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Irak

Schluss mit der Besatzung!

Kirstie Paton, Neue Internationale 91, Juni 204

In den letzten Monaten wurde jede Rechtfertig des Krieges gegen den Irak und der Besetzung des Landes als plumpe Lüge entlarvt.

Es hieß, Saddam sei für die Anschläge vom 11. September (mit)verantwortlich - bis heute fehlt dafür oder für eine Kooperation mit Al Quaida jeder Beweis. Es hieß, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen - bis heute wurden sie nicht gefunden. Es hieß, dass der Krieg für die Befreiung des Volkes von Diktatur und Unterdrückung geführt worden wäre. 26.000 IrakerInnen - 11.000 ZivilistInnen und 15.000 Soldaten - fielen bis heute der "Demokratie" zum Opfer.

Die Folterungen in Gefängnissen im Irak sollen die Aktion einzelner "schwarzer Schafe" einer ansonsten menschenfreundlichen und aufgeklärten Besatzertruppe gewesen sein. Diese Einzeltäter haben mindestens 1800 Fotos (so viele wurden einer Untersuchungskommission des US-Kongresses vorgeführt) von Folterungen und der Erniedrigung irakischer Gefangener geschossen.

Selbst bürgerliche Journalisten wie der Newsweek-Reporter Michael Hirsh haben die Rolle von Bush, Rumsfeld oder des US Generals Ashcroft hinlänglich dokumentiert. Mittlerweile weiß alle Welt, dass die im Irak bekannt gewordenen Folter- und Verhörmethoden in Guantanamo Bay entwickelt und buchstäblich in den Irak "exportiert" wurden.

Die Folterungen sind nur die Spitze des Eisbergs. Okkupation bedeutet für die Bevölkerung immer Erniedrigung, Menschrechtsverletzungen, Abknallen von ZivilistInnen, Bombardieren einer Hochzeitsfeier, die man versehentlich als "Terrornetzwerk" vermutete.

Wie bei jeder Okkupation geht die Besatzung einher mit einer systematischen, rassistischen Darstellung der irakischen Bevölkerung als zu zivilisierende "Untermenschen", die von den Besatzungstruppen "härter" angefasst werden müssten. Natürlich geht diese rassistische Behandlung nicht einfach von Gefreiten der Besatzungsarmeen aus, sondern wird von der Militäradministration direkt begünstigt und gefördert. Nur so lassen sich Fälle erklären wir der jenes britischen Soldaten, der ohne jegliches "Schuldbewusstein" Schnappschüsse von Folterungen beim örtlichen Fotoshop entwickeln lies, als wären es Bilder von einem Familienausflug.

Stichtag 30. Juni

Für die Regierung Bush und ihre treuesten Verbündeten wie Blair kommt eine Abzug der Truppen "natürlich" nicht in Frage. Im Gegenteil: die US-Truppenstärke wird weiter erhöht, bis Freiheit und Demokratie endgültig gesichert wären.

Notdürftig wird freilich eine neue Lüge aufgetischt: dass am 30. Juni ein großer Tag für die "Wiederherstellung der Souveränität" des Irak wäre. Eine Übergangsregierung würde ab diesem Tag dem Lang Frieden und Stabilität bringen.

Diese Regierung ging selbstredend nicht aus Wahlen hervor. Sie wird vielmehr von der Besatzungsmacht ernannt und zu einem großen Teil aus Mitgliedern des Irakischen Regierungsrates, der aktuellen Marionettenregierung bestehen.

Die Regierung ist so oder so vollständig vom Willen der USA und ihrer Verbündeten abhängig, dass sie sich ohne deren Unterstützung keinen Tag an der Macht halten könnte. Daher ist es auch zweitrangig, wie genau die rechtlichen Befugnisse der Regierung aussehen werden.

Die Mitglieder das bisherigen Regierungsrates sind vor allem durch Vetternwirtschaft und Korruption einerseits, durch willfährige Unterordnung unter die US-Militärs andererseits aufgefallen. Der vorgesehene Premierminister, Iyad Allawi, stand in seinem Exil im Solde des CIA und des britischen Geheimdienstes MI 6. Er war mitverantwortlich für das Dossier über die Schlagkraft der irakischen Raketenwaffen, die der Regierung Blair als Begründung für den Krieg dienten und sich dann doch als plumpe Fälschung entpuppten.

