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Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Länder

Ein Abschluss, der den Beschäftigten materiell ein wenig bringt, aber niemandem weh tut

Helga Müller. Neue Internationale 217, März 2107

Nach drei kurz hintereinander stattfindenden Tarifverhandlungen mit ein paar Warnstreiks wurde die Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Länder nach nur 2 Monaten beendet. Das Ergebnis zeigt, dass sie nicht dazu genutzt wurde, um im Jahr der Bundes- und zahlreicher Landtagswahlen zu zeigen, ob ver.di in der Lage ist, gegen die Sparbremse der Länderregierungen die Forderungen der Länderbeschäftigten durchzusetzen.

Ver.di-Chef Bsirske selbst hat immer wieder betont, dass der öffentliche Dienst gegenüber der Privatwirtschaft einen Nachholbedarf habe. Gerade die Tarifrunden im öffentlichen Dienst sind durchaus politisch, geht es doch darum aufzuzeigen, für wen entschieden wird und ob das Geld bei denen geholt wird, die für die Krise der öffentlichen Haushalte verantwortlich sind – bei den UnternehmerInnen, die seit Jahrzehnten steuerlich immer mehr entlastet werden.

In dieser Tarifrunde hatte ver.di zusammen mit der GEW und dem Beamtenbund ein ganzes Forderungspaket aufgestellt.

Eine Erhöhung der Gehälter in einem Gesamtvolumen von 6 %, das einen nicht näher definierten Mindestsockel beinhaltete, damit die Schere zwischen den unteren und oberen Gehaltsgruppen nicht zu weit auseinandergeht;

für Azubis eine Erhöhung von 90 Euro;

eine tarifvertragliche Regelung des Ausschlusses von sachgrundloser Befristung (auch im öffentlichen Dienst werden neue Arbeitsverträge vermehrt zeitlich befristet ausgeschrieben);

die Einführung einer weiteren  Gehaltserhöhung innerhalb bestimmter Tarifgruppen, das galt vor allem für nicht verbeamtete LehrerInnen;

die Gehälter der Beschäftigten im Sozial-/Erziehungsdienst und in der Pflege sollten an die der Kommunen angeglichen werden (im Durchschnitt ein Unterschied von 4 %);

die Erhöhung des Urlaubs um 2 Tage auf insgesamt 30 für Azubis;

die Verlängerung einer verbindlichen Übernahmeregelung  nach der Ausbildung;

die schulischen Ausbildungsgänge, z. B. in den Gesundheitsberufen, sollten in die Tarifverträge einbezogen werden etc.

Entscheidend war dabei, dass eine Laufzeit von 12 Monaten vereinbart werden sollte.

Rascher Abschluss

Gleich zu Anfang liefen die öffentlichen Arbeit„geberInnen“ Sturm dagegen. Der Verhandlungsführer der Länder (TdL) – der niedersächsische Finanzminister Peter-Jürgen Schneider – teilte in einem Presseinfo mit: „Die erhobenen Forderungen sind … in Zeiten niedriger Inflation weit überzogen und nicht akzeptabel“. Und: „die Schuldenbremse im Grundgesetz erfordere aber nach wie vor eine strikte Ausgabendisziplin. … Auch die Gewerkschaften müssen die Realität akzeptieren, dass fast jeder zweite Euro an Steuereinnahmen der Länder für Personalausgaben aufgewandt wird.“ Und er rechnet vor, dass die Lohnforderungen die Länderhaushalte mit insgesamt 2,3 Mrd. Euro Personalkosten belasten würden. Käme noch die von den Gewerkschaften geforderte Übertragung auf die BeamtInnen dazu, würde sich der Betrag auf rd. 7 Mrd. Euro erhöhen (TdL-Presseinfo Nr. 2/2016 vom 14. Dez. 2016). Ver.di wies wiederum in ihren Publikationen darauf hin, dass diese Erhöhung leicht zu finanzieren wäre, wird doch für die öffentlichen Haushalte für 2016 und 2017 ein Überschuss von etwa 20 Mrd. Euro prognostiziert. Für 2016 wird mit einem Steuerplus von 2,6 % und für 2017 von 3,8 % für die Länder gerechnet (ver.di-Veröffentlichungen  vom 14. Dez. 2016).

