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Dresden

Kampf dem Faschismus!

Tobi Hansen, Neue Internationale 166, Februar 2012

Am 18. Februar werden AntifaschistInnen aus ganz Deutschland und Europa in Dresden der jährlichen Großdemo der Nazis entgegen stellen. Unklar ist bislang aber, ob die Nazis überhaupt kommen. Immerhin haben sie jetzt zwei Jahre hintereinander deutliche Niederlagen erlitten und konnten ihre „Gedenkdemo“ für die Opfer der Luftangriffe nicht durchziehen. Die Blockaden mit tausenden AktivistInnen haben den FaschistInnen und den Bullen gezeigt, dass eine antifaschistische Massenaktion erfolgreich sein kann und an diesem Tag die Staatsmacht eben nicht den Weg für die Nazis freiprügeln kann.

Zumindest eine rechte Demo ist angemeldet. Die „Freien Kräfte“ organisieren einen „Trauer/Fackelmarsch“ am 13. 2. Derzeit weist jedoch nichts auf eine Mobilisierung der Nazis für den 18. Februar hin. Die letzten beiden Jahre organisierte die Junge Landmannschaft Ostpreußen die „Großdemos“ am Wochenende. Das Versagen der JLO dabei hat wohl dazu geführt, dass andere relevante regionale Kräfte ihnen die Unterstützung entzogen haben.

Egal, wann und wo die Faschisten im Februar in Dresden aktiv werden: wichtig wird sein, dass ihnen geeinter und entschlossener Widerstand entgegentritt! Deshalb ist es auch wichtig, dass die Linke ihre Mobilisierung aufrecht erhält.

Der vermeintliche Rückzug der Nazis aus Dresden sollte nicht verwechselt werden mit einem „Sieg“ über die rechtsextremen Kräfte in der BRD. Die objektiven Verhältnisse, d.h. die imperialistischen Krise, die damit einhergehende verschärfte Konkurrenz innerhalb des Kapitals und des Kleinbürgertums sowie die Verschlechterungen für immer größere Schichten - all das ist  der Nährboden für rechte Ideologie und rechtsextreme Organisationen. Die andere Seite des Problems besteht darin, dass die reformistische Arbeiterbewegung (SPD, LINKE, DGB) komplett darin versagt, einen energischen Kampf gegen Krise und Sozialabbau zu führen. Indem sie sich so als glaubhafte gesellschaftliche Alternative selbst demontieren, spielen sie - wenn auch ungewollt - den Rechten, die sich gern als radikale Alternative gebärden, in die Karten. So wichtig militante Mobilisierungen gegen die Nazis auch sind - letztlich geht es darum, die Ursache für Faschismus und Rassismus zu beseitigen - den Kapitalismus - und nicht nur gegen seine rechtsradikalen Symptome anzugehen. Dazu ist aber eben objektiv nur die Arbeiterklasse in der Lage und keine noch so militante Antifa.

Im Folgenden wollen wir uns mit verschiedenen rechten Strömungen und Organisationen beschäftigen und deren Verfasstheit und Perspektiven knapp skizzieren.

Aktuell ist die Entdeckung der „NSU“-Attentatsgruppe, welche unter reger Beobachtung des Verfassungsschutzes ihre feige Gewalt ausüben durfte. Während bestimmten Teilen der nationalen Rechten dieser Fall gar nicht in die Karten spielen dürfte, werden die Attentäter der NSU in Internetforen der Nazis gefeiert und gleichzeitig Morddrohungen gegen AntifaschistInnen lanciert. Dieser Fall müsste allen Linken, welche im Kampf gegen den Faschismus auf den bürgerlichen Staat hoffen, eine Lehre sein. Verbotsforderungen oder eine stärkere Kontrolle des Verfassungsschutz, durch eben den Staat, der ihn hervorbringt, bringen gar nichts.

Die NPD

Diese Partei ist die führende Kraft des Rechtsextremismus in Deutschland. Sie stellt zwei Landtagsfraktionen und hat eine bundesweite Struktur. In den letzten Jahren wurden Teile der DVU übernommen. Kameradschaften, Freie Kräfte oder Landsmannschaften agieren als Vorfeldstrukturen, wie auch die „Jungen Nationalisten“ (JN) als Jugendorganisation. Gerade die JN ist vielerorts die Schnittmenge der Partei zu den Kameradschaften, allerdings ist dieses Verhältnis nicht ohne Widersprüche, wie der Führungswechsel bei der NPD zeigt. Der sächsische Fraktionschef Holger Apfel hat jetzt Udo Voigt als NPD-Vorsitzenden abgelöst. Apfel will die NPD stärker als bisher auf das konservative Kleinbürgertum ausrichten; sein Motto dabei: „Arbeit,  Familie, Heimat“.

