Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

EnergieWende

Windkraft und heiße Luft

Janosch Janglo, Infomail 630, 4. Juli 2012

Ein Jahr nach dem Super-GAU von Fukushima hat die selbsternannte Klimaretterin Angela Merkel die im letzten Jahr ausgerufene „Energiewende“ zur Chefsache erklärt. Kein Wunder, denn von einer grundlegenden „Wende“ ist bisher wenig zu merken.

Immerhin wurden die acht ältesten und gefährlichsten Atommeiler stillgelegt. Trotz aller Unkenrufe ist Deutschland immer noch Stromexporteur geblieben. Doch der Anteil von  12,2% erneuerbarer Energien am Energieverbrauch (2011) ist immer noch mehr als bescheiden.

Umweltminister Röttgen wurde nicht nur wegen der verpatzten Landtagswahl in NRW kurzfristig vor die Regierungstür gesetzt. An seine Stelle wurde mit Peter Altmaier (ebenfalls CDU) jemand installiert, der stärker die Konzerninteressen bedient, die mit dem geplanten Ausbau erneuerbarer Energien ihre Monopolstellung auf dem Energiemarkt gefährdet sehen.

Seine erste Maßnahme war dann auch, das 2007 unter deutscher Ratspräsidentschaft von der EU beschlossene Ziel, den Energieverbrauch bis 2020 um 20% zu senken, wieder zu torpedieren, während Röttgen diese Richtlinie noch befürwortet hatte. Die Konzerne sollen nicht noch mehr damit belastet werden, in energieeffiziente Technologien zu investieren. Zumal die aktuelle Subventionspolitik das Energiesparen im industriellen Bereich sowieso ad absurdum führt. Industriebetriebe sind z.B. von der Umlage gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), von den Netzentgelten sowie der Energie- und Stromsteuer befreit, die nur die Klein-VerbraucherInnen zu zahlen haben. Allein für die Befreiung von den Umlagen müssen die VerbraucherInnen jährlich rund 1,2 Mrd. Euro mehr für ihren Strom bezahlen. Diese Subventionspolitik hält die Energiekosten für die Industrie niedrig. So gibt es auch weniger Anreiz zum Energiesparen, obwohl hier das größte Potential liegt. Manche Regelungen verleiteten die Unternehmen zeitweise sogar dazu, noch mehr Strom zu verbrauchen, um in eine höhere Begünstigungsstufe zu kommen.

Netzausbau trifft auf Widerstand

Die vier großen Energiekonzerne haben durch Klimawandel und Fukushima ein großes Imageproblem bekommen und sind durch die Anti-AKW-Bewegung unter Druck geraten. Jetzt heißt es, Konzernstrategien (scheinbar) zu ändern und trotzdem der Platzhirsch auf dem Energiemarkt zu bleiben. Will man aber als Monopol bei den erneuerbaren Energien mitmischen, müssen große zentrale Anlagen her, die auch einen konkurrenzfähigen Betrieb garantieren.

Nur ist das bei erneuerbaren Energien schwierig, da großtechnische Anlagen oft einen enormen Flächenverbrauch mit ebenso enormen negativen ökologischen Auswirkungen haben, z.B. große Solarparks. Zudem gibt es wie bei der Windkraft mittlerweile erheblichen Widerstand der davon betroffenen Bevölkerung.

Eine Möglichkeit sind Offshore-Anlagen entlang der Küste, die zwar technisch schwieriger zu realisieren sind, aber weniger Widerstand als Binnenwindräder provozieren. Das Problem dabei ist aber der Stromtransport zu den Industrie- und Ballungszentren, die meist im Süden liegen. Will man seine Monopolstellung behalten, muss man kostenaufwändig die Netze ausbauen, die man aus Profitgründen über Jahre vernachlässigt und die Netzdichte verringert hat.

