen Politik gegenüber. Alle „Minderheiten“, deren Lebensstil/Dasein dem Muster „Weiß, Männlich, Hetero und Waffenbesitzer“ widerspricht und die damit die übergroße Mehrheit der US-Bevölkerung stellen, werden von dieser Administration herausgefordert.

Generalstreik am 17.2.?

In manchen Zeitungen und Internetplattformen (Strike for Democracy; S4D) wurde ein Generalstreik angekündigt, welcher aber keiner war. In einigen Städten gab es vereinzelte Aktionen, wahrscheinlich auch Arbeitsniederlegungen, aber wenn die großen Gewerkschaftsverbände einen Generalstreik noch nicht mal erwähnen, dann muss was falsch gelaufen sein bzw. wissen anscheinend manche nicht, dass man Gewerkschaften für einen Generalstreik braucht. Viele Kreise „radikalisieren“ sich gerade in den USA. Neben dem Trump-Lager, welches das radikale Kleinbürgertum der RepublikanerInnen und der Tea Party nach oben gespült hat, gibt es jetzt auch ähnliche Tendenzen in „liberalen/progressiven“ Milieus, die bislang eher den DemokratInnen nahestanden. Da kann man auch schon mal auf die Idee kommen, einfach so einen Generalstreik auszurufen, weil man glaubt, so die „Demokratie“ beschützen zu können.

Allerdings zeigen solche Initiativen auch wieder deutlich auf, was die eigentlich entscheidende Frage für die US-Linken, Progressive, Minderheiten und vor allem für die US-ArbeiterInnenklasse derzeit ist - wie bauen wir eine Workers'/Labor Party auf, die dann tatsächlich eine Verankerung hat, um bspw. einen Generalstreik durchzuführen bzw. diesen gemeinsam mit den US-Gewerkschaften umsetzen zu können?

Führung bei Sanders

Auch wenn viele der AktivistInnen der Proteste, der NGOs oder der angegriffenen Minderheiten dies wahrscheinlich nicht gerne hören, aber sie werden derzeit politisch von dem Bernie Sanders geführt, welcher schon mal 13 Millionen UnterstützerInnen an Hillary Clinton und ihre DemokratInnen verkaufte. Bei allem Aktivismus und unbestreitbarer Notwendigkeit, Mobilisierungen derzeit durchzuführen, muss klar sein, was es bedeutet, wenn de facto Sanders, Teile der DemokratInnen und nahestehende NGOs/Netzwerke diese Proteste anführen. Daraus wird keine Alternative zum existierenden politischen Zweiparteiensystem entstehen. Hier soll eher versucht werden, die Basis der DemokratInnen zu erneuern und eine Massenunterstützerbewegung für sie aufzubauen. Dies ist eine ganz akute Gefahr, wie ebenfalls die Abwesenheit der organisierten ArbeiterInnenklasse von den Protesten auch ein Hindernis für die Perspektive des Widerstands gegen Trump darstellt.

Was diskutiert die-US Linke?

Relativ interessant und anschaulich ist eine Diskussion, welche VertreterInnen von Solidarity (stammt von Tony Cliffs International Socialists, heute: IST, ab; 1986 Produkt einer Fusion aus 3 Gruppen unterschiedlicher Provenienz), ISO (International Socialist Organization, 2001 aus der IST ausgeschlossen) und den Democratic Socialists of America (Teile der alten SP der II. Internationale, aktuell mit der Linkspartei vergleichbar) in New York führten (Video bei Verso Books). Die DSA und die ISO verfügen zusammen wahrscheinlich über 25-30.000 Mitglieder und sind mit der Socialist Alternative (CWI) die größten Organisationen der Linken in den USA. Die DSA ist jedoch darin die größte, vermutlich mit großem Abstand zu den beiden nächstfolgenden. Gewissermaßen hat sich ein relevanter Teil derjenigen Kräfte dort getroffen, welche real die Initiative für eine ArbeiterInnenpartei anführen könnten, wenn sie es denn politisch wollten.