Was den Umgang mit Gewalt angeht, so distanziert Apfel sich etwas deutlicher als Voigt von den Kameradschaften. Dabei legt die NPD-Führung v.a. auf Seriosität wert. Beide Landtagsfraktionen wollen sich als „Anwalt“ der „kleinen (deutschen) Leute“ präsentieren, wollen deutsche Werte vertreten und die deutsche Familie schützen - in Konkurrenz zu CDU/FDP.

Die NPD soll zur nationalen „Volkspartei“ entwickelt werden, welche die konservativsten Kreise der Union gewinnen könnte und somit auch für das deutsche Kapital, zumindest dessen Kleinbürgertum, interessant würde. Zuletzt versuchten die „Republikaner“ dieses Projekt, mit zweistelligen Ergebnissen in Baden-Württemberg und dem Einzug ins EU-Parlament Anfang der 90er Jahre.

Diese Ausrichtung der NPD kann zu stärkeren Konflikten mit den militanten Kameradschaften und Freien Kräften führen, speziell mit den „Autonomen Nationalisten“ (AN).

Die Fußtruppen unter Verdacht

Durch die Entdeckung der NSU stehen derzeit die verschiedenen Kameradschaften, Freien Kräfte etc. unter besonderer Beobachtung. In diesen Kreisen gibt es seit Jahrzehnten der rechtsextremen Militanz immer einen Rückzugspunkt bzw. Sammelbecken für „terroristische“ Kräfte. Die Wehrsportgruppe Hoffmann hatte in den 70er Jahren mehr als 400 Nazis paramilitärisch ausgebildet, diese dienten klassisch als Saalschutz für die NPD und DVU. Ebenfalls baute der Nazi Kühnen in den 80ern die Wehrsportgruppe Wolf auf. Damals verfügten die Nazis schon über eine militante Struktur. Neonazistische militante Strukturen sind also nichts Neues in der Geschichte der BRD, ebenso wie nicht neu ist, dass es Verbindungen zum offiziellen Staatsapparat gibt. Bei den Gruppierungen der alten BRD waren es oft Bundeswehroffiziere oder Polizeibeamte, die meist die Führung und Ausbildung übernahmen, heute liefert der Verfassungsschutz V-Leute mit Geld, Informationen, Ausweisen und Schutz.

Jede Verbindung der NSU zu Kreisen der NPD schadet daher der derzeitigen taktischen Ausrichtung der Partei, ähnlich erging es der rechtspopulistischen norwegischen „Fortschrittspartei“ als bekannt wurde, dass Massenmörder Breivik lange Zeit Parteimitglied war.

Die NPD versucht einen Spagat: auf der einen Seite wollen sie als nationale Volkspartei agieren und lehnen offiziell Gewalt als Mittel der Politik ab; andererseits sind gewaltbereite Nazis die ideologische und meist auch organisatorische Basis der Partei. Inwieweit die „seriöse Radikalität“ von Holger Apfel das meistern kann, ist noch unklar.

Daraus ergibt sich auch der Konflikt mit den „Autonomen Nationalisten“ und ihrem „Antikapitalismus“. Dort wird direkt der Schwarze Block kopiert, nur eben jetzt als „nationaler“. Hier findet sich auch die alte nationalsozialistische „Kapitalismusdefinition“ inkl. „jüdischer Hochfinanz“ und allen möglichen antisemitischen Verschwörungstheorien gegen das deutsche Volk. Diese geben sich sehr kritisch gegenüber den „Parteibonzen“, allerdings finden sie in Mecklenburg-Vorpommerns Führerlein Pasteurs ihren Ideologen auch in der Parteispitze. Die AN sind eine zusätzliche militante Naziszene, welche  gegenüber den Bullen (im Gegensatz anderen Nazis) und Linken aggressiv vorgehen.

Sarrazins Mainstream

Auch wenn die NPD durch Sarrazins Buch und dessen rassistische Thesen nicht automatisch Wahlerfolge feiern konnte, so war dies natürlich eine wichtige gesellschaftliche Weichenstellung. Immerhin betrieb der ehemalige Spitzenpolitiker deutliche Rassenlehre, verkaufte millionenfach seine Hetzschrift und veranstaltet Lesungen in der ganzen Republik. Bei den Lesungen spricht Sarrazin stets vor vollem Haus, dort sammeln sich die Teile des Kleinbürgertums und der Mittelschichten, welche empfänglich für rassistische Ideologien sind. Dieses Milieu ist entscheidend für eine erfolgreiche Rechte, sie sind in vielen anderen EU-Staaten inzwischen die Basis für rechtspopulistische oder rechtsextreme Formationen.

