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Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken (IVG)

Gewerkschaftslinke aufbauen!

Frederik Haber, Neue Internationale 184, November 2013

Am 7./8. November wird in Bochum der Kongress der Gewerkschaftslinken tagen. Vor welchen Aufgaben steht sie? Wie kann sie zu einem wirklichen Faktor in der Gewerkschaft und im Klassenkampf werden?

Alles Schönreden hat nicht geholfen. Seit dem großen Krisenschock kommt die kapitalistische Weltwirtschaft nicht mehr wirklich vom Boden hoch. Aufschwünge in einzelnen Ländern sind kurzzeitig und werden von Einbrüchen in anderen Regionen aufgehoben. Auch Krisengewinnler Deutschland konnte seine Position zwar v.a. auf Kosten Südeuropas ausbauen, doch diese Entwicklung hat die EU in eine Finanzkrise gestürzt und schlägt nun wie ein Bumerang auf Deutschland zurück. Das mühsame „Weiter so!“ der Weltwirtschaft wird mit immer neuen Finanzspritzen und Schulden bezahlt.

Strategie des Kapitals

Die Strategie des deutschen Kapitals, sich mit Reallohnverlust, Niedriglohn und Leiharbeit (Agenda 2010) für die internationale Konkurrenz zu wappnen, verlangte von der Arbeiterklasse viele Opfer; noch dramatischer sind die Sparprogramme für andere Länder. Jetzt wird hierzulande die nächste Runde des Sozialabbaus vorbereitet, kommende Entlassungen und Betriebsschließungen zeichnen sich ab.

Der Kurs der Gewerkschaftsführungen, sich den Forderungen von Kapital und Regierung anzupassen, schien vordergründig aufzugehen. Die Agenda-Maßnahmen trafen nur eine Minderheit der Beschäftigten, v.a. die „Randbelegschaften“, nur schwach unorganisiert sind und sich kaum Gehör verschaffen konnten. Auf dem Höhepunkt der Krise 2009 wurden die Stammbelegschaften größtenteils mit Kurzarbeit gehalten - die Opfer waren besonders hunderttausende LeiharbeiterInnen. Aber es traf auch schon traditionelle Kampfbetriebe, was v.a. die IG Metall stark geschwächt hat.

Das hat die Führung der IG Metall jedoch nicht daran gehindert, sich ihres „Erfolges“ bei der Kollaboration mit Regierung und Kapital zu rühmen. Der „Dank“ dafür sind neue Angriffe: Werkverträge als „dreckige Form“ der Leiharbeit, Forderungen nach Lohnsenkungen auf breiter Front, Sparprogramme in allen Konzernen der Auto-Industrie, Schließungen und Verlagerungen. Für Kommunen und den Öffentlichen Dienst wird die Durchsetzung der Haushaltsbremse zum Abbau von Arbeitsplätzen und sozialen Errungenschaften führen.

Die Logik der Anpassungspolitik von Huber/Wetzel, Bsirske und Sommer wird zu weiteren Opfern und Niederlagen führen. Die „Verzichtstarifrunden“ 2013 waren darauf schon ein Vorgeschmack, ebenso der Ausverkauf der Opel-Belegschaft in Bochum durch die IG Metallspitze. Diese Politik des DGB führt aber auch zur Unterstützung der maßgeblich von Deutschland vorangetriebenen Troika-Politik gegenüber den  „Krisen“-Ländern und zur Unterstützung von Aufrüstung und Waffenhandel. Die offene Unterstützung für eine Große Koalition durch die Gewerkschaftsspitzen ist wie eine Aufforderung für neue Angriffe durch die nächste Bundesregierung.

Die Anpassungspolitik hat die Gewerkschaftsbewegung dazu erzogen, dass jede Belegschaft für sich gegen die „Konkurrenz“ steht, sei es innerhalb einer Branche, eines Konzerns oder international. Selbst innerhalb der Belegschaften wurde der Spaltungspolitik des Kapitals wenig entgegengesetzt, tw. wurde diese auch von Betriebsräten mitgemacht - nach dem Motto „Das Hemd ist uns näher als der Rock“, d.h. die Interessen „des Unternehmens“ - sprich: des Unternehmers - sind uns näher als jene der Belegschaft, die uns gewählt haben. So wurde und wird die gewerkschaftliche Grundidee, dass Stärke aus der breitest möglichen Solidarität aller Beschäftigten kommt, unterminiert.