Nach einigen wenigen Warnstreiks wurde dann bereits bei den 3. Verhandlungen am 17. Februar  – nachdem in der 2. Tarifrunde Ende Januar die öffentlichen Arbeit“geber“ kein Angebot gemacht hatten – ein Ergebnis erzielt:

Die Laufzeit beträgt 2 Jahre bis zum 31.12.2018, die Entgelterhöhung erfolgt zweistufig: ab dem 1. Jan. 2017 2 Prozent, mind. 75 Euro begrenzt bis zum Entgeltbetrag von 3.200 Euro und ab 1. Jan. 2018 2,35 Prozent; Azubis erhalten ab 1. Jan. 2017 35 Euro und zum 1. Jan. 2018 nochmal 35 Euro mehr. Auch die Gehaltserhöhung für bestimmte Tarifgruppen erfolgt zweistufig. Viele Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst – nicht alle – erhalten eine Zulage (wie weit diese noch vom Gehaltsniveau der Beschäftigten in den Kommunen abweicht, wird aus den bis jetzt vorliegenden Veröffentlichungen von ver.di nicht ersichtlich).  Azubis erhalten 1 Tag mehr Urlaub – insgesamt 29 – und die bisherige Übernahmeregelung wird um 2 Jahre verlängert. Zur Tarifierung der schulisch-betrieblichen Ausbildungen werden im April Tarifverhandlungen aufgenommen, die im Herbst 2017 abgeschlossen sein sollen (aus den uns vorliegenden Unterlagen von ver.di wird nicht ersichtlich, ob hier auch Arbeitskampfmaßnahmen möglich sind oder nicht). Eine tarifvertragliche Regelung des Ausschlusses von sachgrundloser Befristung lehnte der Arbeit„geber“verband ab mit dem Hinweis, dass es sich hier um eine gesetzliche Angelegenheit handele. Das zu den wichtigsten Ergebnissen. Die Übertragung der Ergebnisse auf die BeamtInnen konnte in den Verhandlungen nicht geklärt werden.

Reaktionen

Die Reaktion der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) auf den Abschluss liefert schon ein erstes Bild, wie dieses Ergebnis als Ganzes einzuschätzen ist. Der Verhandlungsführer der Länder Schneider kommentierte das Ergebnis folgendermaßen: „Unser Ziel war ein finanzierbares und vor allem langfristig tragbares Ergebnis für die Länder. Das haben wir mit dem vorliegenden Kompromiss erreicht.“ Die Tarifeinigung wird die TdL-Länder (außer Hessen, das separate Tarifverhandlungen führt) 2017 870 Mio. Euro und 2018 rund 1,9 Mrd. Euro kosten – auf die Angestellten gerechnet. (zit. nach TdL-Presseinfo Nr. 1/2017 vom 17. Febr. 2017)

Zugegebenermaßen ist der Organisationsgrad und damit die Kampfkraft der Länderbeschäftigten nicht sehr hoch. Aber diese Tarifrunde – zum einen hatte der öffentliche Dienst schon immer bis zu einem gewissen Grad eine Vorreiterrolle für alle Tarifrunden auch in der sog. Privatwirtschaft gespielt, zum anderen geht es im öffentlichen Dienst tatsächlich auch um gesamtgesellschaftliche Aufgaben – hätte zum Ausgangspunkt genommen werden müssen, um zum einen andere Bereiche mit in den Kampf einzubeziehen. Zum anderen hätten auch DIE LINKE und die SPD aufgefordert werden müssen, den Kampf bedingungslos zu unterstützen und, vor allem, hätte der politische Konflikt auf die Tagesordnung gesetzt werden müssen: Für wen wird das Geld verwendet und wer zahlt dafür? Z. B. hätte der Kampf gegen die sachgrundlose Befristung durchaus ein Signal für alle KollegInnen über alle Branchen hinweg abgeben können, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen stehen,  gemeinsam gegen die zunehmende Prekarisierung vorzugehen.

So lief die Tarifrunde nach dem mittlerweile üblichen Ritual ab: man hat den politischen Entscheidungsträgern nicht wirklich weh getan, es gab keine politische Auseinandersetzung, ob die Unternehmersteuern nicht erhöht werden müssten – eine Forderung, die konkret an DIE LINKE und die SPD gestellt und mit der Frage verknüpft werden müsste, wie sie dafür zu kämpfen gedenken – und ver.di hat ein bisschen was für die Beschäftigten rausgeholt. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung blieb außen vor, in Bezug auf das allgemeine Bewusstsein und für das Kräfteverhältnis hat das nicht nach vorne geführt.

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