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Antimuslimischer Rassismus

Nein zum Burkaverbot!

Martin Suchanek, Neue Internationale 212, September 2016

Nicht nur unter offenen RassistInnen, ChauvinistInnen, im Regierungslager und bis in die reformistische ArbeiterInnenbewegung hinein hat der Ruf nach dem Verbot der Burka AnhängerInnen zuhauf. Selbst in der „radikalen“ Linken überlegen manche, ob sie ein staatliches Verbot nicht doch unterstützen sollten.

Während die RechtspopulistInnen von der AfD oder die CSU ein durchgehendes Verbot der Ganzkörperverschleierung wollen, erheben die Innenminister der CDU/CSU in einer „Berliner Erklärung“ vom 19. August diese Forderung „nur“ für Schulen, Unis, Kitas und den Öffentlichen Dienst: damit solle mehr „Sicherheit“ und auch mehr „Integration“ geschaffen werden.

Die Behauptung, dass von den 1000 bis 2000 Frauen, die in Deutschland eine Ganzkörperverschleierung tragen, eine besondere Gefährdung ausgehe, ist zwar selbst Innenminister De Maizière zu blöde - das hindert ihn freilich nicht, über ein „begrenztes“ Verbot nachzudenken.

Inszenierung

Schließlich wäre ja auch die Bevölkerung dafür. Zeitgerecht zur medial inszenierten „Debatte“ werden reihenweise Umfragen veröffentlicht, die Mehrheiten von bis zu 80 Prozent für ein Totalverbot von Burka und Kopftuch ausweisen. Sodann springen rechte, reaktionäre, konservative „OrdnungspolitikerInnen“ auf den Zug auf, den sie selbst erst ins Rollen gebracht haben. Wer möchte auch die Ängste aller jener SpießbürgerInnen und AnhängerInnen der deutschen „Leitkultur“ ignorieren, die in der Regel nie eine Frau mit Burka gesehen haben, geschweige denn irgendein Interesse an deren Integration oder an Befreiung von Sexismus und Patriarchat haben. Der echte Reaktionär folgt dem Volk, das er selbst in Marsch gesetzt hat!

Während rechte PopulistInnen, AbendlandsverteidigerInnen oder FaschistInnen ihren Rassismus entweder notdürftig verschleiern oder ihr völkisches Gehabe einfach salonfähig machen wollen, begründen die AnhängerInnen der Verbotsforderung aus den „etablierten“ Parteien, aus dem konservativen, sozialdemokratischen, grünen oder gar linken Lager ebendiese mit ihrer Sorge um die Frauenbefreiung.

Frauenbefreiung?

Dass Burka oder Hidschab auch Ausdruck jahrhundertealter Formen der Unterdrückung sind, ist sicher richtig. Das unterscheidet sie jedoch nicht von ähnlichen Symbolen der christlichen Tradition, z. B. dem Schleier von Nonnen, die gern gesehene und gut integrierte Erzieherinnen an katholischen Schulen sind.

Das gehört, wie jeder Nationalist weiß, zu „unserer Kultur“. Die Burka, der Hidschab und andere Kopfbedeckungen oder Körperverschleierungen muslimischer Frauen hingegen sind der deutschen Leitkultur fremd.

Bei der Verbotsforderung geht es nicht um die Befreiung der Frauen, sondern um deren Unterordnung unter ebendiese „Kultur“ der herrschenden Nation. Daher ist die Forderung im Kern rassistisch. Sie ist Teil der ideologischen Rechtfertigung der gesellschaftlichen, politischen wie sozialen Benachteilung und Unterdrückung von MigrantInnen und Flüchtlingen aus den Ländern des Nahen Ostens oder aus Afrika und dient auch noch als Rechtfertigung zur imperialistischen Intervention in ebendiese Länder.

Daher müssen nicht nur die Verbotslosung, sondern auch alle damit einhergehenden kulturalistischen Begründungen zurückgewiesen werden.

Gerade weil die ArbeiterInnenbewegung und die Linke die reale Unterdrückung der Frauen in allen Formen bekämpfen müssen, also auch die realen Hindernisse, die eine Religion wie der Islam und das Patriarchat darstellen, ist es unerlässlich, gegen die Verbotsforderungen vorzugehen. Sie stigmatisiert gerade jene Frauen, die sie zu „befreien“ vorgibt. Die muslimischen Frauen - zumal die Trägerinnen von Burka oder Hidschab - erscheinen dabei als mögliche Terroristinnen, Integrationsverweigerinnen oder als unmündige Opfer, die nur durch die paternalistische Sorge wohlmeinender Herrenmenschen gerettet werden können - notfalls auch vor sich selbst, wenn sie partout den Schleier nicht ablegen wollen. Was die muslimischen Frauen wirklich denken, ist dabei vollkommen egal.

Daher ist der Kampf gegen die rassistischen Zuschreibungen ein Bestandteil des Kampfes gegen Frauenunterdrückung. Diese kann nicht durch staatliche Bekleidungsvorschriften und rassistischen Zwang gebrochen werden.

Vielmehr geht es darum, den Kampf für demokratische Rechte zentral zu forcieren - also für die Abschaffung aller Hindernisse für die Frauen oder deren Kinder zur Teilnahme am Bildungssystem, öffentlichen Leben, bei Behörden und vor allem in der Arbeitswelt. Nur so kann eine Verbindung zu den Kämpfen und zum Leben aller lohnabhängigen Frauen (und auch Männer) geschaffen werden. Für Frauen, die Opfer häuslicher patriarchaler Gewalt (einschließlich des Zwanges, eine Burka zu tragen) werden, braucht es keine staatlichen Verbote bestimmter Kleidung, sondern ein aktives Vorgehen gegen häusliche Gewalt sowie sichere Frauenhäuser, den Rechtsanspruch auf ein Mindesteinkommen, auf eine Wohnung für sich und ihre Kinder.

Dies wären zentrale Aufgaben für die ArbeiterInnenbewegung, für die Gewerkschaften, für linke Organisationen und Parteien. Zugleich könnte so ein wichtiger Schritt zur Schaffung einer multiethnischen, internationalistischen, antirassistischen Frauenbewegung getan werden.

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Nr. 212, September 2016

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