Widerstand

Doch dagegen gab und gibt es auch Gegenbewegungen: in Bereichen wie Einzel- und Versandhandel, auf Flughäfen, im Reinigungsgewerbe oder im Öffentlichen Dienst, die in der Vergangenheit selten oder nie konfliktfähig waren, haben in den letzten Jahren Zehntausende gestreikt, Tarifverträge und Betriebsräte erkämpft.

Auch in den - weniger gewordenen - „Kampfbelegschaften“ flackerten Kämpfe auf. Diese bleiben aber vereinzelt, weil sie von den Gewerkschaftsführungen bewusst isoliert wurden und weil sich eine „Jeder für sich“-Einstellung in den letzten Jahren durch die Standortpolitik breit gemacht hat.

Teilweise haben Beschäftigte dazu gegriffen, mit Spartengewerkschaften Kämpfe zu führen, die ihnen von den traditionellen Organisationen verweigert wurden, z.B. die Lokführergewerkschaft GdL. Der Versuch von Kapital, Regierung und DGB-Spitze, diese unter dem Slogan der „Tarifeinheit“ auszuschalten, ist vor zwei Jahren zum Glück misslungen - nicht zuletzt, weil viele DGB-Mitglieder verstanden haben, dass damit Gewerkschaftsrechte allgemein angegriffen werden. Eine Große Koalition wird diesen Angriff aber sicher erneuern.

Die Kämpfe gegen die Überausbeutung von LeiharbeiterInnen besonders über Werkverträge haben ebenso zugenommen wie der Druck der Unternehmer, diese Niedriglohnbereiche weiter auszudehnen. Regelungen über Tarifzuschläge oder Branchenmindestlöhne haben die Bewegung nicht wirklich befrieden können.

2013 konnten die Tarifverträge für Leiharbeit erstmals nicht völlig hinter dem Rücken der Gewerkschaftsöffentlichkeit geführt werden, wenn auch Verhandlungstermine und -orte weiter geheim waren.

Der erneute schändliche Abschluss hat deutlich gemacht, dass - obwohl die überwältigende Mehrheit der Arbeiterklasse Leiharbeit ablehnt - die Führungen von IGM, ver.di und DGB grundsätzlich an diesem Konzept festhalten. Daraus ergibt sich, dass eine Bewegung in den Gewerkschaften gegen Verzicht und Ausverkauf sich zentral auf den Kampf gegen Leiharbeit und Niedriglöhne konzentrieren muss und stützen kann.

Solidarität

Alle Belegschaften und Schichten, die in den Kampf treten, müssen unterstützt werden, müssen vernetzt werden. Sie müssen vor dem Ausverkauf durch die derzeitigen Gewerkschaftsführungen gewarnt werden.  Die Gewerkschaftslinke muss ihnen praktische Mittel in die Hand geben, diesen Ausverkauf zu bekämpfen, den Kampf effektiv zu führen und Unterstützung durch andere Belegschaften zu erhalten.

Deshalb stellen wir neben unsere Forderungen, die wir als „Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken“ in den letzten Jahren entwickelt haben, auch Vorschläge, wie wir dafür kämpfen können:

Für einen Mindestlohn! Dieser müsste heute bei mindestens 12,30 Euro liegen, wenn die Grenze zur Armutsgefährdung überschritten werden soll. Gegen Leiharbeit, Werkverträge u.a. Formen prekärer Beschäftigung! Gegen Streikbruch durch Leiharbeit! Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

Verteidigung von Tarifverträgen! Gegen die Einführung von Einstiegslöhnen u.a. Tarifunterschreitungen! Der „Offene Brief“ an Huber 2012 - wie auch der an Wetzel - zeigt, wie wir das praktisch aufgreifen können bis weit in die Funktionärskreise hinein.

Gegen Rentenkürzungen und die Erhöhung des Renteneintrittsalters!

