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Europaweite Massenproteste

Airbus in schweren Turbulenzen

Bruno Tesch, Neue Internationale 119, April 2007

20.000 in Hamburg, 10.000 in Toulouse, 6.000 in Spanien, 2.000 in Laupheim, 1.000 in Britannien - der europaweite Protesttag am 16. März war eine beeindruckende Kundgebung gegen die Pläne des deutsch-französischen Luftfahrtkonzerns EADS zum Arbeitsplatzabbau an verschiedenen Standorten.

Nach dem Konzern-Plan „Power 8“ sollen in Deutschland 3.700, in Frankreich 4.300, in Spanien und Britannien zusammen 500 Stellen wegfallen. Werke wie Varel und Laupheim sollen ganz dicht gemacht werden. Auch die Produktion wollen die Konzernherren nach Standorten neu ordnen.

Auf der Hamburger Kundgebung versammelten sich nicht nur die Airbus-Beschäftigten, sondern auch Abordnungen aus Zulieferbetrieben, von StahlarbeiterInnen sowie Schulklassen aus den strukturschwachen nordniedersächsischen Regionen und bekundeten ihre Solidarität mit den Airbuslern. Überall waren Empörung und Kampfentschlossenheit deutlich zu spüren. Transparente wie „Wer einen angreift, greift uns alle an“ prägten das Bild dieser Großveranstaltung. Tonangebend - jedenfalls auf der Tribüne - waren allerdings Gewerkschaftsfunktionäre und bürgerliche Politiker, die eine verfehlte Firmenpolitik beklagten und natürlich kein Wort über den Irrsinn des kapitalistischen Systems verloren.

Wer ein globales Geschäft betreibt, ist auch gehalten, seine Geschäftsstrategie global auszurichten. Das gilt erst recht für einen Konzern wie EADS, dessen Hauptsparte mit dem Bau von Flugzeugen der internationale Verkehr und das Rüstungsgeschäft sind. Die Konzernspitze kann als kapitalistisches Organ nur zwei Handlungsantriebe im Visier haben: die Konkurrenz - im Fall von Airbus der US-Flugzeughersteller Boeing - und die Profiterwartung ihrer Anteilseigner. Momentane Marktvorsprünge vor Konkurrenten oder volle Auftragsbücher allein genügen heute längst nicht mehr, um die Profitfantasien der Aktionäre zu beflügeln. Nur bei den Stichworten „strukturelle Bereinigung“ und „Senkung der Produktionskosten“ bekommt der Anleger leuchtende Augen.

Nichts anderes beabsichtigt „Power 8“. Nach der Logik des Kapitals ist dies das Normalste der Welt. Soziales Gewissen hat der Kapitalismus nie gekannt. Da haben wohl die Herren Gewerkschafts- und Betriebsratsfürsten in der Schule des Neoliberalismus anscheinend ein wenig gedöst.

Aus Sicht der Beschäftigten und den Interessen der Arbeiterklasse insgesamt gehören die Peters (IG-Metall Vorsitzender), Lütjen, Busch (Airbus-Gesamtbetriebsratschefs) und Co. abgewatscht. Nach den ersten lokalen Protesten vor drei Monaten herrschte erst einmal Funkstille.

Zwischenzeitlich überließen es die reformistischen Führer den bürgerlichen Politikern, „nationale Interessen“ in der Airbus-Frage zu vertreten, so z.B. Merkel bei ihrem Besuch bei Chirac. Erst als sich durch wachsende Unruhe unter den Belegschaften und anhaltende Medienaufmerksamkeit Druck aufgebaut hatte, bequemte sich die Gewerkschaftsbürokratie endlich, einen europaweiten Protesttag auszurufen.

Diese im Ansatz korrekte Maßnahme wurde aber sogleich entschärft, indem massiv Illusionen in die bürgerlichen Politiker als angebliche „Verbündete“ in der Front gegen „böswillige Manager“ geschürt wurden.

Als Hauptredner in Hamburg traten mit Wulff (Ministerpräsident Niedersachsen, CDU) und Oettinger (Ministerpräsident Baden-Württemberg, CDU) nette Politiker von nebenan auf, die mit der Vertretung von Arbeiterinteressen soviel im Sinn haben, wie Borkenkäfer mit der Pflege des Waldes. Sie sitzen in zig Aufsichtsräten, die ähnliche Sanierungsprogramme wie bei Airbus durchziehen.

