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Griechenland

Perspektiven des Klassenkampfs

Martin Suchanek, Neue Internationale 171, Juli/August 2012

Nach den Wahlen vom Juni und der Bildung der Regierung Samaras ist der Klassenkampf in Griechenland in eine neue Phase getreten.

Die europäischen und US-Imperialisten - v.a. die deutsche Regierung - und die griechische herrschende Klasse haben es durch eine Mischung aus Erpressung, Drohungen und Demagogie und aufgrund des undemokratischen Wahlsystems vermocht, „ihre“ Regierung durchzusetzen. Die Nea Dimokratia, die PASOK und die politischen Feiglinge der „linken“ DIMAR haben sich auf eine „breite Regierung“ verständigt.

Samaras, Venizelos und ihre Minister geben sich jetzt „hart“. Sie versprechen „entschlossene“ Neuverhandlungen mit der TROIKA aus EU, Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und den Regierungen der imperialistischen Nationen Europas. Welch ein Hohn! Diese PolitikerInnen, diese Parteien haben selbst das Memorandum mit der EU ausgehandelt. Sie selbst haben drakonische Sparmaßnahmen umgesetzt wie die Aushebelung des Tarifrechts, drastische Kürzungen von Mindestlohn und Renten, die zu Betriebsstilllegungen und Massenentlassungen geführt haben. Sie selbst haben eine Politik zu verantworten, die zur Arbeitslosigkeit von mehr als der Hälfte aller GriechInnen geführt hat und der Jugend jede Zukunftsperspektive raubt.

So wollen sie ihre Komplizenschaft mit der TROIKA verwischen und verbergen, worin sie mit der TROIKA übereinstimmen: Die große Masse der Bevölkerung, die Lohnabhängigen, die Arbeiterklasse und das Kleinbürgertum, sollen für die Krise zahlen, während die Banken, die großen Unternehmen und das Großkapital gerettet werden.

Zugleich wollen sie so verhindern, dass die Massen - jene ArbeiterInnen, Angestellten, Jugendlichen, die in den letzten Jahren immer wieder zu Millionen auf die Straße gegangen sind, ein- oder zweitägige Generalstreiks durchgeführt, zentrale Plätze okkupiert, Betriebe besetzt und unter eigener Regie weiter betrieben haben - ihren Widerstand fortführen und intensivieren.

Kurz, die Regierung will Zeit gewinnen. Sie will all jene, die bei den Wahlen mehrheitlich gegen die Diktate der EU und des IWF gestimmt haben, die sich nach links v.a. zu Syriza gewandt haben, ruhig halten und hoffen, dass sie sich mit Worten vertrösten lassen.

So hofft die Regierung auch, von ihren „Partnern“ in der EU ein paar Zugeständnisse zu erhalten, um die Bewegung zu schwächen, eine Vereinheitlichung und Politisierung des Widerstands zu verhindern - und so die weniger bewussten und kämpferischen Teile der Klasse zu demoralisieren und die bewussteren in Teilkämpfen zu schlagen.

Zwei Möglichkeiten

Die gegenwärtige Krise kann letztlich nur auf zwei Arten gelöst werden. Entweder durch den Sieg der Arbeiterklasse, der großen Masse der Bevölkerung, oder durch den Sieg der bürgerlichen Reaktion, des Bündnisse aus Imperialisten und griechischen Kapitalisten.

Die Regierung Samaras versucht, letzteres mit einem „demokratischen“ Mandat durchzuziehen. Hinter ihr steht eine Staatsmaschinerie, die schon in der Vergangenheit brutal gegen DemonstratInnen, Jugendliche, kämpfende ArbeiterInnen vorgegangen ist und die, falls „demokratische Mittel“ zur Niederhaltung der Bewegung nicht reichen, auch zu autoritäreren Maßnahmen bis zum Ausnahmezustand greifen können.

Zum anderen droht ein Erstarken der rassistischen und faschistischen Rechten und ihrer Schlägerbanden, die schon heute zunehmend Jagd auf MigrantInnen, Obdachlose, Jugendliche und Linke machen.

Daher dürfen wir keine Zeit verlieren! Die Arbeiterklasse ist heute eine Klasse der Hoffnung, die politische Linke ist eine Linke der Hoffnung für die Masse der Bevölkerung. Trotz des Wahlsieges der ND ging die Linke - allen voran Syriza - gestärkt aus den Wahlen hervor. Der massive Stimmenzuwachs belegt das.