Gegen die Herstellung einer „Tarifeinheit“ in den Betrieben, wie Gesamtmetall sie erneut fordert. Dagegen setzen wir auf die gewerkschaftliche Einheit im Kampf gegen die Unternehmer auf der Basis von demokratisch bestimmten gemeinsamen Forderungen und Tarifverhandlungen und Kämpfen, die direkt durch die Basis kontrolliert werden: durch Vollversammlungen aller gewerkschaftlich Organisierten einer Branche, gewählte Streikkomitees, öffentliche Verhandlungen, jederzeitige Abwählbarkeit der Verhandlungsführung und der Streikleitungen!

Gegen Betriebsschließungen! Unterstützung von kämpfenden Belegschaften! Dazu müssen andere Betriebe des Konzerns, der Branche (auch international) oder der Region einbezogen werden! Wahl der Kampfführung durch die Belegschaften! Betriebe, die geschlossen werden sollen, müssen sofort dem Schließenden weggenommen und unter Arbeiterkontrolle verstaatlicht werden!

Dafür müssen mehr Basisgruppen in Betrieben und Städten aufgebaut und gewonnen werden! Es gibt durchaus schon solche Gruppen. Gemeinsame Initiativen wie gegen die Tarifeinheit, gegen Leiharbeitstarifverträge oder gegen Hubers Angriffe auf die spanischen Gewerkschaften sollen auch deutlich machen, dass koordinierte gemeinsame Strukturen nötig sind, wenn wir erfolgreich agieren wollen. Aus dem gemeinsamen Agieren und gemeinsamen Entscheiden kann auch ein besseres  Verständnis der Lage und unserer Aufgaben und Möglichkeiten wachsen.

Nötig ist also, die Vernetzung weiter zu treiben, indem die Gewerkschaftslinke mehr KollegInnen davon überzeugt, dass gemeinsames Handeln auf gemeinsamer Grundlage nötig ist. Gelegentlicher Meinungsaustausch und gemeinsame Empörung reichen bei weitem nicht, um gegen die „Co-Manager“ vorzugehen, die fast alle wichtigen Stellen im Apparat und den Betriebsräten besetzen.

Gegen den Klassenkampf seitens des Kapitals müssen wir auf klassenkämpferische Methoden unserseits setzen - nicht auf Sozialpartnerschaft. Gegen die bürokratischen Vorgaben des Apparats setzen wir auf eigene Meinung, eigene Initiative und selbstständiges Handeln. Statt auf formaldemokratische Rituale setzen wir auf eine grundlegende Demokratisierung: In jedem Kampf müssen die Betroffenen entscheiden.

Mit der und um die Gewerkschaftslinke muss eine klassenkämpferische Basisbewegung aufgebaut werden, die sich auf handlungsfähige Strukturen im Betrieb und in der Gewerkschaft stützt und die mit anderen Bereichen von Widerstand und Protest und mit den sozialen Bewegungen verbunden ist.

Sie muss all jene organisieren, die schon kämpfen oder kämpfen wollen und versuchen, neue Schichten in den Kampf zu ziehen. Diese  Basisbewegung muss bundesweit (und international) koordiniert werden. Sie muss sich demokratische Strukturen geben und ein klassenkämpferisches Aktionsprogramm erarbeiten. Sie muss nicht nur die Politik der Bürokratie kritisieren, sondern eine politische und organisatorische Alternative zu ihr aufbauen!

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Nr. 184, November 2013
*  Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken: Gewerkschaftslinke aufbauen!
*  Koalitionsverhandlungen: Für Frauen nichts zu lachen
*  Heile Welt
*  Tarifrunde Einzelhandel: Es steht Spitz auf Knopf
*  Norgren-Großbettlingen: Vom Streiken und Tricksen
*  Berliner GEW-Streik: Welche Perspektiven?
*  Weltwirtschaft: Aufschwung à la Titanic
*  Argentinien: Wie weiter für die "radikale Linke"?
*  Brasilien: Boom auf tönernen Füßen
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*  Revolutionärer Lesezirkel: Klassenkampf an die Uni tragen
*  Nachruf auf eine Genossin: Michaela hat uns verlassen
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