Die ISO hat die Grünenkandidatin Jill Stein unterstützt, die DSA war im Sanders-Lager und zeichnete sich auch die Jahrzehnte zuvor durch „Treue“ gegenüber progressiveren bzw. „liberalen“ Kandidaten der DemokratInnen aus wie bspw. Jesse Jackson, aber auch Barack Obama 2008. Und so diskutierten alle Anwesenden munter über die Massenproteste und, welche Möglichkeiten sich jetzt für die US-Linke auftäten. Schließlich hoffen alle Organisationen, daraus neue Mitglieder zu gewinnen.  Dies an sich ist natürlich ihr gutes Recht und Anliegen. Dass aber niemand in den Eingangsstatements den Aufbau einer ArbeiterInnenpartei bzw. einer 3. Partei (beliebte Wortwendung in den USA) einforderte oder gar konkrete Schritte dahin vorschlug, wirft ein niederschmetterndes Bild auf diese Linke.

So erwähnt die DSA richtigerweise, dass es in den US-Gewerkschaften einen wichtigen aktuellen Konflikt gibt und dort die Linke eingreifen müsste. Auf der einen Seite steht Trump für den Angriff des US-Kapitals auf die ArbeiterInnenrechte und die rücksichtslose Durchsetzung der Kapitalinteressen, auf der anderen Seite ködert er die Gewerkschaftsspitzen und Teile der Klasse mit seinen protektionistischen Versprechen  à la „bring back our jobs“, welches vor allem in den Swing-States wie Michigan WählerInnen anzog. Dementsprechend müsste eine klassenkämpferische, sozialistische Politik in den Gewerkschaften aktiv gegen die rassistische Agenda von Trump vorgehen, die Klasse in ihrer Vielfältigkeit verteidigen und erklären, dass Protektionismus sich letztlich gegen die US-ArbeiterInnenklasse wende und anstelle von Nationalismus Solidarität mit bspw. den mexikanischen ArbeiterInnen zu leisten sei.

Davon, welche Rolle die DemokratInnen oder auch ISO, Solidarity und DSA in den US-Gewerkschaften spielen und was man dort machen könnte und sollte, erfahren wir dann leider nichts. Stattdessen fabuliert der Vertreter der DSA darüber, wie viele „Liberale“ jetzt aktiv geworden sind und wie diese denn für eine linke Politik zu begeistern wären. Diese Liberalen werden bei der Diskussion oft als „Gegenstück“ zu der Trump-Bewegung genannt: Quasi alle diejenigen, die am 20.1. demonstriert haben, fallen alle irgendwie unter das Schema „Liberale“.

Die ISO bemüht sich als Anwalt der Minderheiten und wiederholt die Wahrheiten, die zumindest dem Publikum klar sein sollten, und beschwört den Aktionismus, eine politische Zielstellung fehlt.

Stattdessen werden Sanders, Stein, alle möglichen Netzwerke und NGOs schon jetzt als große gemeinsame Bewegung dargestellt, die nur genügend Mobilisierung bräuchte, um zu funktionieren. Wenn Politik, Klassenkampf und Bewusstseinsbildung so einfach wären, dann hätten wir nach den Protesten der letzten 10 Jahre überall gestärkte linke, sozialistische Bewegungen vorgefunden, dem ist aber nicht so. Es fehlt eine Analyse der Klassenkräfte in dieser Periode der imperialistischen Krise, die politisch-programmatische Erfassung der Aufgaben und daraus abgeleitet eine Organisation des Widerstands, nämlich die Notwendigkeit revolutionärer Programmatik und Parteien.

Für die USA ist diese Aufgabe, der Aufbau einer ArbeiterInnenpartei, die mit den DemokratInnen bricht, diesen in den Gewerkschaften offen den Kampf erklärt und sich als Klassenpartei etabliert, die wesentliche objektive Notwendigkeit im Klassenkampf!

Perspektive einer Labor Party

Ein Kardinalfehler der US-Linken ist ihre Analyse der DemokratInnen und das daraus resultierende Verhältnis zu ihnen. Aus unserer Perspektive werden die DemokratInnen von den US-Linken wie eine bürgerliche ArbeiterInnenpartei behandelt, eine Partei die nach „links“ geschoben werden könnte und müsste.

