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Politische Perspektiven

Die Massenmobilisierung in Heiligendamm im Juni 2007 und der Streik der GDL sind erste wichtige Zeichen für eine Zunahme von Militanz und Kampfbereitschaft bei der Jugend und bei Teilen der Arbeiterklasse.

Das markiert den Beginn einer politischen Wende. Nach der Entstehung größere Massenproteste 2003-2005 hatten die sozialen Bewegungen eine Niederlage erlitten - eine Niederlage, die trotz Krise der SPD und Gewerkschaften, trotz Neuwahlen nach dem Scheitern von Rot-Grün eine Basis schuf für eine weitere Offensive von Kapital und Regierung. Die WASG war in diesem Niedergang entstanden - ein Umstand, der es den Bürokraten in WASG und PDS erleichterte, das klassenkämpferische Potential der neuen Partei zu zerstören und mit der LINKEN eine zweite reformistische Massenpartei erneuert zu schaffen.

Der deutsche Imperialismus und die Große Koalition

Zugleich hatte diese Offensive nicht nur Bewegungen geschwächt und geschlagen, sie hat auch ihren Ausdruck in einer tiefen Veränderung der Arbeiterklasse, massiv verschärfter Ausbeutung usw. gefunden. Auch auf internationaler Ebene konnte sich der deutsche Imperialismus stärken (EU, Besatzungspolitik, größere Rolle Deutschlands in der Weltarena). Nach anfänglichen Schwächen war daher die Regierung zur weiteren Offensive übergegangen und konnte sich stabilisieren.

Die für viele Beobachter überraschende Stabilität und - trotz diverser Differenzen - schlussendlich bis dato herrschende „Harmonie“ zwischen SPD und Union hat mehrere Ursachen: a) den konjunkturellen Aufschwung; b) die große politische Schnittmenge zwischen SPD und Union; c) die andauernde Krise der SPD, die - auch angesichts der „linken“ reformistischen Konkurrenz PDS - weder bereit noch in der Lage war, es zum Bruch und damit zu Neuwahlen kommen zu lassen.

Kanzlerin Merkel konnte ihre Position festigen, Konkurrenten in den Unions-Reihen „bändigen“ und Differenzen in deren Lager ausbalancieren. Dabei wurde mit Stoibers Abgang auch der Einfluss der CSU begrenzt.

Diese Faktoren zeigen zugleich, wie schnell diese „Stabilität“ vorbei sein kann. Sowohl ein Abbruch der Konjunkturbelebung (siehe Ökonomie-Resolution) als auch eine weitere Verschärfung der SPD-Krise (z.B. nach den nächsten Landtagswahlen) können hier schnell zur Veränderung der Situation führen. Politische Sprengminen sind genug gelegt: Föderalismusreform (Bund - Länderfinanzausgleich), Änderungen bei der Rente mit 67, Gesundheits- und Pflegeversicherungsreform, Betreuungsgeld, ALG I-Reform, Erbschaftssteuer, Energiepolitik, Bahnprivatisierung, Mindestlohn, Außen- und Sicherheitspolitik... Es gibt kaum ein Thema, bei dem sich in der jetzigen Legislaturperiode noch große Einigungen ergeben werden - tatsächlich aber nicht schnell ernste Koalitionskrisen ausbrechen könnten.

Niederlagen der Abwehrkämpfe 2003-2005

Hauptgrund für die Stabilität der Regierung waren Niederlagen im Klassenkampf. Die Massenproteste gegen die Agenda und Hartz IV wurden von der DGB-Führung (und teilweise auch von der PDS) demobilisiert, um die Rolle der (mit-)regierenden) SPD nicht zu gefährden und eine weitere Radikalisierung der Bewegung zu verhindern. Die notwendigen - und oft spontan geforderten - politischen Massenstreiks bzw. der Generalstreik wurden blockiert, die Verbindung von Beschäftigten und Arbeitslosen im Kampf wurde hintertrieben. Die Gewerkschaftsbürokratie (und die Betriebsratsspitzen der Konzerne) haben sich weiter Richtung Co-Management entwickelt und sind z.T. den kämpfenden Bereichen offen in den Rücken gefallen (35-Stunden-Streik im Osten).

