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Reaktionen zum AFd-Wahlsieg

Wohin geht die Linkspartei?

Lars Keller, Neue Internationale 208, April 2016

Nach den jüngsten, einschlägigen Erfolgen der „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist in der Linken eine Diskussion darüber entbrannt, wie mit dieser zusehends erfolgreichen und immer weiter nach rechts gehenden Partei umgegangen werden soll.

Sigmar Gabriel (SPD) beschwört angesichts des weiteren Niedergangs der SPD die „Einheit aller Demokraten“ und die CDU/CSU streitet darüber, wer am Aufstieg der AfD Schuld ist. Die Grünen werden wohl in allen Regierungen landen. Die Linkspartei musste unterdessen einen herben Verlust in Sachsen-Anhalt einstecken. In den beiden westdeutschen Ländern spielte sie ohnedies nie eine Rolle in den Parlamenten.

Doch anstatt aus den Warnsignalen die Notwendigkeit einer antirassistischen Einheitsfront der ArbeiterInnenparteien und Gewerkschaften zu erkennen und für Losungen wie offene Grenzen, gegen imperialistische Interventionen, Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Sozialleistungen aufzurufen, glänzt die Linkspartei von Gysi bis zur AKL mit einer Politik, die die PDL immer tiefer sinken lassen wird.

Gysi und die Union

„Alle demokratischen Parteien müssen sich gemeinsam gegen die Rechtsentwicklung stellen - von der Union bis zur LINKEN.“ (FAZ, 16.3.2016) Mit diesen Worten meldete sich der vormalige Fraktionsvorsitzende zu Wort - nicht ohne im darauffolgenden Satz zu sagen, dass es auch weiter darum gehe, „die Union in die Opposition zu schicken“. Wenn es aber gegen die AfD geht, müsse die LINKE auch mit der Union „zusammenarbeiten“ können.

Das erklärte Ziel des Gysi-Flügels, 2017 eine rot-rot-grüne Bundesregierung zu stellen, rückt angesichts des AfD-Aufstiegs in immer unerreichbarere Ferne. Worum es Gysi geht, ist eine Regierungsbeteiligung um (fast) jeden Preis. Doch mit dem Regieren ist das in der LINKEN so eine Sache: Der linke Flügel sträubt sich dagegen, der rechte Flügel ist bereit, alles in Kauf zu nehmen, was dazu gehört: Abschiebung, Sozialabbau, Privatisierung ... eben das, was Leute um die AKL nicht wollen. Nur so, durch die Bereitschaft zur „Einheit aller Demokraten“ könne der Aufstieg der AfD gestoppt werden.

Damit spielt er letztlich denen in die Hände, die er zu bekämpfen vorgibt. Die „demokratischen Parteien“ werden von der Linkspartei den Verzicht auf weitere soziale, friedenspolitische, demokratische Versprechen einfordern und sie somit zur „linken“ Mehrheitsbeschafferin degradieren. Zugleich spielt das Zurückstellen aller Differenzen, aller sozialen und demokratischen Forderungen der AfD und anderen rassistischen Demagogen in die Hände, die sich dann umso leichter als einzige „Systemopposition“ hinstellen können.

Gysi setzt mit seiner Forderung nach „Einheit der Demokraten“ bewusst seine Partei unter Druck, indem er als einziges Mittel gegen den Aufstieg der AfD die Zusammenarbeit mit allen „demokratischen Kräften“ einschließlich Union und FDP darstellt.

Wagenknecht und der Sozialchauvinismus

Während Gysi versucht, die Partei über eine Zusammenarbeit mit der Union an die Regierung zu bringen, versucht eine andere in der LINKEN, die in Richtung AfD abhandengekommenen WählerInnen wieder zurückzuholen - und macht dabei Konzessionen an die Rassisten.

Sahra Wagenknecht versuchte bereits nach den sexistischen Vorfällen in der Silvesternacht, die Abschiebung krimineller Migranten in der LINKEN hoffähig zu machen. Sie legte nach, als sie meinte, man könne nicht „jedes Jahr eine Millionen Menschen aufnehmen“.