Letzteres ist schon eine opportunistische Entstellung des Begriffs der bürgerlichen ArbeiterInnenpartei selbst. Noch schlimmer, diese Illusion wird derzeit auch massiv vom Sanders-Lager über die  Partei der DemokratInnen verbreitet, deren Geschichte nie etwas anderes als eine offen bürgerlicher Politik gewesen ist. Im 19. Jahrhundert waren sie auch eher die „rechte“ bürgerliche Partei, welche sich auf den Großgrundbesitz der Südstaaten stützte, gerade im Gegensatz zu den RepublikanerInnen, die sich auf das Bürgertum der Ostküste stützten. Dies hatte sich speziell in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts verändert, als Präsident Roosevelt eine keynesianische Wirtschaftspolitik durchsetzte und die DemokratInnen ihre Verankerung in den Gewerkschaften aufbauten.

Dass sie heute gegenüber den Gewerkschaften eine vorherrschende Rolle einnehmen, konnte auch bei der „Fight for 15 Dollar/15 Dollar now“-Kampagne gesehen werden. Dort hatten die SEIU (Dienstleistungsgewerkschaft im Dachverband „Change to win“) die Kampagne geführt, Gruppen wie die Socialist Alternative interveniert und gemeinsam wurden Zehntausende von NiedriglohnabeiterInnen auf die Straße geführt. Die Durchsetzung dieses Mindestlohns wurde dann aber den „linken“ Abgeordneten der DemokratInnen auf lokaler und regionaler Ebene überlassen. Dies zeigt, dass selbst die kämpferischen Kampagnenströme der letzten Jahre letztlich auf deren Mühlen geleitet wurden wie auch die Energie der Millionen, welche von Sanders die „politische Revolution“ erhofften.

Auch bei den aktuellen Wahlen zum Vorsitzenden der DemokratInnen spielten die US-Gewerkschaften eine wichtige Rolle. Während die Führung des Dachverbands AFL-CIO den ehemaligen Arbeitsminister Perez unterstützte und glaubt, dass dieser das Vertrauen der ArbeiterInnen in diese Partei stärken könnte, bleibt die Frage unbeantwortet, warum dies nicht während seiner Amtszeit geschah. Einzelgewerkschaften wiederum unterstützten den Kandidaten aus dem Sanders-Lager Ellinson, welcher dann unterlag, nur um seine Loyalität zu versichern, und dass man nun gemeinsam die Partei wiederaufbauen müsste, am besten aus der aktuellen Protestbewegung heraus.

Hauptaufgaben

Daraus ergibt sich auch die Hauptaufgabe der US-Linken heute. Die Massenproteste gegen Trump dürfen eben nicht zu einer Revitalisierung der DemokratInnen führen. Hier muss aktiv für einen Bruch mit ihnen, auch mit Sanders, geworben werden. Bei der Mindestlohnkampagne wurden vor allem lateinamerikanische und schwarze ArbeiterInnen mobilisiert, die Mehrheit im Niedriglohnsektor der USA.

Jetzt wäre es die Aufgabe, diese extrem ausgebeuteten Schichten der Klasse als Ausgangspunkt für eine Mobilisierung in den Gewerkschaften zu nehmen, gegen die Spaltung der Klasse durch die rassistische Politik der Trump-Regierung. Dort wäre dann auch darzustellen, dass eben die DemokratInnen, aber auch die GRÜNEN für uns keine Alternative verkörpern. Unter der Obama-Regierung wurden 3 Millionen MigrantInnen abgeschoben wie auch Prekarisierung und Lohnverluste durchgesetzt. Dies ändert sich nicht, wenn die DemokratInnen nun oppositioneller daherkommen. Sie bleiben eine offen bürgerliche Partei, die sich nicht auf die organisierte ArbeiterInnenbewegung als einziger Klassenkraft und Massenbasis stützt, also keine reformistische ArbeiterInnenpartei ist. Dies zu erkennen und danach seine Taktik auszurichten, wäre die Hauptaufgabe der US-Linken heute.

