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“Dritte Welt”-Hilfe

Fair Trade? Big Fake!

Janosch Janglo, Neue Internationale 155, Dezember 2010/Januar 2011

Äpfel, Nuss und Mandelkern essen alle Kinder gern“ - und manche Eltern freuts, wenn die auch noch aus „fairem“ Handel kommen. So kann man mit der Gewissheit, Gutes für die armen Kleinbauern der „Dritten Welt“ getan zu haben, das Fest der „Freude“ mit reinem Gewissen überstehen.

An fast jeder Theke der Studentencafes oder gar schon im LIDL (übrigens seit Jahren in den Schlagzeilen wegen mieser Arbeitsbedingungen) gibt es z. B. die Wahl zwischen gutem Kaffee, natürlich fair gehandelt, ökologisch, Mindestpreise garantierend und anderem Kaffee, der manchem Kleinbürger bitter aufstößt, weil er mit Umweltzerstörung und Ausbeutung verbunden ist. Da kommt man ins Schwitzen, denn das gute Gewissen gibt es nicht billig und es wird versprochen, man könne Kleinbauern vor dem sozialen Ruin bewahren und ihre Nöte lindern.

Das ist nicht alles: „Fair Trade“ wird uns heute auch als „neue Form des Konsums“ verkauft, die den Markt bestimmen könne. Manche Linke meinen gar, die „Moralisierung der Märkte“ sei die einzige Hoffnung, die der Kapitalismus noch zu bieten habe.

Der deutschen Wirtschaft mangele es einfach an Vorbildern. Dabei sei die Idee des fairen Handels bestechend einfach, so der Tenor der Macher. Kurz, was wir von der Öko-Branche immer wieder an Mystifizierung des Marktes erleben, ist auch beim Label „Fairtrade“ der Fall. Mensch könne den Ausstieg aus der Marktwirtschaft oder jedenfalls deren ruinösen Auswirkungen selber machen, man müsse nur diese Produkte kaufen und schon sind Ausbeutung und Zerstörung der Umwelt eines Tages obsolet. Doch kann es wirklich einen Ausstieg aus den marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten geben?

Ein Nischen-Modell

Die alte Leier, dass die Lohnabhängigen der imperialistischen Staaten nur mehr für die Kleinbauern  aus den halbkolonialen Staaten bezahlen müssten, um ihnen zu helfen, übersieht, dass ArbeiterInnen gerade in Zeiten der Krise, z.B. Hartz IV-EmpfängerInnen kaum in der Lage sind, diese höheren Preise zu zahlen, selbst wenn sie wollten. Auch bei dem Rest drücken steigende Kosten für Energie, Benzin, Krankenversicherung, Miete etc. Das, was am Monatsende in der Lohntüte übrig bleibt, nach unten. Hier ist Sparen angesagt, bis die Schwarte knackt. Es verwundert also nicht, dass solche Ideen oft von der bis jetzt noch besser verdienenden Mittelschicht kommen. Kurz, der Markt für solche überteuerten Produkte in Konkurrenz gegenüber billigeren Produkten ist aufgrund nicht vorhandener Kaufkraft stark begrenzt.

Ebenso wie jedes Handelsunternehmen müssen sich die Fair-Handels-Unternehmen auf dem oft stark umkämpften Markt für Lebensmittel behaupten. Somit kommt gegenwärtig der „Fairtrade“-Handel nicht über den Nischenstatus hinaus und dies wird auch in Zukunft so bleiben. So liegt in  Deutschland der Marktanteil z.B. von „fair“ gehandeltem Kaffee nur  bei 1%. Bei Bananen ist er seit dem Krisenjahr 2009 um satte 19% eingebrochen. Neben Kaffee bleibt der Handel unter dem „Fairtrade“-Siegel hauptsächlich auf Südfrüchte und Kakaoerzeugnisse, Fruchtsäfte und Blumen beschränkt. 65 Mill. Rosen aus Kenia und Tansania wurden 2009 v.a. in großen Supermärkten verkauft.