Die Merkel-Regierung setzte etwa ein halbes Jahr nach Beginn ihrer Amtszeit weitere Angriffe und weitere Niederlagen für das Proletariat durch. Die Rente mit 67, die drastische Erhöhung der Mehrwertsteuer, das Umsetzen der Hartz-Gesetze u.a. Maßnahmen (darunter die jüngsten Preissteigerungen) haben das Lebensniveau der Klasse insgesamt weiter verschlechtert.

Der anhaltend immense Druck auf den Arbeitsmarkt und die Schaffung eines großen Sektors von Billigarbeit und prekärer Beschäftigung haben nicht nur die Profite steigen lassen, sondern auch die Lebenslage der Lohnabhängigen und v.a. der Arbeitslosen permanent verschlechtert.

Der leichte Konjunkturaufschwung hat die Arbeitslosigkeit leicht gesenkt - jedoch v.a. durch Statistikschwindel und durch eine massive Ausdehnung der Teilzeit- und prekären Jobs, des Niedriglohn- und Leiharbeitssektors. Die stark gestiegene Zahl von Beschäftigten, die von ihrer Arbeit allein nicht leben können, belegt das. Zugleich sind auch Arbeitszeit und Arbeitsdruck weiter gestiegen.

Die unter Rot/Grün losgebrochenen Massenproteste gegen die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze sind letztlich ohne Ergebnis geblieben. Die gewerkschaftlichen Mobilisierungen wie auch die Montagsdemos der Arbeitslosen führten nicht dazu, dass sich daraus eine aktionsfähige Vernetzung der aktivsten Elemente der Klassenvorhut ergab. Diese Bewegung zeigte einerseits die Bereitschaft der Klasse zum Widerstand, andererseits aber auch die Grenzen einer spontanen Bewegung, die über keine eigenen Mobilisierungsstrukturen, geschweige denn über eine geeignete politische Führung verfügt. So sind diese klassenkämpferischen Ansätze letztlich am Mangel einer weiterführenden, eigenen Kampfperspektive und an der bewussten Blockade seitens der reformistischen Führungen von DGB und PDS gescheitert.

Wie wir vorausgesagt hatten, gab es trotzdem auf betrieblicher Ebene und in einzelnen Branchen größeren und teilweise militanten Widerstand, so z.B. bei der Telekom, bei Gate Gourmet oder den Streiks in Berlin bei CNH und BSH. Doch auch in diesen Bereichen gelang es der Bürokratie (also Betriebsräten und Gewerkschaftsapparat), eine Ausweitung und Vernetzung der Streiks zu verhindern.

Neue Schichten im Kampf

Zwei neue Tendenzen zeigten sich. Erstens waren Schichten aktiv geworden, von denen man ein Engagement im Klassenkampf nicht erwartet hatte, z.B. die Ärzte. Hier spiegelt sich der soziale Niedergang, die Proletarisierung der lohnabhängigen Mittelschichten wider. Ihre Forderungen waren teils durchaus berechtigt, zeigten zugleich aber auch viel „berufsständische Borniertheit. Zweitens macht sich stärker eine Tendenz bemerkbar, dass kleine „berufsständische“ Gewerkschaften wie die GDL sehr militant auftreten und ihr objektiv relativ großes ökonomisches Gewicht zur Geltung bringen. Doch auch hier machten sich die destruktiven, unsolidarischen Strategien der reformistischen Apparate aller Gewerkschaften negativ bemerkbar und die bürgerlichen Grenzen ihrer eigenen Politik (z.B. keine Kritik der GDL-Führung an der Bahnprivatisierung) sowie die Weigerung, aktiv die Kämpfe dieser Sektoren zu unterstützen (TransnetEx-GDED, GDAB). Drittens gab es auch einen Trend zu „wilden“ Streiks, also betrieblichen Aktionen, die keine reinen Tarifkämpfe waren bzw. nicht vom Apparat der Gewerkschaften initiiert waren. (Gate Gourmet, Fahrradwerk Nordhausen oder schon vorher Opel Bochum).