Die ideologische Hilflosigkeit der Bürokraten drückt sich auch darin aus, dass sie die Argumentationslinien dieser Politiker einfach übernehmen. Sie möchten gern Zahlen und Begründungen für das Sanierungsprogramm haben. „Erst wenn wir das wissen, können wir ein Gegenkonzept vorlegen, um dann wieder in einen Dialog mit der Konzernleitung eintreten zu können“, so Gesamtbetriebsratschef Rüdiger Lütjen auf der Pressekonferenz am 16.3. Neben einem wirtschaftlichen Bankrott gibt es auch einen geistig-charakterlichen Bankrott, Herr Lütjen!

Leute wie er halten volle Auftragsbücher als eine Beschäftigungsgarantie. Bedeutet das dann, dass bei schlechter Auftragslage Entlassungen zugestimmt werden darf?! Sie betonen immer wieder die „hochmotivierte“ Belegschaft. Das ist natürlich schon eine Steilvorlage für einen Kuhhandel. Was darf's denn als Gegenleistung für Weiterbeschäftigung sein? Vielleicht 30 Prozent Lohnverzicht, unbezahlte Sonderschichten oder Kurzarbeit - je nach „Sachzwang“?!

Auch die oft angeführten Fehler des Managements - z.B. Lieferengpässe beim Modell A 320 oder die Probleme mit dem A 380 - lenken natürlich vom wirklichen Problem ab: dass diese Herrschaften in den Chefetagen sitzen und in Arbeitsteilung mit den Regierenden über das Schicksal von Produkt und Produzenten, also den ArbeiterInnen, gleichermaßen befinden und entscheiden. Zudem sind die Management-Fehler oft weniger der „Dummheit“ dieser Leute geschuldet, sondern viel eher dem kaum kalkulierbaren Auf- und Ab des Weltmarktes und dem immer härteren Konkurrenzdruck.

Das Schlimmste aber, wessen sich die Bürokraten schuldig machen, ist, dass den KollegInnen und den von Airbus abhängigen Menschen im Umfeld keine Kampfperspektive geboten und somit die demonstrierte Kampfbereitschaft im Endeffekt unterhöhlt wird. Auch die Tarifrunde der IG Metall wurde nach alter Sitte von jeglichen „Tageskämpfen“ fein säuberlich entkoppelt - und so der Kampf bei Airbus wie auch der Tarifrunden-Konflikt geschwächt. Das Abwarten nach diesem einen Protesttag gibt nun dem Klassengegner Gelegenheit, seine Kräfte zu sammeln, neue Tricks zu ersinnen und Tatsachen zu schaffen, mit denen die Konzernpläne dann letztlich in etwas veränderter Form gegen eine zermürbte und durch die Untätigkeit der Bürokratie demoralisierte Belegschaft durchgesetzt werden können.

Stattdessen müssen jetzt bereits Streikvorbereitungen getroffen werden! Unabhängige Komitees müssen sich unter Einschluss der AnwohnerInnen an allen Orten bilden, sich international vernetzen und eine Strategie und ein Kampfprogramm beraten und beschließen. Zur Durchsetzung dieser beschlossenen Maßnahmen müssen von der Basis gewählte und ihr direkt verantwortliche Kampfführungen geschaffen werden. Nur so ist es auch möglich, sich von der Bremsstrategie der Bürokraten unabhängig zu machen.

Die Initiative hierfür würde eher von den kleineren Standorten ausgehen müssen, denn im Hauptwerk Finkenwerder sind nur etwa 35 Prozent gewerkschaftlich organisiert und die Beteiligung an der Großkundgebung war dort vergleichsweise gering. Hauptpunkte für ein solches Aktions-Programm sollten sein:

Weg mit „Power 8“ und anderen Sanierungsplänen! Keine Verhandlungen darüber!

Keine Entlassungen! Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen!

Einsichtnahme in alle Geschäftsunterlagen und Schubladenpläne!

Aufforderung an alle Organisationen, die vorgeben, die Interessen der ArbeiterInnen zu vertreten (Gewerkschaften, SPD, L.PDS, WASG), den Kampf bedingungslos finanziell und organisatorisch zu unterstützen!

Volle Einbeziehung des Kampfes der Airbusler in die Tarifrundenkämpfe!

Europaweite Vorbereitung und Durchführung von Kampfmaßnahmen durch internationale Kampfkomitees!

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Nr. 119, April 2007
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