Jetzt, nachdem sie zunächst das Gift des Sozialchauvinismus fleißig versprüht hat, angelt sie nach jenen, die in den rassistischen Teich gefallen sind: „Natürlich darf man nicht pauschal alle Menschen, die sich angesichts hoher Flüchtlingszahlen noch stärker um Arbeitsplätze, Sozialleistungen, Wohnungen und steigende Mieten sorgen, in eine rassistische Ecke stellen. Das gilt auch für Wähler der AfD." (Die Welt, 20.3.2016)

Es ist richtig, dass viele die AfD wählten, weil sie sich um die von Wagenknecht genannten Punkte sorgen. Aber nichtsdestotrotz suchten diese WählerInnen ihr Heil bei einer offen rassistischen Partei.

Warum?

Das Heil im Sozialchauvinismus sucht auch Sahra Wagenknecht. Die einzigen fortschrittlichen Forderungen, die sie glaubwürdig erheben könnte, um die Frage von Rassismus und Wohnungen, Sozialleistungen usw. zu beantworten, würden auf einen Konflikt mit dem deutschen Kapital hinauslaufen. Anlegen will sie sich aber allenfalls mit dessen „neoliberalem“ Teil und andere für eine Rückkehr zur „sozialen Marktwirtschaft“ gewinnen, also für einen Ausgleich zwischen Lohnarbeit und Kapital. Auf Basis dieser Reformlogik müssen Forderungen nach offenen Grenzen notwendigerweise wegfallen. Wagenknechts Anpassung an die AfD ist also nicht nur dem Aufstieg der Rechten geschuldet. Ihre (und Lafontaines) Forderung nach Begrenzung der Migration entspringt auch der „Einsicht“, dass ein sozialpartnerschaftliches System nicht für die ganze Welt funktionieren, sondern immer nur auf eine mehr oder weniger große Bevölkerungsmasse in den imperialistischen Ländern begrenzt sein kann.

Nachdem die LINKE überall, wo sie an der Regierung war, bürgerliche Realpolitik geliefert hat und in der Opposition zusehends immer weniger eine Alternative darstellen kann, bleibt nun für den Flügel um Lafontaine/Wagenknecht nur der tief im Reformismus verankerte Sozialchauvinismus, um die fortgelaufenen WählerInnen wieder einzufangen.

Aufhalten wird das aber weder den Niedergang der Linkspartei noch den Aufstieg der AfD. Warum soll der so schleierhafte Sozialchauvinismus Wagenknechts gewählt werden, wenn Petry, Höcke und Co. mit viel klareren Feindbildern daherkommen?

Der Linke Flügel und die soziale Frage

Je mehr der Gysi-Flügel bei jeder Gelegenheit getreu seiner Ausrichtung versucht, die Partei nach rechts zu treiben, desto größer wird der Selbstbetrug am linken Flügel. Hier existiert nach wie vor die illusorische Vorstellung, dass der rechte Flügel der Partei belehrbar sei oder einfach nur Fehler mache, anstatt mit viel Kalkül die Partei nach seinen Regierungsinteressen zu formen.

Dementsprechend schreiben Heike Hänsel, Sevim Dagdelen und Alexander Ulrich:„Jetzt auf Anti-AfD-Bündnisse zu setzen, deren Breite nur dadurch zustande kommt, dass die soziale Frage außen vor bleibt, hieße, das Scheitern von Linken in Europa[...]. Was wir stattdessen brauchen, ist ein Bündnis gegen Neoliberalismus. Hier wird sich schnell zeigen, auf welcher Seite SPD und Grüne stehen.“ (heike-hänsel.de, 15. 3. 2016)

Hier wird außerdem das aktuell Notwendige hintangestellt. Obgleich der Neoliberalismus eine große Verantwortung dafür hat, dass der Rassismus einen Aufstieg erlebt, ist ein antineoliberales Bündnis eine unzureichende Antwort.

Wenn Flüchtlingsheime bereits brennen, wenn das schärfste Anti-Asylgesetz seine Umsetzung findet und die AfD eben mit über 20 Prozent in einen Landtag einzieht, ist eine antirassistische Einheitsfront unmittelbar erforderlich.