Letztlich zeigt sich, dass gegen die allgemeine Offensive von Kapital und Regierung und angesichts des stärkeren ökonomischen Drucks auf die Gesamtklasse isolierte betriebliche Kämpfe keine Perspektive haben und es einer allgemeinen Kampfesführung in Gestalt einer neuen Arbeiterpartei sowie einer mit ihr verbundenen breiten klassenkämpferischen Basisbewegung bedarf, um dem Klassengegner Paroli zu bieten.

Trotzdem markiert der GDL-Streik ein Novum. Erstens ist - anders als bei den Ärzten oder Cockpit - eine extrem schlecht bezahlte Schicht der Klasse im Kampf. Zweitens hat der bürgerliche Staat weitaus aggressiver darauf reagiert (Streikverbote etc.). Der Grund dafür liegt darin, dass die GDL objektiv ein wichtiges Projekt der Herrschenden angreift (Bahnprivatisierung und Formierung eines globalen deutschen Transportmultis) und zweitens das System der Klassenkollaboration zwischen Transnet/GDBA und Bahnvorstand.

Ein Sieg der GDL könnte tatsächlich eine Trendwende im Kampf einleiten, weil er für Millionen deutlich machen würde, dass Streiks selbst einer relativ kleinen Gruppe von ArbeiterInnen etwas erreichen können.

Der Höhepunkt der Mobilisierungen gegen Kapitalismus, Imperialismus usw. war Heiligendamm. Trotz massiver staatlicher Repression schon im Vorfeld gab es eine große Mobilisierung. Rund 20.000 AktivistInnen bliebeb länger in Heiligendamm. Die Stimmung insgesamt war linker und antikapitalistischer als etwa in Glenn Eagles. Allerdings war die Beteiligung der Gewerkschaften skandalös gering, weil deren Führungen nicht mobilisiert hatten.

Die Kollisionen zwischen der Bewegung und der Polizei führten der Bewegung die unsolidarische, spalterische und staatskonforme Haltung der Führung der Bewegung (attac, DGB- und Linkspartei-Funktionäre) vor Augen.

Der G8-Gipfel war kein politischer Erfolg für die Regierenden; im Gegenteil: er zeigte die Perspektivlosigkeit des Kapitalismus und die Untauglichkeit seiner Institutionen auf. Die Proteste waren ein Erfolg der Bewegung.

Die Bewegung insgesamt konnte den Schwung von Heiligendamm nicht beibehalten und die aufgeworfenen Fragen (Gewalt, welche Art von Koordinierung, welche Strategie) beantworten, wie offensiv weiter diskutiert werden soll, geschweige denn diese gelöst werden sollen.

Zu dieser Schwäche kommt die bewusste Unwilligkeit der Führung der Bewegung, irgendetwas Substantielles voranzubringen, wie das 2. DSF in Cottbus erneut zeigte.

Die LINKE

Ein wesentliches Resultat der maßgeblich von der unter Schröder regierenden SPD vorgetragenen Angriffe war die forcierte Erosion der SPD und - in geringerem Maße - der PDS, v.a. in Berlin, wo sie mitregiert. Die PDS erlitt bei den letzten Wahlen in Berlin teilweise dramatische Einbrüche.

Hunderttausende WählerInnen und Mitglieder der SPD und PDS wandten sich von ihnen ab. Ein kleiner Teil davon, v.a. Arbeitslose und gewerkschaftlich Aktive, beteiligten sich am Projekt WASG und drängten auf den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei als Alternative zu SPD (und teilweise auch zur PDS).

