Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Linksruck

Rechts blinken, rechts abbiegen

Rex Rotmann, Februar 2006

Linksruck (LR) ist eine sich auf den Trotzkismus berufende Organisation (in ihrem Verständnis ein "Netzwerk"), die tatsächlich aber zwischen revolutionär-sozialistischem Anspruch und opportunistischer Praxis schwankt und deshalb zentristisch genannt werden muss.

Als die WASG entstand, griff LR im Unterschied zu anderen zentristischen Organisationen wie RSB oder SpAD, welche diesen wichtigen Umbruch in der Arbeiterbewegung lediglich von außen kommentieren, aktiv in diesen Prozess ein. Neben der SAV ist sie die größte linke Gruppierung in der WASG.

Von Anfang an sprach Linksruck davon, dass eine "neue Linkspartei" aufgebaut werden müsse. Diese, auf Schritt und Tritt von LR wiederholte, Losung ist in mehrfacher Hinsicht ungenügend: 1. lässt sie den Klassencharakter der Partei offen; 2. sagt sie nichts darüber, auf welchem Programm - reformistisch, revolutionär oder irgendetwas dazwischen - sie basieren soll.

Dahinter steckt die grundsätzliche Methode von Linksruck, politische Entwicklungen mechanisch aus dem Klassenkampf - und damit aus der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus - abzuleiten. Dieser Ökonomismus unterstellt, dass die Dynamik des Klassenkampfes die Klasse bzw. deren Vorhut von selbst Richtung revolutionäres Programm vorantriebe. In diesem Prozess würde sich dann die politische Vorhut der Klasse "von selbst" formieren.

Diese Auffassungen sind falsch! Ein revolutionäres Programm muss von einer revolutionär-marxistischen Vorhut in der Klasse verankert werden. Von selbst, im Zuge des Klassenkampfes, gelangt die Klasse als Ganzes allenfalls zu einer radikalen Variante des Reformismus; sie kann nicht von selbst "bei Bedarf" ein ganzes System von revolutionären Taktiken entwickeln. Das lehrt die Geschichte, das war auch die Ansicht Lenins und Trotzkis.

Im Grunde verfolgt LR eine Art evolutionäre Umgruppierungstaktik - nicht nur in der WASG, sondern davor auch schon in attac oder in den Jusos. Diese Formationen - oder Teile von ihnen - sollen nach links gedrängt werden, um so eine Art neuer und größerer linksreformistischer oder zentristischer Gruppierung zu schaffen.

Damit das überhaupt möglich ist, scheut LR vor einer konsequenten marxistischen Kritik an linksbürgerlichen und reformistischen Konzepten zurück. Das schließt auch ein, dass LR keinen konsequenten Kampf gegen die reformistischen Führungen führt, sondern mit ihnen paktiert. Verständlicherweise wird deshalb LR von anderen Linken in der WASG wegen seiner rechten Manöver zugunsten von Ernst und Co. kritisiert und aufgrund seines praktischen Verhaltens in innerparteilichen Auseinandersetzungen eher den Rechten zugerechnet.

Linksrucks Idee dahinter ist, das Wachsen des Projektes, in diesem Fall die Schaffung einer großen vereinigten Linkspartei, nicht durch Fraktions- und Richtungskämpfe oder gar Spaltungen zu gefährden. Denn, so die Logik von LR, der Klassenkampf - der nach LR immer eine aufsteigende Dynamik hat und Rückschläge und Niederlagen kaum kennt - selbst schiebt die Partei nach links Richtung Sozialismus und Revolution.

MarxistInnen hingegen gehen davon aus, dass der Klassenkampf und Umbrüche im politischen Spektrum der Klasse nur dann der Revolution dienen, wenn sie dafür genutzt werden, ein revolutionäres und nicht irgendein "linkes" Programm in der Klasse zu verankern. Diese Verankerung erfolgt in der Regel und besonders unter unseren aktuellen Bedingungen so, dass nur die Vorhut der Klasse oder sogar nur Teile von ihr für ein revolutionäres Programm und eine revolutionäre Organisation gewonnen werden.

Dieser Schritt, diese revolutionäre Avantgarde sind aber nötig, um später im Zuge des Klassenkampfes größere Schichten der Klasse und schließlich ihre Mehrheit hinter sich zu scharen.

In der WASG würde das bedeuten, einen Schritt mit der Vorhut der Klasse mitzugehen, die sich von der SPD abwendet und eine Alternative zu ihr aufbaut. Dieser Bruch mit der SPD ist aber nicht identisch mit einem Bruch mit dem Reformismus als solchem.

Die WASG spiegelt das deutlich wider. Sie ist nicht nur hinsichtlich ihrer Führung und ihrer InitiatorInnen von Anfang an klar reformistisch orientiert, sondern auch in ihrem Programm - und das wurde immerhin mit großer Mehrheit angenommen. RevolutionärInnen und SozialistInnen sind in einer klaren Minderheit.