Auffällig ist, dass der „Fairtrade“-Handel auf landwirtschaftliche Direkterzeugnisse beschränkt bleibt. Das ist auch nicht anders möglich, denn unter den Bedingungen der scharfen Konkurrenz und des permanenten Kostendrucks kann dieser wohl kaum auf industrielle Güter ausdehnt werden. Kein Konzern würde sich z.B. „fair gehandelte“ teurere Rohstoffe leisten können, die den Profit drücken, ohne von seinen Konkurrenten zerrieben zu werden. Dadurch ist von vornherein „Fairtrade“ überwiegend auf die Landwirtschaft, v.a. auf Kleinbauern festgelegt, kann also auch keine Alternative für die Masse der Lohnabhängigen in der „Dritten Welt“ sein.

Zum anderen kann durch den stark begrenzten Markt überhaupt nur ein sehr kleiner Teil der Kleinbauern der „Dritten Welt“ „Fairtrade“-Handel betreiben. Laut der FLO (Fairtrade Labelling Organizations) „profitieren“ weltweit 7,5 Mill. Menschen (1,5 Mill. ProduzentInnen inklusive ihrer Familien) vom „Fairtrade“. Diese Zahl ist allerdings im Vergleich zu den 100 Millionen Menschen, die allein vom Kaffeehandel weltweit abhängen, sehr gering. Damit wäre eigentlich schon die Frage beantwortet, ob „Fairtrade“ eine Alternative zur Lösung der sozialen Krise der Kleinbauern in der „Dritten Welt“ sein kann.

Doch man könnte ja erwidern, dass 7,5 Millionen Menschen zwar wenig, aber mehr als nichts sind.  Das Modell der Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen ausschließlich für den amerikanischen und europäischen Markt ist nicht neu. Schon in den 1980er Jahren erzwang die Weltbank zunehmend den Anbau von „Cash Crops“. Die Produktion von Baumwolle, Kaffee, Kakao etc. wurde zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion für die lokale Eigenversorgung stark ausgedehnt. Der Einbruch der Weltmarktpreise durch Überproduktion führte zum endgültigen wirtschaftlichen Ruin der meisten „Entwicklunsländer“. Da sie nicht mehr in der Lage waren, sich selbst zu versorgen, waren sie nunmehr abhängig von Lebensmittelimporten aus den imperialistischen Ländern, die mit ihren billigen Überschüssen den afrikanischen Markt überschwemmten und die übriggebliebenen Kleinbauern vollends ruinierten.

Sozial und ökologisch keine Alternative

Die EU und die USA schützen ihre Märkte vor Konkurrenz mit Einfuhrzöllen und zwingen auf der anderen Seite die Länder der „Dritten Welt“ über die Weltbank, die Märkte für ihre Produkte zu öffnen. Ähnlich auch der „Fairtrade“-Handel“. Nehmen wir das Beispiel der 65 Mill. Rosen aus Kenia und Tansania. Die werden nicht mehr auf Handtuchfeldern der Kleinbauern, idyllisch eingebettet in die afrikanische Landschaft, hergestellt, sondern ebenfalls in Monokulturen mit entsprechenden ökologischen Folgen (man beachte nur den Wasserverbrauch in einer niederschlagsarmen Region) und mit extremem Spezialisierungsgrad, abhängig vom Export und der Marktentwicklung in den imperialistischen Staaten. Bricht dieser weg - und diese Gefahr besteht immer -, führt dies (wie auch bei den „Cash Crops“) zum wirtschaftlichen Ruin der Produzenten.

Jedem ist auch klar, dass Rosenfelder für Europa keinen Mais für Kenia produzieren können, d.h. der Export geht zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion der armen Länder. Damit wächst wiederum deren Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten - ein Teufelskreis.

Nehmen wir das Beispiel des um 19% geringeren Bananenabsatzes in Deutschland 2009. Was passiert mit den Kleinbauern, die sich darauf mit dem Anlegen von Bananenplantagen spezialisiert haben? Zahlt der „Fairtrade“-Handel einen Ausgleich für die Verluste? Wohl kaum! Somit  sind diese Produkte ebenfalls nichts anderes als „Cash Crops“ nur mit einem „Fairtrade“-Label. Man fragt sich nur, was daran „fair“ sein soll?!

