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IG Metall

Nach den Betriebsratswahlen

Frederick Haber, Neue Internationale 148, April 2010

Es ist nicht so einfach, Betriebsratswahlen politisch auszuwerten. Die Verhältnisse sind von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich, politische Differenzen vermischen sich mit persönlichen und es gibt kaum verfügbare Daten.

Schwierige Faktenlage

Die IG Metall beispielsweise veröffentlicht auf ihrem Ergebnisdienst im Internet (www.igmetall.de) nur den Anteil ihrer Listen, die Konkurrenz wird nicht erwähnt. Es wird noch nicht einmal festgestellt, ob nach Listen oder ob einzelne Personen von einer gemeinsamen Liste gewählt wurden.

Am 30.3. wurde auf diesem Ergebnisdienst erstmals - zumindest teilweise - auch die Veränderung dargestellt. Mit den an diesem Tag gemeldeten Ergebnissen aus 31 Betrieben stehen 7 zusätzlichen Sitzen für die IG Metall 14 verlorene gegenüber. Das sagt allerdings noch gar nichts darüber aus, in welche Richtung die Verluste gingen - für kämpferische Opposition oder unterwürfige Anpassung.

Es gibt beides und es gibt beides auch gerade dort, wo Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen oder andere Angriffe des Unternehmers drohen. Ein extremes Beispiel ist der Spielzeugeisenbahn-Hersteller Märklin. Der Laden ist seit Jahren in der Krise und derzeit in der Insolvenz. Bei einer Persönlichkeitswahl wurden alle MetallerInnen bis auf einen aus dem Betriebsrat hinausgewählt, das neue Gremium ist weit nach rechts gerückt. Ob diejenigen, die sich dem Insolvenzverwalter und seinen Einschnitten unterwerfen wollen, die Mehrheit darstellen oder ob die MetallerInnen nur so zerstritten waren, dass sie ihre eigenen Leute nicht durchbrachten, lässt sich von außen nicht beurteilen. Mit Sicherheit belegt es aber die Unfähigkeit der IG Metall, eine Perspektive zu vermitteln.

Anderswo treibt die Angst der Beschäftigten die WählerInnen wieder in die Arme des Apparats, die oppositionellen Listen können in ihren Augen wohl nichts bewegen. So hat die „Alternative“ bei Daimler in Kassel 2 ihrer 6 Sitze verloren, die GOG bei Opel Bochum ist garnicht mehr vertreten, die Liste WIR bei Behr in Stuttgart hat 1 von 3 Sitzen verloren.

Wenn die ArbeiterInnen und Angestellten keine Perspektive im Kampf sehen - und darauf hat der IG Metall-Apparat in den letzten zwei Jahren konsequent hingearbeitet - dann sind natürlich die geübten Co-Manager die sicherere Bank.

Diesem Trend zu Passivität und Unterwerfung steht aber durchaus auch der entgegengesetzte gegenüber: Es gibt auch Gewinne. Bei Daimler in Berlin-Marienfelde konnte die dortige ALTERNATIVE ihre Sitze von 3 auf 5 steigern. Bei Daimler in Hamburg hat die offizielle IG Metall-Liste sogar eine sichere Mehrheit an andere Listen verloren. Insgesamt gab es wohl auch mehr oppositionelle Listen im Metallbereich.

Auch wenn diese Listen nicht überwältigend abgeschnitten haben, zeigen sie einen Trend auf: Nicht mehr vor allem von rechts, von anti-gewerkschaftlichen Angestellten, kommen diese Listen, sondern mehrheitlich von ProduktionsarbeiterInnen, überdurchschnittlich vielen MigrantInnen, aus dem Herz der IG Metall also. Das trifft z.B. für die ALTERNATIVE bei Daimler-Sindelfingen zu (1 Sitz) wie für WIR bei Behr.

Einerseits sind das die Leute, die jahrzehntelang die Kampfkraft der IG Metall dargestellt haben, andererseits sind es diejenigen, welche die letzten 5 Jahre am meisten unter dem Ausverkauf durch die IG Metall gelitten haben: Sie haben am meisten bei ERA verloren, ihre Arbeitsplätze wurden als „unqualifiziert“ bewertet und die Lohngruppen aus Belastungen abgeschafft.

