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Syrien

Die Konterrevolution droht alles zu ersticken

Martin Suchanek, Neue Internationale 212, September 2016

Ende August startete die Regierung Erdogan ein weiteres reaktionäres Abenteuer. Im Verbund mit von ihr kontrollierten islamistischen Milizen marschierte sie in Nordsyrien ein und besetzte Dscharabulus - angeblich, um gegen Daesh (den sog. Islamischen Staat) zu kämpfen. In Wirklichkeit richtete sich der Angriff, wie Erdogan unumwunden zugibt, gegen die KurdInnen und dient „natürlich“ auch dazu, Mitspracherechte bei der Neuordnung Syriens zu erhalten. Die USA übt Druck auf ihren taktischen Verbündeten, die PYD, aus, sich ihrerseits zurückzuziehen.

Zwischen der Offensive von Assad und Russland, der US-Politik und Regionalmächten wie Erdogans Türkei drohen die verbliebenen Kräfte der demokratischen Revolution und die KurdInnen zerrieben zu werden.

Im Juli hatte das Assad-Regime mithilfe seiner Verbündeten Russland, Iran und der libanesischen Hisbollah eine Offensive gegen Aleppo, eine der letzten Hochburgen des Aufstandes gegen den Diktator, geführt. Auch wenn der Kampf noch nicht entschieden ist, so ist offenkundig, dass das Regime entschlossen ist, die verbliebenen 250.000 EinwohnerInnen der einstigen Millionenstadt auszuhungern und den Widerstand mit allen Mitteln zu brechen.

Aleppo

Zweifellos befinden sich unter den Verteidigern der Stadt auch erz-reaktionäre islamistische Kräfte. Das ändert aber nichts daran, dass die Verteidigung Aleppos gegen Assad berechtigt und ein essentieller Bestandteil des Kampfes gegen das Regime ist, das nach wie vor der Hauptfeind der syrischen Massen ist. Es ist außerdem auch eine Lüge, dass die Islamisten die zahlenmäßig stärkste Kraft unter den Aufständischen wären, auch wenn ihr  Einfluss zunimmt, weil sie besser finanziert und ausgerüstet werden. Aber diese Entwicklung kann letztlich nur der bekämpfen, der die demokratische Revolution gegen ein Regime verteidigt, das nicht nur für Neo-Liberalismus und Despotismus steht, sondern auch für den Tod Hunderttausender und die Vertreibung von Millionen verantwortlich ist.

Die westlichen imperialistischen Mächte haben längst ihre immer schon verlogene „Unterstützung“ der syrischen Revolution aufgegeben, sie haben sich mit einer Rekonsolidierung des Regimes und dem Einfluss Russlands abgefunden. Für die USA, die EU-Mächte geht es wie für Russland und die verschiedenen regionalen Regime einzig darum, ihren Anteil an der Neuordnung Syriens zu sichern.

Das ist auch ein zentraler Grund für die türkische Invasion. Nachdem kurdische Verbände und ihre Verbündeten aus Teilen der FSA mit Unterstützung der USA Manbidsch erobert und vom „Islamischen Staat“ gesäubert hatten, sah sich die Türkei zum Eingreifen genötigt. Gerüchteweise wird von Absprachen mit dem syrischen Regime berichtet, was auch zur Annäherung Erdogans an Russland passen würde. Vor allem aber geht es darum, die Konsolidierung eines kurdischen Gebietes zu verhindern und auch die Kooperation der USA mit der kurdischen Führung zu sabotieren.

Auch wenn es zweifellos legitim ist, dass sich die KurdInnen Waffen und materielle Mittel für ihren Kampf gegen den Islamischen Staat und dessen völkermörderische Politik beschaffen, wo es ihnen möglich ist, so sind die USA alles andere als verlässliche Verbündete des kurdischen Volkes. Diese Erfahrung mussten auch die demokratischen Kräfte der syrischen Revolution machen, die ihre Illusionen in den westlichen Imperialismus heute bitter bezahlen müssen.

Führungskrise

Umso tragischer erweist sich die Tatsache, dass die Führungen dieser bürgerlichen oder kleinbürgerlich-demokratischen Kräfte an ihren Hoffnungen in den Westen umso hartnäckiger festhalten, je illusorischer sie sich erweisen. Es ist zu befürchten, dass die PYD denselben Weg gehen wird. Jedenfalls gibt es keine Garantien in deren Führung, Politik und Ideologie. Diese Partei will keinen entschiedenen Bruch mit dem Kapitalismus, sondern einen „Dritten Weg“ zwischen Neo-Liberalismus und Planwirtschaft einschlagen, sie will keine Räteherrschaft der ArbeiterInnenklasse, sondern eine „echte“ bürgerliche Demokratie. Sie will keine internationale Ausweitung der Revolution, sondern respektiert die vom Imperialismus gezogenen Staatsgrenzen.

Genau hier - in der Krise der proletarischen Führung - liegt die Achillesferse der syrischen Opposition wie der kurdischen Bewegung.

Das ändert freilich nichts daran, dass in der Stunde der Not die internationale ArbeiterInnenbewegung und die Linke eine klare Position zur Unterstützung von Rojava und der syrischen Revolution einnehmen müssen. Nur so können überhaupt die Bedingungen verteidigt werden, die den Aufbau einer revolutionären Alternative, einer ArbeiterInnenpartei ermöglichen, die sich auf ein Programm der permanenten Revolution stützt.

Wir sagen daher NEIN zur türkischen Invasion! Wir fordern den sofortigen Abzug der imperialistischen Mächte - seien es die USA, Russland, EU-Staaten oder, neuerdings auch, China - sowie der verschiedenen Regionalmächte! Nieder mit dem IS, nieder mit Assad! Aufhebung des Embargos gegen Rojava und die syrische Opposition - Waffen ohne Bedingungen für den Kampf gegen Daesh, Assad und Erdogan! Für die syrische Revolution, für das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes!

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Nr. 212, September 2016

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