Aber diese Stimmung wird nicht ewig anhalten, wenn sie nicht zur entschlossenen Aktion im Kampf gegen die Diktate der Imperialisten, die Rücknahme aller Verschlechterungen der letzten Jahre und drohende Massenentlassungen, v.a. im Öffentlichen Dienst, führt. Die letzten Periode und die letzten Wahlen haben ganz offensichtlich die Frage aufgeworfen, wer, welche Partei im Interesse welcher Klasse regiert. Auch wenn Samaras gewonnen hat, so werden die unvermeidlichen Kämpfe gegen seine Regierung erneut die Machtfrage aufwerfen. Denn nur eine Arbeiterregierung, die sich auf Kampforgane, Aktionskomitees, Selbstverteidigungsmilizen und Räte stützt, die aus einem politischen Generalstreik erwachsen, wird in der Lage sein, ein Programm umzusetzen, das eine Verbesserung der Lage der Massen bringt und die Macht der Kapitalisten bricht.

Revolutionäre Partei

Seit Jahren macht Griechenland eine revolutionäre Entwicklung durch, die immer wieder zu vorrevolutionären Situationen geführt hat. Der Grund, warum daraus keine akut revolutionären Situationen entstanden sind, warum sie nicht zu einer genuinen proletarischen Revolution geführt haben, liegt v.a. am Versagen der politischen Führung der griechischen Arbeiterklasse, am Fehlen einer genuin revolutionären Partei.

Die Schaffung einer solchen politischen Kraft ist daher die Schlüsselaufgabe für alle klassenbewussten ArbeiterInnen, Jugendlichen, AktivistInnen der radikalen, anti-kapitalistischen Linken in der nächsten Periode.

In den letzten Jahren haben viele von ihnen immer wieder bewiesen, dass sie ernsthaft gegen die Angriffe von Imperialismus und Regierung kämpfen wollen. Aber es fehlte und fehlt an einer organisierten, revolutionären Arbeiterpartei, die sich auf ein Aktionsprogramm, ein Programm von Übergangsforderung stützt, das einen Weg zur Machtergreifung weist.

Der Kampf für diese Partei findet dabei nicht im luftleeren Raum statt. Mehr als 1,5 Millionen haben bei den letzten Wahlen Syriza gewählt. Tausende, wenn nicht Zehntausende strömen ihr zu. Gleichzeitig haben KKE und PAME aufgrund ihrer Mischung von Sektierertum und Opportunismus hunderttausende WählerInnen verloren.

Doch die Führung von Syriza signalisiert der Regierung ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Sie will eine „verantwortungsvolle Opposition“ sein. Das schließt auch ein, dass sie nicht jetzt den Kampf gegen die neue Regierung aufnimmt, sondern dieser „eine Chance“ geben will bis zum September. So droht wichtige Zeit zu verstreichen, so droht eine Demoralisierung breiter Schichten, während die Regierung Kräfte zum nächsten Schlag sammelt.

Zugleich steht die „anti-kapitalistische“ Linke vor der Frage, wie sie Zugang zur Masse finden kann. Sie hat in den letzten Jahren viel zum Kampf beigetragen - aber sie hat es nicht verstanden, die Massen für sich zu gewinnen. Dazu ist es nötig, dass sie dort, worin die Masse der griechischen Arbeiterklasse heute ihre Hoffnungen setzt - in Syriza - dafür kämpft, dass diese zu einer demokratischen, klassenkämpferischen Partei wird und organisiert dafür eintritt, Syriza vom Einfluss des Reformismus zu befreien und ein revolutionäres Programm durchzusetzen. Eine solche Taktik hat nichts mit politischer Unterordnung unter Tsipras und Co. zu tun. Sie bedeutet vielmehr, den Kampf um die politische Führung und Perspektive der griechischen Revolution in „ihre“ Organisation, unter ihre AnhängerInnen zu tragen.

Dieser Kampf ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie. Die Apparate von GSEE und ADEDY ordnen sich weiter der PASOK unter und suchen die „Zusammenarbeit mit der Regierung“. Gegen diese Politik muss eine klassenkämpferische, gewerkschaftsübergreifende Opposition aufgebaut werden, die dafür kämpft, dass die Gewerkschaften zu Organen des Klassenkampfes werden.

Kampf für die Einheitsfront

Kritik allein - so richtig und notwendig sie ist - reicht aber nicht, um die Masse, ja selbst die Avantgarde der griechischen Arbeiterklasse zu überzeugen und zu gewinnen. Sie wollen und brauchen eine Partei, die die Lohnabhängigen, alle Ausgebeuteten und Unterdrückten vereinen und führen kann.

Daher müssen RevolutionärInnen die konsequentesten KämpferInnen für die Schaffung einer Einheitsfront aller Arbeiterorganisationen, der revolutionären, antikapitalistischen, sozialistischen, anarchistischen und eben auch der reformistischen und gewerkschaftlichen sein. Eine solche Einheitsfront darf kein politisches Stillhalteabkommen sein, sondern muss für die Einheit im Kampf gegen die Regierung und die Unternehmer gebildet werden. Nur so wird die Bewegung ihre aktuellen Schwächen und die Blockaden durch die bestehenden Führungen überwinden können.