Die USA werden die entscheidende politische Macht im Land bleiben. Der neue US-Botschafter John Negroponte hat allein 3000 Beschäftigte in der Botschaft unter sich. Negroponte ist kein unbeschriebenes Blatt. In den 80er Jahren war er für den Aufbau der nikaraguanischen Contras verantwortlich, um die sandinistische Revolution zu bekämpfen.

Auch die Truppen werden bleiben. Im Momente sind es etwa 140.000 US-Soldaten und 10.000 Briten und weitere Verbündete. Hinzu kommen rund 20.000 SöldnerInnen, die vor allem mit dem Schutz des Eigentums westliche Investoren beschäftigt sind. Solange diese BesatzerInnen im Land sind, gibt es keinen Transfer der Macht.

Die UN wird allem Gezerre Frankreichs, Deutschlands und Russlands zum Trotz die weitere Okkupation absegnen und dafür versuchen, an anderer Stelle mehr Einfluss herauszuschlagen. Doch selbst wenn der Irak unter UN-Verwaltung gestellt werden wäre, würde das nichts grundsätzlich ändern. Es würde nur zu einer anderen Machtteilung unter imperialistischen Räubern und Plünderern, zu mehr Einfluss der EU-Mächte und Russlands führen. Die irakische Bevölkerung würde nur dieselben Unterdrücker mit anderem Namen oder vielleicht eine andere Zusammensetzung der Besatzer sehen. Sonst nichts.

Ausverkauf des Landes

Wer das Sagen im Irak hat, zeigt sich auch darin, wer das Wirtschaftsleben des Landes, den "Wiederaufbau", oder besser den Ausverkauf des Landes kontrolliert. Die US-Regierung geht schon längst an die Privatisierung der irakischen Unternehmen und das Ausschlachten des "Wiederaufbaus" heran. Der britische Economist hat die Situation als "kapitalistischen Traum, als Wunschkatalog" beschrieben, von dem ausländische Investoren und Agenturen "nur träumen können". Die hierzu erforderlichen Gesetze erlässt die Bush-Administration. So hat der US-Präsident mehrere Regierungsdekrete unterzeichnet, die u.a. folgende wirtschaftliche Rahmenbedingungen beinhalten:

Einkommens- und Unternehmenssteuern von maximal 15%;

Aufhebung der Zölle;

Privatisierung von 220 Unternehmen;

Das Recht von Investoren, in jedem Bereich der Wirtschaft (außer im Bereicht natürlicher Rohstoffe) Eigentum zu erwerben, zu investieren und Profite in vollem Umfang zu repatriieren.

Natürlich profitieren die IrakerInnen von diesen, selbst völkerrechtlich umstrittenen Verträgen, die weit über die üblichen üblen Restrukturierungsauflagen des IWF zur "Sanierung" unterdrückter Länder hinausgehen, nicht.

Im Gegenteil: seit der "Befreiung" hat sich die Versorgung der IrakerInnen mit lebenswichtigen Gütern verschlechtert. Nur noch 50% der Bevölkerung haben Zugang zu frischem Wasser (nach "offiziellem" Kriegsende waren es 60%). Gleichzeitig haben große US-amerikanische Multis Großaufträge für den Wiederaufbau erhalten. Der Bechtel-Konzern soll für 3 Mrd. US-Dollar die irakische Infrastruktur sanieren. General Electric soll für 450 Mill. US-Dollar zerstörte Kraftwerke wiederaufbauen. Halliburton-Vorstand und Vize-Präsident Cheney hat dem Tochterunternehmen Kellogg and Root den Großteil der Versorgungsaufträge für die US-Truppen zukommen lassen und dafür auch überhöhte Preise verlangt.

Wer von den Besatzern nicht umgebracht wird, wird von ihnen ausgenommen. Selbst die Erlöse aus dem Verkauf des irakischen Öls bleiben nicht im Land, sondern werden von der US-Zentralbank "verwaltet". 15% der Einnahmen gehen direkt an die USA, um militärische Ausgaben mitzufinanzieren.

Unterdessen sind 70% der IrakerInnen erwerbslos. Von den Besatzungsmächten werden sie nicht beschäftigt, weil sie nach Aussagen der US-Armee "die Truppen vergiften könnten".

Wachsender Widerstand

Diese Aussage wirft unfreiwillig ein bezeichnendes Licht auf die "Befreier". Die "Befreiten" wollen die Besatzer mit allen Mitteln loswerden. Verständlich!

In den letzten zwei Monaten hat sich der Krieg gewandelt. Die Marines wurden zuerst zum Rückzug aus Falludscha gezwungen - und zwar von einem organisierten Massenwiderstand.

