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Vom Faschismus zur Gründung Israels

IX. Vor 1945 war der Zionismus niemals zur Ideologie der Mehrheit unter den jüdischen Gemeinden Europas und Nordamerikas geworden. Der Holocaust mit der Ermordung von sechs Millionen Juden jedoch ließ den Zionismus zur vorherrschenden Kraft werden und gestattete die Gründung des Staates Israel.
Der Antisemitismus stand im Mittelpunkt der nationalsozialistischen Ideologie. Die Juden stellten ihr zufolge den geschichtlichen Feind der arischen "Herrenrasse" dar. Die Angriffe auf die jüdische Weltfinanz enthielten den Angriff auf die Rivalen Deutschlands - den Imperialismus Großbritanniens, Frankreichs und der USA, von denen es hieß, dass sie im Dienste der jüdischen Bankiers stünden. Der Antisemitismus der Nazis war jedoch nicht einfach nur die gewalttätigste Form eines alles durchdringenden Antisemitismus, der die ganze Welt verseuchte, wie die Zionisten behaupten.
Dies erkennt nicht die klassenspezifischen Wurzeln des deutschen Faschismus, der das Produkt einer äußerst scharfen gesellschaftlichen Krise in einem besiegten und seiner wenigen Kolonien durch seine imperialistischen Rivalen "beraubten" Landes war. Das Versagen von KPD und SPD, in einer revolutionären Krise die Macht zu ergreifen, gestattete das Wachstum des Faschismus in Kleinbürgertum und Lumpenproletariat.
Vor 1933 stand der Antisemitismus nicht an erster Stelle der Anziehungskraft des Faschismus für diese Schichten. In den Großstädten wurde der Antisemitismus sogar nach 1933 noch mit Gleichgültigkeit und manchmal sogar mit Ablehnung aufgenommen. In Österreich und Süddeutschland kamen jedoch von Beginn an spontane gewalttätige Ausschreitungen seitens des Kleinbürgertums in den Städten und der Bauern gegen Juden vor; die Bauern waren oftmals beim jüdischen Handelskapital verschuldet, und das Kleinbürgertum stand unter stärkerem Konkurrenzdruck einer breiter als anderswo verankerten Schicht jüdischer Kleinbürger.
Nach 1933 war der Antisemitismus Staatspolitik. Die erste Welle judenfeindlicher Maßnahmen war eine strikt begrenzte Konzession an die kleinbürgerliche Massenbasis des Faschismus. Aber sie war begleitet von der Zerstörung des politischen Einflusses dieser Massenbasis ("Röhm-Putsch" im Juni 1934) durch Hitler selbst auf Geheiß der deutschen Großmonopolkapitalisten, die es Hitler zwar erlaubt hatten, an die Macht zu gelangen, die aber ihre Interessen vor den Gefahren des "Pöbels" geschützt sehen wollten.
Der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft für die meisten Juden im September 1934, Restriktionen bezüglich der jüdischen Kapitalflucht und die Eröffnung von Auswanderungsbüros leiteten eine weniger intensive Diskriminierung zwischen 1935 und 1937 ein, als eine wirtschaftliche Erholung einsetzte und die SA demobilisiert wurde. Die Drohung einer neuerlichen Rezession und der bevorstehende Kriegsausbruch 1938 führten zu einer verschärften Kampagne. Ab November 1938 wurde jüdisches Eigentum in großem Stil beschlagnahmt, Juden wurden von Bildung und Unterhaltung ausgeschlossen und gezwungen, den David-Stern in der Öffentlichkeit zu tragen. Zu diesem Zeitpunkt flohen die reicheren Juden, denen dies möglich war - und ließen die übrigen zusammen mit Sozialisten, Homosexuellen und Sinti und Roma zurück, bis diese ihrer Verhaftung, Gettoisierung und schließlich ihrer Ausrottung in den Konzentrationslagern entgegensahen.
Ab 1939 machte das Versagen der deutschen Autarkie eine Ausdehnung nach Osten und Süden nötig, um die industriellen und landwirtschaftlichen Reichtümer Polens, der Tschechoslowakei, der Ukraine und Österreichs zu plündern. In diesen Kriegsgebieten existierte jedoch die größte Ansammlung der weltweiten jüdischen Bevölkerung.
Dass die Deutschen nahezu die gesamte Bevölkerung auslöschen konnten, stellt einen einzigartig grausigen Akt eines geplanten Völkermordes dar - einzigartig hinsichtlich der großen Anzahl von Menschenleben, die in derartig kurzer Zeit vernichtet wurden.
Er war jedoch weit davon entfernt, einzigartig zu sein, falls damit gemeint sein sollte, dass der Völkermord der Nazis nur die Juden betraf. Der deutsche Imperialismus, dessen „chemisch reine Essenz" der Nationalsozialismus war, wollte die reichen Landgebiete Polens und der Ukraine besetzen und kolonisieren. Dabei war der Großteil der Bevölkerung dieser Gebiete schlicht unerwünscht. So massakrierten die Deutschen Millionen Slawen und ließen sie verhungern -mehr als die gesamte Zahl der ermordeten Juden. Anfangs sollten auch die Juden bis zur Vernichtung zu arbeiten gezwungen werden. Als aber der Blitzkrieg keinen schnellen Sieg über die Sowjetunion erreicht hatte, wurde die Liquidierung von Feinden im Hinterland vorangetrieben. Von Beginn des Jahres 1942 an wurde die SS mit der "Endlösung" beauftragt. Schon zwischen 1939 und 1941 wurden die Juden in Ghettos und eigens dazu errichteten Konzentrationslagern zusammengepfercht. Ab 1942 wurden die Vernichtungslagen gebaut (oder dafür eingerichtet), um die 11 Millionen Juden zu liquidieren.