Massenversammlungen und Aktionskomitees

Eine solche Einheitsfront muss auf allen Ebenen vorgeschlagen werden. In einzelnen Städten oder Regionen sind gemeinsame Aktionen um Einzelforderungen notwendig. Das kann zur Verteidigung besetzter Betriebe, zum Kampf gegen Schließungen geschehen oder auch die Form von Selbstverteidigungsgruppen gegen faschistische oder rassistische Angriffe annehmen.

Wir fordern alle Arbeiterorganisationen zur aktiven Teilnahme, zur Mobilisierung ihrer Mitglieder und UnterstützerInnen auf! Wir richten diese Forderung an die Mitglieder und Führungen dieser Organisationen. Aber die Einheitsfront darf und soll nicht bloß ein Abkommen zwischen Partei- oder Gewerkschaftsspitzen sein.

Ihre Ziele, ihre Kampfmethoden sollen offen und breit in der Bewegung diskutiert und beschlossen werden. So kann am besten die Kontrolle, aber auch die aktive Einbeziehung aller - einschließlich der unorganisierten ArbeiterInnen und Arbeitslosen, einschließlich jener, die (noch) keiner Gewerkschaft oder linken Partei angehören - gewährleistet werden.

Dazu schlagen wir vor, dass in allen Betrieben, in allen Stadtteilen, in den Städten und Landgemeinden regelmäßige Massenversammlungen (Betriebs- und Abteilungsversammlungen usw.) durchgeführt werden!

So kann auch die Spaltung in verschiedene Gewerkschaften, die Spaltung zwischen organisierten und unorganisierten ArbeiterInnen in der Aktion überwunden werden. Ebenso können so auf lokaler Ebene Arbeitslosen, Jugendliche und RentnerInnen, Frauen, MigrantInnen, Menschen ohne Papiere, aber auch die unteren Schichten des Kleinbürgertums und die Mittelschichten einbezogen werden.

Die Betriebs- und Stadtteilversammlungen sollen Aktionsausschüsse oder Aktionskomitees wählen, die den Versammlungen verantwortlich sind und von diesen wieder abgewählt werden können.

Diese Ausschüsse mögen um betriebliche und lokale Fragen gebildet werden. Sie dürfen sich aber nicht damit zufrieden geben. Sie müssen auf lokaler, regionaler und landesweiter Ebene zusammengefasst werden, um so zu einem Zentrum des Kampfes, zu einer Gegenmacht zum bestehenden Apparat des Staates und der Kapitalisten zu werden. So können sie von aktuellen Strukturen der Selbstorganisation zu Räten, zu Organen der Doppelmacht werden.

Landesweite Delegiertenversammlung

Wir treten nicht nur für die Schaffung solcher Organe ein. Sie sollen auch möglichst rasch zu einem landesweiten Delegiertenkongress zusammengefasst werden, der für die gesamte Bewegung sprechen kann und deren Kampfstrategie beschließt.

Eine solche Konferenz müsste sich der zentralen Aufgaben annehmen, vor denen die griechische Revolution steht:

Ausrufung und Organisierung eines unbefristeten politischen Generalstreiks gegen die fortgesetzten Angriffe der Regierung, gegen die Memoranden der TROIKA;

Kampf für ein Sofortprogramm, um die Not der Massen und weitere Verelendung zu stoppen;

Kampf zum Sturz der Regierung und für eine Arbeiterregierung, die ein solches Sofortprogramm umsetzt und sich auf Räte und Milizen stützt.

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Nr. 171, Juli/Aug. 2012
*  Fiskalpakt: Durchmerkeln in der Krise
*  Heile Welt
*  Gewerkschaftslinke: Neustart für Opposition?
*  Verfassungsschutz-Skandal: Pleiten, Pech und Pannen?
*  Energiewende: Windkraft und heiße Luft
*  Berlin: Wir bleiben alle!
*  Politisch-ökonomische Situation: Klassenkampf im Herzen der Bestie
*  Präsidentschaftswahlen in Ägypten: Doppelte Niederlage der Revolution
*  Lage der Frauen in Brasilien: Kleine Erfolge, große Probleme
*  Sommerspiele 2012: Olypmia-Wahnsinn
*  Jugend: Wie weiter im Kampf gegen Bildungsabbau?
*  Griechenland: Perspektiven des Klassenkampfes
*  Strategie: Griechenland und europäische Revolution
*  Solidaritätskomitees mit der griechischen Arbeiterklasse aufbauen!