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Papstbesuch

Päpstliche Heimsuchung

Gerald Waidhofer, Neue Internationale 162, September 2011

Not welcome! Demonstrationen gegen den Papstbesuch

Berlin, 22. September, 16.00, Potsdamer Platz, www.notwelcome.de

Erfurt, 23. September, 18.00, Hauptbahnhof

Es ist kaum noch zu überhören: Wir sind schon wieder Papst! Deutschland macht sich bereit für den Empfang des zur klerikalen Prominenz gewordenen Herrn Ratzinger. Weil Erfolge im sozialen Bereich in Zeiten der Krise kaum noch vermeldet werden können, möchte die patriotische Seele zumindest etwas fürs Gemüt. So darf sie sich für kurze Zeit als weltweiter Herrscher der Herzen fühlen.

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Der deutsche Papst wird täglich im Radio mit ‚Gedanken zum Auftanken' präsentiert, Vortrags- und Predigtreihen bereiten den Besuch vor, ein eigenes Gebet wurde herausgegeben, ein Gebetsheft mit Texten des Papstes ist geplant und ein Verkauf von Gedenkbändern, Kappen, Textilien, Accessoires, Taschen, Rosenkränzen, Kerzen, Medaillen u.a. Tinnef wurde gestartet.

Dass Herr Joseph Aloisius Ratzinger jetzt Benedikt XVI. heißt, steht nicht im Zusammenhang mit seiner einstigen Verleihung des ‚Karl-Valentin-Ordens' des Münchner Faschings, sondern soll seiner päpstlichen Rolle eine besondere Ausschmückung geben. Die Spezialität des mit Jubelstimmung präsentierten Papstes ist es aber nicht nur, dass er ein Deutscher ist, sondern dass er für einen besonders dogmatischen Kurs der katholischen Kirche steht.

Reaktionär Ratzinger

So fiel er bereits durch seine entsprechenden Auseinandersetzungen mit der 68er-Bewegung in Tübingen auf. Er gilt nicht nur als hartnäckiger Befürworter des Zölibats, sondern auch als entschiedener Gegner einer rechtlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Beziehungen.

Nachdem die katholische Kirche im Laufe ihrer Geschichte unzählige Menschen diskriminiert, verfolgt, gefoltert und ermordet hat, fiel Ratzinger durch besondere Interpretationen dieser Verbrechen auf. So erklärte er etwa 2007 in Brasilien, dass die Christianisierung Lateinamerikas, die faktisch mit kultureller Oktroyierung und einem Völkermord einherging, von den UreinwohnerInnen unbewusst herbeigesehnt worden sei. Es ließe sich freilich auch überlegen, ob die rund 9 Mill. Menschen, die vom 13. bis zum 18. Jahrhundert von der Kirche der Hexerei bezichtigt und verbrannt wurden, nicht überhaupt lebensmüde waren.

Gegenüber anderen Religionen betont er zwar fast überschwenglich seine Dialogbereitschaft, aber diese erweist sich bei näherer Betrachtung eher als notdürftige Kosmetik seiner scheinbar diplomatisch ungeschickten Äußerungen zu anderen Religionen. So ist für ihn der Protestantismus keine Kirche im eigentlichen Sinn, gegenüber dem Islam bemühte er zunächst ohne weitere Bedenken ein Zitat, das die Rolle der Gewalt darin betont.

Seine Versöhnlichkeit in anderer Richtung zeigte sich eindeutiger, als er etwa die Exkommunikation des Holocaustleugners Williamson wieder aufhob. Mit dieser Aktion isolierte er sich innerhalb der katholischen Kirche aber keineswegs. Immerhin schloss diese nach der russischen Oktoberrevolution mit fast allen faschistischen und halbfaschistischen Staaten Konkordate zum ‚Schutz des christlichen Europa vor dem teuflischen Bolschewismus' ab.

Abgesehen von den Spezialitäten im aktuellen Papstprofil fällt bei der anstehenden Heimsuchung vor allem auf, dass am 22. September in Berlin auch eine Rede des Papstes im Bundestag vorgesehen ist. Auf die von der Bourgeoisie einst aufgestellte Forderung der Trennung von Kirche und Staat wird damit nicht nur symbolisch verzichtet.

Doch auch sonst wird diese keineswegs konsequent umgesetzt. Immerhin wird die Kirchensteuer immer noch mit staatlicher Hilfe eingetrieben, wird den Kirchenvertretungen eine bedeutende Rolle im Bildungsbereich sowie im Sozial- und Gesundheitsbereich zugesichert, werden religiöse Lehren und Gebräuche staatlich vor Kritik geschützt. Am Ausmaß der Verflechtung zwischen Kirche und Staat zeigt sich letztlich auch die Unfähigkeit der Bourgeoisie, ihre ursprünglichen demokratischen Forderungen umzusetzen. Soweit der Einfluss religiöser Vorstellungen inzwischen verringert wurde, ist dies nicht das Verdienst einer politischen Initiative, sondern eher Ergebnis der effektiveren Wirkung der Verdinglichungen in der bürgerlichen Warengesellschaft. Wie das Bürgertum hat auch die reformistische Führung der Arbeiterbewegung ihre antiklerikale Tradition über Bord geworfen.

Schon Marx nannte das Proletariat die erste gesellschaftliche Kraft zur Befreiung von der Religion. Letztlich verlangt die Überwindung der mit der Religiosität verinnerlichten Klassenherrschaft eine Überwindung ihrer gesellschaftlichen Voraussetzungen in der Klassenherrschaft selbst. Wer hingegen auf Gerechtigkeit im Himmel hofft, bleibt geknechtet auf der Erde.

Dass ein Papstbesuch nicht nur mit organisiertem Jubel stattfinden muss, zeigte sich zuletzt in Spanien. Dem päpstlichen Aufruf für ein Ende der „Gottesfinsternis“ und „mehr Liebe und Mitgefühl“ gingen massenhafte Proteste voraus, die von der Polizei eine ausgesprochen lieblose Behandlung erlebten. In diesen Protesten wurde nicht nur das besonders Reaktionäre im Ratzinger-Fundus angeprangert, sondern auch die mit dem Besuch verbundenen immensen Kosten, für welche die breite Masse der Bevölkerung bezahlen muss.

Keinen Cent für den Papst-Besuch!

Abschaffung aller Privilegien und staatlichen Förderungen für kirchliche Einrichtungen! Kein Religionsunterricht an den Schulen! Abschaffung der Kirchensteuer!

Konsequente Aufklärung und Bestrafung der Übergriffe von Kirchenvertretern gegenüber Kindern und Jugendlichen!

Konsequente Trennung von Kirche und Staat

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