Die Milizen sind entlang ethnischer und religiöser Linien aufgebaut - eine Folge der ethnischen Spaltungen des Landes, die von der britischen Kolonialmacht und später auch vom Baath-Regime genutzt und vertieft wurden. Aber in den letzten Monaten kam es auch zu verstärkter Kooperation über diese ethnischen Grenzen hinweg. Das zeigt sich z.B. in der Solidarität der schiitischen Bezirke Bagdads mit dem Aufstand in Falludschja, einer mehrheitlich von Sunniten bewohnten Stadt.

Die Milizen in Falludjasch weigerten sich, der US-Forderung nach Übergabe ihrer Waffen nachzukommen. In Najaf und Nasirayah, wo die italienischen Besatzungstruppen ihre Basis aufgeben mussten, haben die Milizen al Sadrs ihre Hochburgen.

All das weckt die Befürchtung eines Horrorszenarios bei der US-Regierung, eines zweiten Vietnams. Bisher sind rund 800 US-Besatzungssoldaten gestorben. Wenig verglichen mit Vietnam. Aber die USA fürchten mittlerweile eine zunehmende und lang andauernde Aufstandsbewegung, die immer weitere Kreise zieht und immer mehr US-Truppen bindet.

Dann könnten es sich die US-Imperialisten nicht leisten, einfach abzuziehen. Ein solcher Rückzug wäre ein enormer Rückschlag für die Durchsetzung ihre Interessen im Nahen und Mittleren Osten. Es wäre ein Zeichen für alle unterdrückten Länder der Welt, dass die USA verwundbar und schlagbar sind.

Das ist auch der Grund, warum der irakische Widerstand verstärkt werden und von der Arbeiterbewegung und den Unterdrückten auf der ganzen Welt unterstützt werden muss.

Arbeiterklasse

Die Arbeiterklasse muss daher auch die führende Rolle im Widerstand einnehmen. Bisher ist die Widerstandsbewegung von bürgerlich-nationalistischen und islamistischen Kräften dominiert. So heroisch die KämpferInnen gegen die US-BesatzerInnen sind, so arbeiterfeindlich und unterdrückerisch sind letztlich die politischen Ziele ihrer FührerInnen - ein bürgerlicher Staat mit mehr oder weniger starker theokratischer Form, mit Unterdrückung der Frauen und ethnischer und nationaler Minderheiten. Zudem wäre der Irak auch dann noch wirtschaftlich abhängig vom Imperialismus.

Die Arbeiterklasse muss daher eine politische unabhängige Rolle spielen. Dabei kommt der Gewerkschaftsbewegung - der Irakischen Gewerkschaftsföderation - sowie den Erwerbslosenorganisationen eine Schlüsselrolle zu.

Trotz Massenarbeitslosigkeit gibt es noch einige wichtige, sehr konzentrierte Sektoren, wo die Arbeiterklasse stark ist und den Besatzern ökonomisch enormen Schaden zufügen kann. So die ÖlarbeiterInnen in der Großraffinerie Al Dawra, die TransportarbeiterInnen, v.a. bei der Eisenbahn und die Docker in Basra, wo ein Großteil der Güter verschifft wird.

Um ihren Einfluss geltend zu machen, muss die Arbeiterbewegung zentrale soziale Fragen und den Kampf gegen die Frauenunterdrückung wie auch für das Selbstbestimmungsrecht der KurdInnen aufgreifen. Sie muss dabei deutlich machen, dass sie einen grundsätzlich anderen Irak aufbauen will als die Nationalisten und Islamisten, einen Irak der ArbeiterInnen.

Andererseits wird die Arbeiterbewegung aber nur dann eine hegemoniale, führende Rolle im Widerstand spielen können, wenn sie auch den militärischen Widerstand gegen die Okkupation unterstützt und eigenständige Milizen aufzubauen beginnt.

Während die irakischen Nationalisten und die Islamisten eigene politische Gruppierungen haben, die die Interessen verschiedener Teile der Unternehmer, der Großgrundbesitzer und des Kleinbürgertums ausdrücken und auf dem Boden des Privateigentums stehen, fehlt den ArbeiterInnen eine politische Kraft, die ihre sozialen aktuellen und zukünftigen Interessen ausdrückt. Sie brauchen dazu eine Partei, die den Kampf gegen die Besatzung mit dem Kampf für die soziale Befreiung, für die sozialistische Revolution und ihrer Ausweitung auf den gesamten Nahen Osten verbindet.

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Nr. 91, Juni 2004

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