Die WASG litt jedoch von Anfang an unter „Geburtsfehlern“: a) die klassenkämpferischen Mobilisierungen waren schon zu Ende und wirkten nicht mehr direkt in die WASG hinein; b) die Initiatoren Ernst und Co. legten das Projekt als linksreformistisches an und blockierten eine ernsthafte Debatte über Systemalternativen und Programmatik, c) die „radikale“ Linke intervenierte entweder gar nicht in der WASG (DKP, MLPD, viele „Trotzkisten“ wie der RSB) oder passte sich dem reformistischen Mainstream und der Strategie der Führung an (Linksruck, teilweise SAV).

So war die Dynamik schnell aus der WASG raus und sie wurde kein Attraktionspol für relevante Teile der Klassenavantgarde - und wollte es auch nicht sein.

Nur die vorgezogenen Wahlen, der nachfolgende Eintritt Lafontaines und die damit verbundene Perspektive einer fusionierten „gesamtdeutschen Linkspartei“ sorgten noch einmal für einen Schub, der allerdings zugleich die reformistische, auf Wahlen gerichtete Orientierung verstärkte.

Der Fusionsprozess von Oben und die politische Zuspitzung in Berlin um die Landesregierungsfrage polarisierten die WASG, und eine kleine Minderheit bildete einerseits die eigenständige Berliner WASG, andererseits bundesweite Oppositionsströmungen wie das NLO. Das NLO hätte eine Initiativstruktur zur Schaffung einer neuen Arbeiterpartei sein können - doch inzwischen zeigt sich, dass das NLO von seiner Größe, aber auch von der politischen Substanz her diese Funktion nicht wird erfüllen können. Dass aus dem NLO nicht mehr werden konnte, hat mehrere Gründe: a) die Weigerung der „radikalen Linken“, sich in das NLO einzubringen (z.B. RSB) oder darin weiter zu arbeiten (SAV, isl). Dahinter stecken politische Borniertheit und Sektierertum und/oder Illusionen in die Linkspartei (isl, SAV); b) die politische Heterogenität des NLO; c) die mangelhafte Verankerung in kämpferischen Schichten der Beschäftigten in den Betrieben.

So verzögerte sich die programmatische Arbeit. Zentrale Interventionen zu wichtigen Ereignissen (Heiligendamm) gab es nicht. Zudem gab es starke Blockaden und undemokratische/unsachliche Manöver gegen die GAM bzw. gegen die NLO-Ratsmehrheit.

Die Fusion zur LINKEN ist ein begrenzter Erfolg des Reformismus. Er konnte die begonnene Dynamik zu einer nichtreformistischen Partei beenden. Im Kampf mit den den Apparat dominierenden rechtsreformistischen PDS-Funktionären konnte sich vorerst Lafontaine mit seinem linksreformistischen „Oppositionskurs “ durchsetzen. Mit der Konzentration auf „Antikriegspolitik“, „Weg mit Hartz IV“ und der Mindestlohnkampagne kann Lafontaine die SPD treiben, ohne die Türen für eine mögliche Koalition mit ihr in der Zukunft zuzuschlagen.

Doch die fusionierte LINKE hat nur in sehr geringem Maße AktivistInnen und kämpferische Milieus angezogen. Im Gegenteil: viele AktivistInnen und Linke wandten sich von ihr ab (ein Beispiel dafür ist auch die Entwicklung - oder besser: der Niedergang von solid).

Allerdings gibt es eine Hinwendung von Teilen des Gewerkschaftsapparates (Betriebsräten, Vertrauensleuten) zur LINKEN. Außerdem muss aufgrund von Lafontaines scheinbar „klarem Oppositionskurs“ mit weiteren Erfolgen der LINKEN bei Wahlen gerechnet werden. Hier müssen wir unsere Wahltaktik entsprechend ausrichten.

Imperialismus nach außen und Repression nach innen

Unter Merkels Präsidentschaft ist der Ausbau der EU zu einem imperialistischen Block weiter vorangeschritten. Ihre Politik des „Balancehaltens“ und der kleinen Schritte war insgesamt erfolgreich - wenn auch kein qualitativer Durchbruch.