ProduktionsarbeiterInnen: Opfer des Ausverkaufs

Wenn bei Standortsicherungs-Vereinbarungen übertarifliche Zulagen gekürzt wurden, dann fielen oftmals ihre Waschzulagen o.ä. weg. Die Akkord- („Steinkühler“)-Pause in Nordwürttemberg-Nordbaden wurde zu ihren Lasten fast überall verkauft. Heute sind gerade die letzten Produktionsbetriebe am stärksten vom Arbeitsplatzabbau betroffen.

Aus dieser Schicht kommt Widerstand - trotz massiver Bedrohung aus dem Apparat. Bei Daimler-Sindelfingen wurden die Verfahren mit dem Ziel Ausschluss schon vor der Wahl verkündet. Aber offensichtlich ohne Erfolg, die Listen wurden nicht zurückgezogen. Hier verliert also der IG Metall Apparat die Kontrolle über einen - vorerst kleinen -Teil ihrer Kerntruppen.

Diese AktivistInnen sind ein wichtiges Potential für eine oppositionelle Basisbewegung. Um dieses Potential zu nutzen, sind mehrere Dinge nötig:

Die KollegInnen und Kollegen müssen gegen den Apparat verteidigt werden. Hier ist die Gewerkschaftslinke gefordert. Linke Apparatschiks, wie der VK-Leiter von Daimler-Marienfelde, der als DKP-Mitglied die Repression vorantreibt, müssen in der Linken geächtet werden!

Die Alternativen Listen müssen sich - wo sie es nicht schon sind - in dauerhafte oppositionelle Betriebsgruppen verwandeln. Es geht nicht nur um Betriebsratssitze, im Gegenteil!

Diese Betriebsgruppen dürfen sich nicht auf den „eigenen“ Betrieb beschränken. Der erfolgreiche Kampf gegen die Krise ist nur gesellschaftlich und politisch, letztlich international möglich. Ein zentraler Punkt des Verrats der IG Metallführung ist ja gerade, die Belegschaften einzeln kämpfen und verlieren zu lassen.

Hierbei kommt der bisherigen real existierenden Gewerkschaftslinken eine wichtige Aufgabe zu, die aber zugleich die große Chance bietet, aus dem Mauerblümchen-Dasein zu entkommen und zu einer ernstzunehmenden Kraft zu werden. Eine Schlüsselposition hat dabei die ALTERNATIVE Daimler Untertürkheim/Mettingen, die Mutter aller ALTERNATIVEN, inne.

Ihr wurden vom Apparat Zugeständnisse gemacht, die dieser zuvor ins Reich der Unmöglichkeit verwiesen hatte. Die unabhängige Betriebszeitung kann weiter erscheinen, wenn es zu einer gemeinsamen IG Metall-Liste kommt. Jetzt also ist diese nicht mehr die Zeitung einer Betriebsratsfraktion und muss - um selbst überleben zu können - zur Zeitung einer „Gewerkschaftsfraktion“ werden, einer Strömung in der IG Metall, die für einen klassenkämpferischen Kurs und gegen die Bürokratie kämpft.

Die Lage der Mettinger zeigt auch, vor welcher Alternative oppositionelle Listen, Vertrauensleute, Betriebsräte, Kandidaturen stehen. Einerseits Druck des Apparates mit Repression und “Angebot”. Andererseits die Möglichkeit, ihre Stärke über den Betrieb hinaus in die Waagschale zu werfen.

Das ist der Weg, den die Opposition zu Co-Management und Ausverkauf der IG-Metall-Führung nehmen muss. Wir schlagen daher vor, möglichst rasch eine bundesweite Konferenz der oppositionellen Listen und GewerkschafterInnen einzuberufen. Dort soll es darum gehen, gemeinsam Strategien gegen die Angriffe von Geschäftsführungen, rechten Betreibsräten und IG-Metall-Apparat zu entwickeln und zu koordinieren.

Vor allem aber bedarf es eines gemeinsamen Kampfsprogramms gegen die Krise und der koordinierten, landesweiten Unterstützung betrieblicher Abwehrkämpfe durch Solidaritätskomitees und Aktionen.

So können die betrieblichen Listen und Oppositionellen zum Sammel- und Ausgangspunkt für eine klassenkämpferische Basisbewegung in den Betrieben und Gewerkschaften werden.

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Nr. 148, April 2010
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*  Gegengipfel zum Treffen der EU-Bildungsminister: Bildung statt Bologna!
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*  Honduras: Protestiert gegen den feigen Mord an Gewerkschaftsaktivist!
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