Die „Freiheits“ Partei in den Niederlanden, die „Wahren Finnen“ oder auch die „Jobbik“ in Ungarn stützen sich auf sie. Auf diese Schichten zielen auch hierzulande  Neugründungen (Die Freiheit, Pro-Köln/Deutschland), welche versuchen, eine populistische rechte Partei aufzubauen.

Solche Neugründungen betreiben antiislamische Hetze und versuchen, auf den europäischen Trend aufzuspringen, wie sie auch den „ehrlichen Unternehmer“ vor der Eurokrise schützen wollen und auf die sozial Schwachen einprügeln. In Deutschland versuchte die FDP bislang diese „besserverdienenden“ selbst-ernannten „Leistungsträger als Partei anzusprechen, doch sie ist im Niedergang bzw. konnte die Interessen des Kleinbürgertums und der Mittelschichten nicht genügend vertreten.

Während die „Freiheit“ oder die PRO-Gründungen auf keine realen Erfolge verweisen können, wird für 2013 eine Kandidatur rechts von CDU/FDP vorbereitet, welche aus ihren Reihen stammt: die „Freien Wähler“ (FW). Diese kleinbürgerliche Ansammlung wurde in Bayern von ehemaligen CSU-Kommunal-Funktionären gegründet und hatte 2008 mit 10,2% bei den dortigen Landtagswahlen großen Erfolg. Teile der FW verstehen sich auch eher als kommunale Bewegung und weniger als Partei. Durch den Beitritt von ex-BDI-Chef Henkel und seine Kandidaturabsichten zu den Bundestagswahlen 2013 hat sich diese Frage aber endgültig geklärt. Auch wenn die FW noch nicht zum rechtsextremen Spektrum gehört, kann dies ein Schritt zu einer neuen kleinbürgerlich-national-liberale Formation sein.

Innerhalb des Kleinbürgertums und lohnabhängigen Mittelschichten gibt es derzeit Umgruppierungen. Während ein „linker“ Teil derzeit verstärkt zwischen Grünen und Piraten pendelt, verlässt eine Teil ihres rechten Spektrums FDP und CDU/CSU. Henkel und Baring, sonst Lautsprecher der Regierung, wenden sich ab und orientieren sich auf die nationalen „Mittelschichten“, gern auch „Leistungsträger“ genannt - mit Hetze gegen den Euro und Südeuropa.

Gegen Faschos und Kapitalismus

Bei diesen Formierungsprozessen ist nicht ausgeschlossen, dass auch in der BRD eine rechtspopulistische Kraft Wahlerfolge feiern könnte, wie es die Schill-Partei 2001 in Hamburg mit 19,4% schaffte.

Für die Linke, die Arbeiterklasse und die Jugend wird wichtig sein, wie wir uns formieren, wie wir unsere Rechte verteidigen und die Rechten in die Schranken weisen können - dies müssen wir ohne den Staat organisieren. Entscheidend aber wird sein, eine starke, aktive Bewegung zu schaffen - gegen die Krise, gegen Armut, gegen Arbeitslosigkeit u.a. Segnungen des Kapitalismus und seiner Krise. Nur so können im einer Periode wachsender politischer Radikalisierung und Polarisierung neue Kräfte für den antikapitalistischen Widerstand gewonnen und den braunen Rattenfängern entzogen werden.

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Nr. 166, Februar 2012
*  Dresden: Kampf dem Faschismus
*  Antifaschismus: Schafft die Arbeitereinheitsfront
*  Heile Welt
*  Skandal um Bundespräsidenten: Ein Stich ins Wespennest
*  FDP-Krise: Neoliberale Bruchlandung
*  Film: Und dann der Regen
*  Vernetzungstreffen in Frankfurt: Startschuss in alle Richtungen
*  IG Metall/ver.di: Tarifrunde zur Kampfrunde machen
*  Gewerkschaftslinke: Eckpunkte Tarifrunde 2012
*  Italien: Generalangriff auf die Arbeiterklasse
*  Sri Lanka: Schikanen gegen Protestbewegung
*  Ägypten: Wahlen stärken die Konterrevolution
*  NATO-Krieg in Afghanistan: Kein Ende der Besatzung