Im Einklang mit Sarkozys Kurs wird versucht, die blockierte EU-Verfassung durch die Hintertür unter anderem Namen doch durchzusetzen.

Die eigentliche Stärke Merkels liegt jedoch nicht im Programm ihrer Regierung, sondern in der Schwäche ihrer GegnerInnen. Im Zuge einer Rezession und einer Verschärfung globaler Konkurrenz werden auch die imperialistischen und innereuropäischen Gegensätze (insbesondere mit Britannien) wieder stärker zu Tage treten und zeigen, dass grundsätzliche strategische Probleme der Formierung eines europäischen imperialistischen Blocks und deutsch-französischer Führung dessen noch lange nicht gelöst sind, ebenso wie die deutsche und europäische Arbeiterklasse zwar Niederlagen, aber keine strategische erlitten haben.

Die Monate der Großen Koalition waren durch eine permanente Verschärfung der „inneren Sicherheit“ gekennzeichnet. Neben Vorstößen zur Etablierung einer Bundespolizei-Behörde mit vielen Kompetenzen, der Aushebelung demokratischer Standards, wird immer mehr am Gesetz vorbei und präventiv zugeschlagen. Der § 129 a spielt eine Schlüsselrolle dabei, alle „Gegner“ unter einen Generalverdacht zu stellen und repressiv vorzugehen.

Die ideologische Klammer ist dabei der „Antiterrorkampf“, der mit einer klar rassistischen und antiislamischen Komponente verbunden ist. Wichtig ist dabei auch die Tendenz, das Streikrecht auszuhöhlen.

Die qualitative Verschärfung dieser Angriffe unter Schäuble verdeutlicht auch, dass sich die herrschende Klasse und ihre Strategen darüber im Klaren sind, dass eine Generalabrechnung mit dem Widerstand und insbesondere mit der Arbeiterklasse noch bevorsteht.

Die Beteiligung Deutschlands an mehreren Militärinterventionen (Afghanistan, Libanon u.a.) wurde weitergeführt. Inzwischen werden die diversen Operationen im Bundestag durchgewunken, ohne dass es größere Proteste dagegen geben würde.

Hier zeigt sich auch, dass die Linke wie die Friedensbewegung darüber gespalten sind, inwieweit ein „humanitäres Eingreifen“ akzeptabel wäre. Die diversen Antikriegsdemos (Libanon, Afghanistan) waren insgesamt nicht sehr groß.

Die „radikale Linke“

Die radikale Linke hat gezeigt, dass sie insgesamt nicht ihre zentristischen/linksreformistischen Grenzen überwunden hat. Markant war dabei das Eingreifen in der WASG. Das Gros der Linken blieb passiv und überließ den Reformisten um Ernst usw. komplett das Feld (MLPD, DKP, RSB …). Nur die SAV, LINKSRUCK und die isl (von wenigen  kleineren Organisationen abgesehen) intervenierten überhaupt. Dabei operierte LINKSRUCK als linke Flankendeckung der Reformisten und agiert heute in der LINKEN, wozu es sich offiziell als Organisation aufgelöst hat. Es hat deutlich an Stärke eingebüßt.

Die SAV agierte immer zentristisch. Sie kritisierte die Reformisten - allerdings auf einem linksreformistischen Programm. Sie war wichtig bei der Bildung des NLO, verabschiedete sich aber bald daraus, weil sie eine Orientierung auf die LINKE wegen deren vermeintlich „linker“ Potentiale vorzog.

Die isl hatte keine klare Linie, sondern schwankte zwischen allen Polen. Allerdings ist sie inzwischen fast durchweg im Sog der LINKEN.