Eine „blinde“ Gefolgschaft der Protestbewegung, deren politische Führung nicht offen anzugreifen, nimmt ihr die Perspektive, die jetzt offen vorhanden ist. Eine Zusammenführung der antirassistischen Bewegung wie „Black Lives matter“ mit den Mobilisierungen zum Frauenkampftag, mit Aktionen und Initiativen in den Gewerkschaften kann den Boden für eine sozialistische Politik und Programmatik bereiten, aber nicht, wenn Sanders und Co. „vertraut“ wird. Nur wenn der Bruch mit den DemokratInnen aller Schattierungen gesucht wird, kann auch die Massenbewegung eine Wahl treffen, nämlich gegen den Verrat und die Illusionen und für eine klassenkämpferische, antirassistische und antikapitalistische Perspektive. Wenn diese von den US-Linken nicht angeboten wird und die Organisationen eher kleinteilig ihr Wachstum innerhalb des „demokratischen“ Mantels zum Ziel haben, dann werden die Proteste eben von den DemokratInnen missbraucht und die Massenbewegung zum Unglück nicht genutzt, um eine wirkliche Alternative zum herrschenden politischen System aufzubauen.

Chance nicht verpassen!

Dann wird eine historische Chance, der Beginn des Aufbaus einer US-Laborparty, wieder verschoben bzw. durch die zentristische und zaudernde Politik wesentlicher AkteurInnen eine Massenbewegung erneut an bürgerliche Kräfte verkauft.  Diese Realität müsste aktuell im Mittelpunkt aller Debatten und Auseinandersetzungen der US-Linken stehen. Dazu gehört ebenso die Frage, mit welchem Programm der Widerstand gegen Trump eigentlich bewaffnet werden soll: ob ein abstrakter Kampf für „Demokratie“ oder „Menschenrechte“ wirklich ausreicht oder mit welcher Programmatik eigentlich für sozialistische Politik gekämpft werden muss. Als weitere wichtige Notwendigkeit müssten die zentristischen Gruppen dafür allerdings die ihnen innewohnende „Programmfeindlichkeit“ überwinden.

Es ist eben nicht allein die „Bewegung“, die zählt, sondern es ist die sozialistische Intervention, der Bruch mit dem bürgerlichen Bewusstsein, welcher sich programmatisch und organisatorisch vollziehen muss: gegen Trump, die RepublikanerInnen und DemokratInnen gleichermaßen! Das ist die Aufgabe, vor der die US-Linke steht.

Die Anwendung der ArbeiterInnenparteitaktik in den USA heute beinhaltet zweierlei: zum Ersten den Kampf um ihre Gründung in alle Ecken und Winkel der Anti-Trump-Protestbewegung, aber auch in die Gewerkschaften hineinzutragen und an deren Führungen die Forderung zu richten, mit den offenen Parteien des Bürgertums zu brechen und eine Arbeiterinnenpartei zu bilden. Selbst im Falle ihrer Weigerung und dem, dass eine solche Partei nicht zustande kommt, kann dies nur die Bedingungen für deren zukünftigen Aufbau verbessern.

Dieses Vorgehen kann auch dazu beitragen, den antibürokratischen Kampf in den Gewerkschaften, für deren Umwandlung in Organisationen des militanten Klassenkampfs auf eine höhere Stufe zu heben, indem es die ArbeiterInnenvorhut um diese Perspektive sammeln hilft. Dazu ist zweitens das Eingreifen mittels eines revolutionären Übergangsprogramms notwendig. Letzteres ist von umso größerer Bedeutung, wenn es zu einer US-Laborparty kommen sollte. RevolutionärInnen würden dort von Anfang an dafür eintreten, dass diese Partei nicht den Weg der Parteien der II. und III. Internationale einschlägt, nicht den des Reformismus und Zentrismus, sondern den des revolutionären Kommunismus einer zukünftigen Fünften Internationale!

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Nr. 217, März 17

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