Dies geschah zunächst durch Zwangsarbeit und dann durch Ausrottung in großem Maßstab. Ab 1943 sickerten Nachrichten darüber ins Ausland. Bis 1945 waren zwischen fünf und sechs Millionen Juden ermordet worden - der konzentrierteste Versuch des Völkermordes, der bislang in der Geschichte der Menschheit unternommen worden war.
Zionistische Darstellungen des Holocaust stellen diesen Völkermord als isoliertes Geschehen in der Menschheitsgeschichte dar und bringen ihn einzig mit dem Antisemitismus in Verbindung. Dies ist jedoch eindeutig nicht der Fall. Die Vernichtung von Millionen Eingeborener Amerikas zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert, die ungezählten Massen von Afrikanern während zweier Jahrhunderte des Sklavenhandels waren ebenfalls Opfer eines Völkermordes. Der moderne Rassismus des Imperialismus erhob sich, um diese Gräuel zu rechtfertigen. Marxisten wollen keineswegs von der besonderen Schrecklichkeit des Holocaust ablenken, aber wir beharren darauf, dass er weder einzigartig war, noch seinen eigentlichen Ursprung im Antisemitismus hatte. Er war vielmehr ein Produkt der extremen Krise des Imperialismus.

X. Ein heftiger Disput ist über den Beweis eines Einverständnisses zwischen Zionisten und Nazis entbrannt. Die Zionisten leugnen oder spielen es herunter. Für übereifrige "Antizionisten" und einige konservative arabische Nationalisten ist es ein Beweis für die völlige Identität von Zionismus und dem unseligen völkermordenden Nationalsozialismus. Der historische Augenschein bestätigt keine der beiden Ansichten. Der Zionismus spielte vor 1933 keine bedeutende Rolle beim jüdischen Widerstand gegen den Aufstieg des Nazismus. Er betrachtete den Nationalsozialismus mit Zuversicht. Auch die Zionisten wollten ein judenfreies Deutschland, vorausgesetzt, dass sie nach Palästina und nirgendwo sonst hin emigrieren konnten. Als Ergebnis dessen versuchten die Zionisten, während Sozialisten, Kommunisten und sogar liberale Juden mutig gegen Hitler kämpften, mit ihm einen Handel zu schließen.
So stand der Zionistenverband Deutschlands mehrere Jahre in Direktverhandlungen mit der SS. Die SS gestattete den Zionisten Zeitschriften und sogar eine uniformierte Jugendbewegung, als schon alle anderen politischen Organisationen verfolgt wurden. Sogar während des Krieges verhandelte Rudolf Kastner, der Sekretär des Zionistenkomitees in Budapest, mit Eichmann über die Flucht in die Schweiz von 1000 reichen Juden - als Gegenleistung für seine guten Dienste dabei, die 800000 Juden Ungarns zu überreden, sich "friedlich" deportieren zu lassen. Als Ergebnis dessen wurden an die 200000 ungarische Juden nach Auschwitz und in andere Vernichtungslager verschleppt. Doch dieses Ausmaß an betrügerischem Eingeständnis war einmalig und wiedersprach in seinem Wesen dem Projekt des Zionismus. Um dieses zu verwirklichen, traten während des Krieges die Zionisten Europas und der USA jeglichen Erleichterungen der rassistischen Einwanderungsgesetze, die von den imperialistischen Demokratien erlassen worden waren, entgegen.
Der Zionismus endet bei seinem Versuch, den Antisemitismus zu negieren, in der Bestätigung des [dialektischen] Gesetzes von der Einheit der Gegensätze. Dies heißt nicht, beide gleichzusetzen oder zu identifizieren, sondern zu betonen, dass der Zionismus zuallererst eine Antwort auf den Antisemitismus darstellt - und dass er zweitens eine Antwort ist, die diesen nicht überwinden kann, da er die antisemitische Definition der verstreuten jüdischen Religionsgemeinden und ihre Neigung, ihre Assimilation im Kapitalismus als Problem zu sehen, akzeptiert.
Der Zionismus sieht einerseits das Judentum als das Gute schlechthin an, während der Antisemitismus es als das Böse schlechthin betrachtet. Aber der Zionismus braucht den Antisemitismus; er ist seine Existenzberechtigung. Er hält ihn für die Kraft, die weiterhin jüdische Gemeinden nach Palästina treiben wird. Daher haben Zionisten mit Antisemiten verhandelt, um diesen Prozess zu erleichtern.
Bedeutet dies nun, dass die Zionisten im Einverständnis mit der Endlösung gewesen wären? Nein, aber es bedeutet, dass sie nichts unternommen haben, um das Los ihrer Opfer zu erleichtern, während sie vorbereitet wurde (auch wenn sich Zionisten an heroischen Aufständen wie im Warschauer Ghetto beteiligten) - und auch als die Endlösung bereits im Gange war, taten sie wenig mehr, außer eine Handvoll Flüchtlinge nach Palästina zu schmuggeln.