Insgesamt zeigte sich, dass die radikale Linke weder bereit noch methodisch-programmatisch in der Lage ist, in Umbruchsituationen wie denen in der WASG systematisch und direkt einzugreifen und die nach links drängenden Kräfte für ein revolutionäres Projekt zu gewinnen. Sie tritt daher aus der Phase 2001-2006 insgesamt geschwächt heraus: isl und linksruck sind so schwach wie seit langem nicht mehr; der RSB stagniert wie eh und je; die MLPD verliert immer mehr den Anschluss an die Realität der politischen Lage; attac&co. haben massiv an Einfluss verloren; die verschiedenen autonomen Gruppierungen kommen nicht aus ihrer Orientierungskrise. Wie die Demonstrationen des Herbstes (Anti-Kriegs-, Anti-Sicherheitsgesetze-, Anti-Sozialabbau-Demo) gezeigt haben, sind die Protestmilieus wieder auf den Stand der Zersplitterung der vor-Sozialforumsbewegung zurück gefallen. Von den zentristischen Gruppierungen ist nur die SAV (obwohl auch diese nicht personell gestärkt) mit einer unveränderten Eigendynamik verblieben. Andererseits haben sich im NLO gewisse Teile der radikalen Linken gesammelt, die für uns langfristig interessant sein können.

Schließlich hat die politische Umgruppierung der letzten Phase die Gewerkschaftslinke besonders geschwächt. Einerseits sind Teile der linken Funktionäre daraus inzwischen in der „Linken“ bzw. ihrem Umfeld. Andererseits war die syndikalistische Hauptströmung nicht in der Lage, die politische Umgruppierung für den Oppositionskampf in den Gewerkschaften zu nutzen. Damit bleiben Ansätze von betriebsoppositionellen Gruppen (wie z.B. bei Daimler), die Kern eines Wiederaufbaus einer Gewerkschaftslinken sein könnten, auf der Ebene einer unpolitischen, betriebsbornierten, gegen die sozialen, gesamtgesellschaftlichen Angriffe objektiv hilflosen Opposition stecken.

Extreme Rechte

Die extreme Rechte ist insgesamt aktiver geworden (Aufmärsche, Gewalt, Wahlkämpfe, Parlamente), ohne aber die organisatorische Zersplitterung und die ideellen Gräben überwinden zu können. Die NPD hat ihre Rolle als „Zentrum“ der Rechten ausbauen können, ohne jedoch einen relevanten Schritt in Richtung einheitlicher Partei/Bewegung vorangekommen zu sein. Ideell agiert die Rechte stärker mit „linken“ Inhalten und Symbolen.

Fazit

Als Fazit können wir sagen, dass sich seit der Demobilisierung der Massenproteste von 2003/04 und dem Beginn der Großen Koalition das Klassenkampfverhältnis weiter zugunsten des Kapitals verschoben hat. Aber 2007 hat sich auch eine beginnende Mobilisierung und Radikalisierung in der Jugend und unter Arbeiterschichten gezeigt, die von der Bürokratie relativ wenig kontrolliert sind. Doch die Arbeiterklasse hat noch keine strategische Niederlage erlitten, was auch an einzelnen sektoralen Kämpfen sowie der leicht gestiegenen Anziehungskraft der LINKEN (u.a. bei Wahlen) ablesbar ist.

Perspektive

Die sich abzeichnende Abschwächung der Konjunktur sowie die permanenten globalen  Herausforderungen werden das Kapital zu weiteren Angriffen auf die Klasse und ihre Errungenschaften zwingen. Im Zuge dessen wird es zu einer signifikanten Zunahme der Schärfe der Angriffe kommen. Je nachdem, wie gravierend die in der Ökonomie-Entschließung genannten Faktoren (US-Konjunktur, Finanzkrise, Ölpreis, Investitionsprobleme und Profitratenentwicklung, Immobilienblase) durchgreifen, kann die Situation rasch von einer „Atempause“ in eine neue Periode heftiger Angriffe umschlagen. Diese wird aufgrund der schwierigen politischen Situation aber vor allem zuerst wieder als Angriffe auf der Ebene der Betriebe zu spüren sein bzw. vor allem die schon stark gebeutelten Schichten in Arbeitslosigkeit und prekärer Beschäftigung treffen. Außerdem wird sich die unstabile ökonomische Weltsituation unweigerlich in einer weiteren Verschärfung kriegerischer Aktivitäten des Imperialismus auswirken.