Auch hier gibt es lokal aufgrund der gesundheitlichen Risiken von Krebs erzeugenden Starkstromleitungen, die oft durch Ortschaften führen sollen, Widerstand. Von Seiten der Konzerne wird dieser Widerstand oft als gegen erneuerbare Energien an sich gerichteter diffamiert. „Wer die Energiewende will, muss auch Opfer bringen“, tönte so auch Frau Merkel, die schon angekündigt hat, dass der Netzausbau „bezahlbar“ sein muss. Deshalb werden billigere Überlandleitungen gegenüber teureren Erdleitungen favorisiert. Kurz: die Profite der Konzerne sollen durch den Netzausbau nicht noch weiter geschröpft werden. Denn bei den Energie-Sauriern wie Vattenfall sank der Gewinn 2011 um 21% und auch bei E.ON, dem größten deutschen AKW-Betreiber, schmolz der Überschuss durch die Abschaltung einiger AKWs um satte 70%.

Da muss sich die Bundesregierung für ihre Konzern-Klienten mächtig ins Zeug legen, wollen sie an Konkurrenzkraft zugunsten kleinerer oder ausländischer Energieproduzenten nicht weiter an Boden verlieren. Somit ist auch klar, wer den teuren Netzausbau bezahlen soll: die Lohnabhängigen, welche höhere Strompreise berappen müssen. Auch Altmaier machte schnell klar, dass es Stromrabatte für arme Haushalte nicht geben wird. Stattdessen hat er eine andere Lösung parat: „Wenn der Preis um drei Prozent steigt, bleibt die Rechnung die alte, wenn man gleichviel Strom einspart. Deshalb will ich, dass jeder Bürger innerhalb von sechs Monaten eine fachkundige Energieberatung erhalten kann." Dass wieder nur die Armen sparen müssen, obwohl sie das mit sinkenden Reallöhnen schon seit Jahren tun, juckt diesen Christdemokraten nicht die Bohne.

Auch die Linkspartei hat einen schlauen Plan. Die neue Vorsitzende Katja Kipping fordert: „Wir wollen eine Abwrackprämie für Stromfresser im Haushalt“. Sie vergisst dabei offenbar,  dass trotz Prämie Neugeräte für viele unerschwinglich bleiben. Unklar ist auch, wer diese Prämie finanzieren soll, üblicherweise würden das die Lohnabhängigen über ihre Steuern ja selber tun.

Parallel zu diesen Maßnahmen sollen auch die rechtlichen Widerstandsmöglichkeiten gegen bedenkliche Megaprojekte weiter beschnitten werden. FDP-Chef Rösler z.B. will demokratische Rechte von Menschen, die sich um ihre Gesundheit sorgen, einfach außer Kraft setzen. Sie sollen nur noch vor einer Gerichtsinstanz klagen dürfen, zudem sollen auch EU-Richtlinien für Natur- und Vogelschutz beschnitten werden. Verfahren sollen so für die Konzerne kostengünstiger und beschleunigt werden, denn der Widerstand von Bürgerinitiativen und Kommunen hat u.a. dazu geführt, dass von den geplanten 1.800 Kilometern neuer Hochspannungstrassen bisher gerade 214 gebaut wurden.