Wie agiert nun LR vor diesem Hintergrund? Er schlug nicht nur kein eigenes revolutionäres Programm vor - noch dazu in einer Phase der Programmdiskussion in der WASG! - im Gegenteil: LR spricht sich auch dagegen aus, dass das andere tun bzw. dass die WASG überhaupt ein klares Programm braucht. Was bedeutet das? Erstens wird dadurch vielen Mitgliedern in der WASG der Unterschied zwischen einem reformistischen und einem revolutionären Programm und einer daraus sich ergebenden Praxis überhaupt nicht deutlich. Nach links drängende Kräfte können so gar nicht für den Marxismus gewonnen werden, sondern landen inmitten linksreformistischer Halbheiten und Illusionen.

Zweitens wird so dem reformistisch dominierten Vorstand ermöglicht, sich nach Gutdünken und ganz ungebunden an irgendein verbindliches Programm zu bewegen und der Organisation seinen Reformismus zu "verordnen".

Natürlich findet LR nicht alles gut, was im WASG-Programm steht oder was der Vorstand macht. Aber Linksrucks Vorstellung, dass der Klassenkampf irgendwie von selbst die WASG in die richtige, sozialistische Richtung dränge, führt dazu, dass er jeden ernsthaften Kampf gegen den Reformismus und dessen VertreterInnen in der WASG, der zu einem politischen Bruch führen könnte, unterlässt.

Im Grunde sagt LR, dass die WASG - wie vorher auch attac - keine reformistische Formation sei, sondern deren Politik - und damit deren Klassencharakter - offen wäre. Das ist nicht nur falsch, denn die WASG war von Anfang an von offen reformistischen Kräften geprägt. Das ermöglicht genau diesen Kräften auch, die angebliche "Offenheit" für das Vorantreiben ihres Projektes - eine "neue SPD", d.h. eine Neuauflage der alten SPD - zu nutzen. Dazu gehört z.B., dass Linke wie die SAV aus der WASG rausgedrängt oder der Programmvorschlag von Arbeitermacht einfach der WASG-Mitgliedschaft vorenthalten wird.

Besonders deutlich wird die Rolle von Linksruck in der Frage des Verhältnisses WASG-PDS in Berlin. Dort gibt es in der WASG eine Mehrheit, die bei den Wahlen gegen die PDS antreten wird, weil diese im Berliner Senat Sozialabbaupolitik betreibt.

LR tritt trotzdem für eine gemeinsame Kandidatur mit der neoliberalen Berliner PDS ein. Sogar eine erneute Regierungsbeteiligung kann sich LR offenbar vorstellen, denn wenn "Liebich davon spricht, dass Konsolidierung eine Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit ist, hat er Recht." (aus: Fragen und Antworten von Linksruck zur Situation in Berlin). Dahinter steckt die Ansicht, dass unter bestimmten Umständen offenbar eine "linke" Regierung in der Lage wäre, eine solche Konsolidierung durchzuführen. Welch eine reformistische Illusion in Zeiten der vertieften Krise des Kapitalismus!

LR selbst stellt zur Regierungsfrage fest: "Schon Rosa Luxemburg diskutierte darüber. Ihre Konsequenz war: Parlament ja, Regierung nein." (ebenda), um daraus jedoch den Schluss zu ziehen, dass eine Regierungsbeteiligung unter bestimmten Umständen möglich ist.

Die Methode von LR, warum sie gegen eine Eigenkandidatur der WASG ist, kommt auch im Folgenden klar heraus.

"Warum seid ihr trotz eurer Kritik an der Regierungspolitik der Linkspartei für einen gemeinsamen Antritt bei den Abgeordnetenhauswahlen 2006?

Weil wir eine bundesweite, politisch weit ausgreifende, neue Linke wollen. Diese soll die Linkspartei einschließen, aber auch darüber hinausgehen: Gewerkschafter, Aktivisten der globalisierungskritischen Bewegung, Vertreter der Erwerbslosen-Bewegung, der Friedens- und Umweltbewegung, aus Kirchen und Sozialverbänden und alle Interessierte an einer gemeinsamen neuen Linken gegen den Neoliberalismus.

Ein gemeinsamer Antritt eröffnet die gemeinsame Debatte. Ein eigenständiger schneidet die WASG zunächst davon ab und schwächt diejenigen in der Linkspartei, die eine Beteiligung an einer Regierung des Sozialabbaus ablehnen.

Diese Widersprüche in der Linkspartei gilt es zu nutzen. Die Schwäche der Opposition innerhalb der Linkspartei in Berlin macht klar, wie wichtig die WASG ist.

Die WASG ist auch eine Hoffung für viele Mitglieder und Wähler der Linkspartei. Je stärker wir die WASG machen, je mehr Mitglieder die WASG hat, desto schwieriger wird es für Wolf und Liebich, ihre Politik fortzusetzen." (ebenda)

LR geht es nicht um den Aufbau einer revolutionären, antikapitalistischen Partei oder einer Vorstufe (z.B. Fraktion) dazu, sondern um "eine neue Linke gegen Neoliberalismus". Diese reicht von RevolutionärInnen bis zur Kirche, ist also eine volksfrontartige, klassenübergreifende Struktur.