Ob die Große Koalition bis zur Bundestagswahl durchhält, wird von diesen Faktoren und der Stärke des Widerstandes und Unmuts in der Bevölkerung abhängen - ebenso wie die Fortsetzung eine Großen Koalition nach den nächsten Wahlen. Vor der nächsten Bundestagswahl wird die SPD zwar einige rhetorische Schwenks „nach links“ machen, andererseits aber ganz klar ihren Regierungskurs fortsetzen. Die LINKE wird ihre „linke“ Seite stärker hervorkehren, v.a. in der Kriegsfrage und hoffen, so in punkto Wahlen massiv zu punkten.

Perspektivisch zeigt sich immer deutlicher eine Annäherung von SPD und der LINKEN, was mittelfristig eine Regierung aus beiden Bestandteilen möglich macht. Aufgrund der genannten Erfordernisse in einem insgesamt instabiler werdenden internationalen Umfeld und einer wackelnden SPD wird die Bourgeoisie alles daran setzen, eine CDU-CSU/FDP-Koalition ans Ruder zu bringen.

Die Arbeiterbewegung ist weiter mit dem zentralen Problem konfrontiert, dass ihr eine klassenkämpferische (ganz zu schweigen von einer revolutionären) Führung wie eine Basisbewegung in Betrieb und Gewerkschaft fehlen, in welcher eine kommunistische Organisation um deren Führung ringt.

Trotz überaus günstiger Bedingungen seit der Jahrhundertwende und wiederholter Versuche der Klasse, sich aus der Umklammerung ihrer reformistischen Führungen zu lösen, hat es die subjektiv revolutionäre oder antikapitalistische Linke nicht geschafft, ihren Einfluss zu vergrößern oder gar dauerhafte Kampfstrukturen, geschweige denn eine kämpfende Partei, zu schaffen.

Vielmehr hat sich die Linke entweder nach rechts entwickelt, um sich an eine vermeintlich nichtrevolutionäre „Stimmung“ der Massen anzupassen (in Wirklichkeit jedoch an die reformistischen Apparate) oder sie hat es aufgrund von kleinbürgerlichem oder zentristischem „Gerede über Revolution“ nicht vermocht, eine politisch-programmatische Alternative zu Reformismus und Zentrismus schaffen. Kurzum, die „radikale Linke“ selbst ist Teil des Problems und nicht der Lösung.

Dabei stellen die Radikalisierung der Jugend und die Kampfbereitschaft neuer Schichten durchaus einen sehr günstigen Boden für Organisierung, für den Aufbau revolutionärer Jugendorganisationen und Gruppierungen wie für den Aufbau einer Basisbewegung in den Betrieben und Gewerkschaften dar. Insgesamt wird sich die Spannung zwischen weiter nach rechts gegangener Gewerkschaftsführung und der Basis der DGB-Gewerkschaften verschärfen und die Möglichkeit der Entstehung weiterer betrieblicher Oppositionen begünstigen.

Kurzum, wir gehen einer Periode weiterer Kämpfe entgegen. Das Tempo der Entwicklung der Schärfe dieser Kämpfe hängt nicht zuletzt von internationalen Faktoren (Zuspitzung von Kriegen, innerimperialistischer Konkurrenz, Weltwirtschaft) ab.

Die offenkundige Zersplitterung der Ansätze von Widerstand und Klassenkampf ist jedoch nicht naiv durch mehr und mehr Koordinierung (so wichtig diese für sich genommen ist), nicht durch mehr und mehr „Organisierung“ oder „Vernetzung“ zu lösen - sondern sie bedarf vor allem der Schaffung einer politischen Organisation, einer revolutionären Partei. Das ist die zentrale Lehre aus dem letzen Klassenkampfzyklus, die zentrale Lehre, warum das Potential des November 2003 und der Montagsdemos nicht realisiert werden konnte. Und das ist die zentrale Lehre, um es in der kommenden Periode besser zu machen.

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