Energiewende durch Systemsturz

Die sehr schleppende „Energiewende“ zeigt, dass der Kapitalismus unfähig ist, eine zügige und grundlegende Umstrukturierung der Energiewirtschaft einzuleiten. Der Grund dafür ist ganz einfach: wirkliche Veränderungen sind nur gegen die Profitinteressen und die Marktmacht der großen Energiekonzerne möglich. Doch deren Interessen zu schützen und die Kosten den Massen aufzuhalsen, ist ja gerade die Aufgabe einer bürgerlichen Regierung. Deren Kapitulation vor Privateigentum und Konkurrenz als den Grundmechanismen der kapitalistischen Wirtschaft verhindert eine schnelle und sinnvolle „Energiewende“. Anstelle der Anarchie diverser, teils völlig unsinniger „Öko“-Projekte, wäre es notwendig, einen allgemeinen Energie-Plan aufzustellen, der objektiv feststellt, welche Technologien wo angewandt und wie sie miteinander verbunden werden sollen. Anstelle dessen gibt es einen „Wildwuchs“ an Windrädern, Solarparks, Biogasanlagen usw., die oft mit den Standortbedingungen kollidieren. Was nützt es z.B., wenn mehr grüne Energie erzeugt wird, sie aber nicht ins Netz eingespeist werden kann, weil dieses nicht rechtzeitig ausgebaut wurde? Und warum wohl wird der energiepolitische „Königsweg“, die Energieeinsparung, kaum beschritten? Weil Einsparung bedeutet, dass weniger Energie verkauft wird, also der Gewinn sinkt. Dieses Problem hat allerdings nicht nur jeder Großkonzern, sondern auch jeder kleine Windmüller.

Daher ist eine - ökologisch, ökonomisch und sozial - effektive Energiewende letztlich nur in einer nichtkapitalistischen Gesellschaft möglich, im Sozialismus. Erst wenn die Produktion an den realen Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet wird und nicht der Profit bestimmt, wie viel und mit welcher Technik Energie produziert wird, kann die Energieproduktion radikal reorganisiert werden.

Auch wenn sich Konzerne zwangsweise auf andere Energieformen umstellen werden, so sind sie unter den jetzigen Verhältnissen immer gezwungen, wie klein der Betrieb auch sein mag, Strom billiger als die Konkurrenz zu produzieren. Dies wird in diesem System permanent zu ökologischen Problemen und ineffizienten Lösungen führen.

Auch der jetzige Stand der Wissenschaft zeigt hinsichtlich neuer nachhaltiger Energieformen und v.a. auch der Speicherung von Energie, dass erst eine von den Fesseln des Profits befreite Gesellschaft eine Lösung finden kann. Jahrzehntelang wurde in diesem Bereich kaum geforscht oder Lösungsansätze sind in der Schublade der Konzerne verschwunden, Patente wurden von ihnen aufgekauft, weil alternative, dezentrale Energieformen ihr Marktmonopol unterminiert hätten. Eine von diesen Zwängen befreite Forschung, die der demokratischen Kontrolle der Beschäftigten wie der meist lohnabhängigen NutzerInnen unterliegt und der Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse dient, wird ungeahnte Möglichkeiten freisetzen, die im Kapitalismus aufgrund der Konkurrenz unmöglich sind.

Auch könnten durch ein Reorganisation der gesamten Wirtschaft und der Lebensweise der Gesellschaft viel nutzlose Produktion abschafft und enorme Einsparpotentiale freigesetzt werden.

Alle Versuche, eine „Energiewende“ herbeizuführen ohne den Kapitalismus zu überwinden,  erweisen sich - wie die Realität zeigt - als unzureichend, unsozial und oft genug einfach als absurd.

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 171, Juli/Aug. 2012
*  Fiskalpakt: Durchmerkeln in der Krise
*  Heile Welt
*  Gewerkschaftslinke: Neustart für Opposition?
*  Verfassungsschutz-Skandal: Pleiten, Pech und Pannen?
*  Energiewende: Windkraft und heiße Luft
*  Berlin: Wir bleiben alle!
*  Politisch-ökonomische Situation: Klassenkampf im Herzen der Bestie
*  Präsidentschaftswahlen in Ägypten: Doppelte Niederlage der Revolution
*  Lage der Frauen in Brasilien: Kleine Erfolge, große Probleme
*  Sommerspiele 2012: Olypmia-Wahnsinn
*  Jugend: Wie weiter im Kampf gegen Bildungsabbau?
*  Griechenland: Perspektiven des Klassenkampfes
*  Strategie: Griechenland und europäische Revolution
*  Solidaritätskomitees mit der griechischen Arbeiterklasse aufbauen!



Wöchentliche E-News
der Gruppe Arbeitermacht

:: Archiv ::