Praktisch bedeutet die Position dieser Linken, Antirassismus und Antineoliberalismus zu trennen und der Gemeinschaft aller DemokratInnen die Aufgabe des antirassistischen Kampfes zu überantworten.

Damit wird der Klassencharakter des Rassismus entsorgt, er lediglich als Verstoß gegen Mitmenschlichkeit begriffen. Eine antirassistische ArbeiterInneneinheitsfront ist aber nicht nur deshalb notwendig, weil ArbeiterInnen auch noch zusätzlich gegen Neoliberalismus und für soziale Forderungen kämpfen sollen, sondern weil nur sie alle Aspekte des Rassismus aufgreifen kann, v.a. den der Klassenspaltung. Rassismus bedeutet auch Lohndrückerei, erschwerten Zugang zu gleichen Arbeitsrechten, legt der Integration von MigrantInnen und Geflüchteten in die ArbeiterInnenorganisationen rechtlich und materiell Steine in den Weg, kurz: schwächt die Kampfkraft unserer Klasse in jeder Beziehung. Das Eintreten gegen diese Hindernisse ist mit den offen bürgerlichen „antirassistischen“ Parteien unmöglich, weil sich Rassismus nur auf das Proletariat in ganzer, voller Härte auswirkt!

Die Forderung, sich nur auf Antineoliberalismus zu konzentrieren, um die WählerInnen von der AfD zurückzugewinnen, schließt indirekt jene aus, die vom Rassismus am härtesten getroffen sind und verkennt obendrein, dass Antirassismus untrennbar mit der sozialen Frage und damit mit Antineoliberalimus verbunden ist. Diese Dinge voneinander zu isolieren heißt den gemeinsamen Kampf mit Geflüchteten nicht primär zu suchen und damit letztlich eine der Spaltungslinien in der ArbeiterInnenklasse nicht anzugreifen.

Ganz links?

Noch weniger Perspektive als der „Antineoliberalismus“ kommt von jenen, die sich am äußerst linken Flügel der Partei aufgestellt wähnen: „Wenn DIE LINKE nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken will, muss sie eine unmissverständliche und kämpferische Opposition gegen CDU, SPD, Grüne und AfD betreiben.“ (sozialismus.info, 17.3.2016), schreibt Lucy Redler für die SAV.

Wie dieser Kampf aussehen und geschehen soll, darüber scheint immer weniger bis keine Klarheit zu herrschen. Wir haben einen Vorschlag: Die sich als links oder gar revolutionär verstehenden Kräfte in der LINKEN sollten sich verstärkt die Frage stellen, ob sie weiter das linke Anhängsel für eine Partei und deren reformistische Führung seien wollen, die nahezu alle linken Grundprinzipien schon längst verraten hat. Sie sollten von ihrer Partei die aktive Beteiligung an einer antirassistischen Einheitsfront gegen die AfD und die rassistische Regierungspolitik einfordern, die die soziale Frage und den Antirassismus zusammenbringt. Dann wird sich nicht nur zeigen, „auf welcher Seite die SPD steht“, um so mehr wird sich erneut zeigen, wo die LINKE als Partei steht - auf der des Sozialchauvinismus.

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Nr. 208, April 2016

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*  Leiharbeit und Werkverträge: Gesetz auf Eis
*  IG Metall Tarifrunde 16: Kleckern oder doch klotzen?
*  Tarifrunde Öffentlicher Dienst: Forderungen mit Anti-Rassismus verbinden
*  Reaktion zum AfD-Wahlsieg: Wohin geht die Linkspartei?
*  Krise der EU und die sog. "Flüchtlingsfrage": Internationale Solidarität statt Nationalismus und Festung Europa!
*  Frankreich: ArbeiterInnen und Jugend gegen die Regierung
*  Bernie Sanders: Die "politische Revolution" geht weiter - aber eine Revolution braucht eine Partei
*  Brasilien: Wir wollen keinen Putsch, wir wollen kämpfen!
*  Referendum in Britannien: Was auf dem Spiel steht?
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