Auch die Begründung für die Ablehnung einer Eigenkandidatur der WASG in Berlin ist mehr als sonderbar. Ein gemeinsamer Antritt würde eine gemeinsame Debatte "eröffnen". Als ob es die nicht schon gäbe! Obwohl LR an anderer Stelle selbst einräumt, dass die WASG 8% erhalten könnte - u.a. mit den Stimmen jener PDS-WählerInnen, die sich von der PDS wegen deren neoliberaler Politik abgewendet haben - lehnt sie die Eigenkandidatur ab, weil diese "der Debatte schaden" könnte. Mehr als jede gemeinsame Debatte zwänge die Eigenkandidatur die rechte PDS-Führung in Berlin, aber auch die Linksparteifraktion im Bundestag und die WASG-Führung, sich zu diesem Fakt zu verhalten und politisch Farbe zu bekennen.

Die Ablehnung der politisch begründeten Eigenkandidatur der WASG in Berlin durch LR resultiert daraus, dass LR eine wirkliche Debatte, die politische Konsequenzen in Programm und Praxis hätte, nicht will. Was LR will ist eine "linke Bewegung", die kein Programm, keine verbindlichen politischen Regelungen hätte und damit den reformistischen Manövern von Gysi und Lafontaine Tür und Tor öffnen würde. Alles andere würde ja dem Fusionsprozess zur Linkspartei schaden. Bewegung ist alles, das Ziel ist nichts könnte das Motto dafür lauten.

Schaden würde das allerdings nicht einfach "der" entstehenden Linkspartei, sondern einer Linkspartei, die politisch im Grunde nur eine neue reformistische Partei wäre. Eine solche Partei würde aber, wenn der Klassenkampf sich zuspitzte - und das müsste noch nicht einmal eine besondere Zuspitzung sein - die Massen aber gerade nicht anziehen, sondern eher abstoßen.

Vor allem auch deshalb, weil der Reformismus dieser neuen Linkspartei sich gegen die Kämpfe der Massen richten oder sie wenigstens bremsen müßte. Und das ist nicht nur dann der Fall, wenn sie selbst mitregiert! Die Abwendung von und der Verlusst an Einfluss der PDS, gerade dort, wo sie mitregiert, zeigte das sehr deutlich.

LR selbst schreibt das: "In den Ostbezirken ist die Linkspartei gegenüber den letzten Abgeordnetenhauswahlen von 48 Prozent auf 30 Prozent abgerutscht." (ebenda). Nicht die kurzfristige Attraktionskraft der Linkspartei-Fusion ist entscheidend, wie LR behauptet, sondern der reale Gehalt ihrer Politik.

Entgegen der Hoffnung von LR, durch allerlei Zugeständnisse, Rückzüge und faule Kompromisse gegenüber dem Reformismus der WASG (und der PDS) das Projekt Linkspartei voran zu bringen, wird es gerade dadurch ruiniert und den reformistischen Illusionen und Verrätereien von Gysi, Ernst und Lafontaine ausgeliefert.

LR betont oft, dass die Fusion zur Linkspartei eine große Chance der Linken und der Arbeiterbewegung in Deutschland ist, die nicht so bald wieder kommt. Diese Einschätzung ist jedoch komplett falsch! Erstens ist das Entstehen eines weiteren reformistischen Hindernisses in Form der Linkspartei für den Klassenkampf des Proletariats kein Erfolg. Sie bietet aber unter Umständen RevolutionärInnen bessere Chancen - vorausgesetzt, sie agieren als RevolutionärInnen und nicht als linkes Feigenblatt der Reformisten. Zweitens wird der Prozess der Ablösung der Klasse von der SPD - auch deshalb, weil diese in der Großen Koalition mitregiert - weitergehen.

Sollte die Fusion von WASG und PDS zur Linkspartei zu einer verfestigten reformistischen Kraft führen - und das wird sie! - kommt über kurz oder lang ein weiterer Absetzprozess hinzu: nämlich der der Vorhut der Klasse von der Linkspartei.

Dann kommt es aber wesentlich darauf an, ob die Vorhut der Klasse bei ihrer Suche nach einer politischen Alternative zu SPD und Linkspartei eine revolutionäre Klassenführung vorfindet, die als solche auch wahrnehmbar ist - was ihre politische Substanz, aber auch was ihre Größe anbelangt.

Deshalb ist es eben schon jetzt wichtig, eine solche zu formieren - innerparteilich im Kampf gegen Lafontaine, Gysi und Ernst, nach außen durch energisches Eingreifen in Klassenkämpfe mit Losungen und Taktiken, welche die Machtfrage aufwerfen und über den Kapitalismus hinausweisen. Dafür braucht man ein Programm, mit dem und auf dem man Menschen sammeln und zum Kampf formieren kann.

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Vorwort

Neue Arbeiterpartei oder Wahlverein?

Exkurs: Arbeiterparteitaktik

Alternative Keynes?

Wofür steht Oskar Lafontaine?

Ankommen über alles. Zur Politik der PDS

WASG-Berlin: Welche politische Alternative?

Anhang: Arme Polizei

Linksruck in der WASG: Rechts blinken, rechts abbiegen

SAV und Linkspartei

Anhang: Lehren von Liverpool

Für ein revolutionäres Programm!