Immer müssen sich die Erzeuger im Süden zudem auch den strengen Kontrollen durch die Zertifizierer aus dem Norden unterwerfen. Der Bauer verpflichtet sich, „Qualitätskaffee“ zu liefern, der internationalen Normen und Ansprüchen genügt, und er sagt zu, sich der Finanz-, Struktur- und Organisationskontrolle eines Beauftragten des Unternehmens zu unterwerfen, das das jeweilige Gütesiegel ausstellt. Auch das zeigt, dass FairTrade-Produkte nicht mehr sind, als andere Waren, die an den Kunden gebracht werden müssen - aber eben mit einer kleinbürgerlicher Moralvorstellung als „Gütesiegel“, die eine familiäre kleinbäurliche Landwirtschaft idyllisiert. Oberste Maxime ist aber eben auch hier das Verkaufen. Zu diesem Zweck werden diese Produkte längst nicht mehr in hinterhöfigen „Eine-Welt-Läden“ verkauft, sondern die Vermarktung läuft über die großen Einzelhandelsketten wie LIDL oder McDonald's.

Wer verdient?

Für den Verbraucher wird die Sache indes immer undurchsichtiger. Denn mittlerweile gibt es nicht nur ein Transfair-Siegel sondern viele. Die Standards der einzelnen Gütesiegel sind am Einkaufsregal für den Verbraucher ein Buch mit sieben Siegeln oder überhaupt nur Verarsche von Großkonzernen, die dieses Image als verkaufsfördernd ansehen. Unklar bleibt dabei auch, wie sich der Preis zusammensetzt: Was bekommt der Bauer?, Was steckt sich die „Fairtrade“-Handelsorganisation ein? Zumal die Preisdifferenz fair gehandelter Produkte im Vergleich zu konventionell gehandelten deutlich höher ist als der Mehrbetrag, den die Produzenten erhalten - das Übrige wird teils von Einzelhändlern abgeschöpft, teils mit den Verwaltungs- und Kontrollkosten der Organisationen, die in den letzten Jahren enorm gestiegen sind, begründet. Da aber faktisch die Preisobergrenze durch Marktzwänge vorgegeben ist, denn die Produkte wollen verkauft sein und die Verbraucher würden gewiss nicht jeden Preis bezahlen, mag er auch "fair" sein, fragt man sich, wer dann für gestiegene Verwaltungskosten bluten muss? Man hat also oft das Gefühl, die Katze im Sack zu kaufen.

Befreiung durch Revolution

Das Beispiel „Fair-Trade“ zeigt, dass es innerhalb des Kapitalismus mit seinen Marktgesetzen, die auch für diese Produkte gelten, keinen Ausstieg aus dem Markt, dass es kein Nebeneinander von Ausbeutung und Nicht-Ausbeutung geben kann. Zwar schürt „Fairtrade“ diese Illusion, leistet aber in Wahrheit nichts zur sozialen Befreiung der in Elend lebenden Kleinbauern in den Halbkolonien. Eine wirkliche Befreiung der Kleinbauern kann es nur durch die Enteignung der Großgrundbesitzer, der Handelsunternehmen und Agrarkonzerne unter Kontrolle der ArbeiterInnen und Bauern geben. Die Ländereien müssen unter den Bauern aufgeteilt bzw. Genossenschaften gegründet werden. Zugleich muss sich die Arbeiterklasse daran machen, die Versorgung mit Lebensmitteln weltweit zu planen. Um die Produktivität in der Landwirtschaft zu steigern und gleichzeitig ökologische Schäden weitestgehend zu vermeiden, müssen auch die Agrar- und Chemiekonzerne enteignet werden. Dazu muss außerdem die Forschung im Bereich Düngemittel- und Gentechnologie unter Arbeiterkontrolle gestellt werden und darf nicht ohne ausgiebige Überprüfungen angewendet werden.

Ein weiterer nötiger Schritt ist die Abschaffung von IWF und Weltbank, die Instrumente der imperialistischen Staaten zur Unterdrückung und Ausbeutung der Länder der halbkolonialen Länder sind. Ein solches Programm kann letztlich nur von Arbeiter- und Bauernregierungen durchgesetzt werden, die sich auf räteähnliche Organe und die Bewaffnung der Massen stützen. Solche Regierungen müssen neben den obigen Forderungen auch die Streichung der Schulden und ein Außenhandelsmonopol durchsetzen sowie einen demokratischen Plan zur Steigerung bzw. Umstrukturierung der Agrarproduktion und der Verbesserung der Infrastruktur.

Der Globale Hunger ist nicht ein Resultat falscher Instrumente und einer unmoralischen Wirtschaftsweise, die es menschlicher zu machen gilt, sie ist Folge der kapitalistischen Produktionsweise, sie ist ein Resultat des globalen imperialistischen Systems.

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Nr. 155, Dez. 2010/Jan. 2011
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