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Revolutionäre Erste Mai-Demos

Aktionseinheit oder fauler Propagandablock?

Tobi Hansen/Martin Suchanek, Neue Internationale 159, Mai 2011

Auch im Jahr 2011 werden wir zum Ersten Mai wieder zwei politische Aufführungen erleben. Da sind zum einen die volkstümlichen DGB-„Prozessionen“ - dieses Jahr unter dem Motto: „Das ist das Mindeste“ (gemeint sind Mindestlöhne) - und zum anderen die so genannten „Revolutionären Maidemos“.

Als RevolutionärInnen halten wir es für unbedingt erforderlich, an den Gewerkschaftsdemonstrationen mit eigenen Flugblättern und eigener Propaganda teilzunehmen, um gegen den sozialpartnerschaftlichen Kurs der Gewerkschaftsbonzen zu demonstrieren.

Ebenso beteiligen wir uns an den „revolutionären Maidemos“, wo sich jedes Jahr mehrere tausend linke, antikapitalistische Jugendliche und AktivistInnen sowie ein großer Teil der „radikalen“ Linken sammeln, um gegen den Kapitalismus als System ihre Stimme zu erheben. Dieses Jahr finden solche Demos in Berlin, Stuttgart, Nürnberg, Duisburg, Hamburg und Fürth statt.

Wir unterstützen allerdings nicht die Aufrufe zu diesen Demonstrationen, sondern halten es vielmehr für nötig, diese selbst einer Kritik zu unterziehen.

Was ist revolutionär an den Bündnissen?

In den verschiedenen Bündnissen und Aufrufen wird meist eine Darstellung des aktuellen Kapitalismus gegeben samt einer langen Auflistung all seiner Schandtaten.

Dieser ist für Krieg, Hunger und Umweltzerstörung verantwortlich und muss beseitigt werden. Es stellt sich aber die Frage, wer dem was entgegenhalten soll. Und hier werden die Aufrufe - so z.B. der zum Berliner Revolutionären Ersten Mai - äußerst dünn.

Das ist kein Wunder. Unter diesen „revolutionären“ Bündnissen finden wir zunächst ein buntes Sammelsurium der unterschiedlichen Linken Deutschlands. Das gesammelte Antifa-Spektrum gibt sich revolutionär am 1. Mai. DKP und SDAJ sowie diverse ML-Organisationen reihen sich mit ein - um sie herum noch verschiedenste Versatzstücke autonom-kommunistischer (ultralinker) und libertärer Gruppen. Angeblich eint sie die Vorstellung und der Kampf für eine Revolution. In dieser Frage gibt es angeblich keine Unterschiede zwischen diesen Gruppen.

Keine Aktionseinheit ...

Nun ist gegen ein breites Bündnis verschiedener Kräfte, die in letzter Instanz auch verschiedene Klassenstandpunkte vertreten, das Reformisten wie die DKP und kleinbürgerlich linksradikale Kräfte wie die Autonomen einschließt, nichts einzuwenden, wenn es sich auf gemeinsame Aktion konzentrieren würde.

Im Grund wäre es das Beste, wenn sich die Gruppen einfach über Motto, Plakat, Ort und Termin der Demonstration verständigen und ansonsten mit ihren jeweils eigenen Aufrufen mobilisieren würden. Etwaige gemeinsame Aufrufe sollten sich kurz und prägnant auf gemeinsame Schlüsselforderungen beschränken, für die von den Bündnissen in den aktuellen Kämpfen - seien es gewerkschaftliche, gegen Mieterhöhungen oder imperialistische Interventionen - gemeinsam mobilisiert werden soll.

Genau das passiert aber nicht. Statt dessen fallen die Aufrufe zu den revolutionären Demos in der Regel durch den Verzicht auf unmittelbare Forderungen auf.

Das ist nicht einfach böse Absicht, sondern spiegelt wider, dass sich die „RevolutionärInnen“ in den Bündnissen schon bei unmittelbaren Tagesfragen alles andere als einig sind. Wollen einige Gruppierungen für Arbeitszeitverkürzung und gegen Arbeitslosigkeit kämpfen, wollen andere lieber den „Arbeitszwang“ abgeschafft wissen und einfach genug Kohle, um ohne Lohnarbeit - die dann eben jemand anderer verrichten soll - über die Runden zu kommen.

Dem hoffen die AutorInnen solcher Texte offensichtlich dadurch Abhilfe zu schaffen, dass sie das Fehlen von aktuellen Losungen zu allen wichtigen Problemen der Arbeiterklasse und der Jugend durch eine verbalradikale (und manchmal überhaupt nicht radikale) Phraseologie ersetzen.

Die Texte sind keine Aufrufe zum gemeinsamen Handeln, sondern stellen bloß gemeinsame Gesinnungsäußerungen von Gruppierungen dar, die weltanschaulich außer einem abstrakten Bekenntnis zur „sozialen Revolution“ nichts teilen.

Dementsprechend fehlt dann natürlich auch bei der Frage der Revolution alles, was Klarheit darüber bringen könnte, wer denn die soziale Revolution führen würde, welche Ordnung sie an Stelle der kapitalistischen setzen wollen usw.

.. . und auch nicht revolutionär

So heißt es im Berliner Aufruf zum „revolutionären Ersten Mai“:

„Für eine Welt, in der Kollektivität, Bedürfnisbefriedigung und Selbstbestimmung an Stelle von Markt, Profit und Konkurrenz treten. Für eine Welt der internationalen Solidarität an Stelle von Kriegen, Besatzung und Unterdrückung. Für diese Perspektive gehen wir am 1. Mai auf die Straße.“

Ist ja schön. Was daran „revolutionär“ sein soll, was dort die Machtfrage und Eigentumsfrage anspricht oder gar für die sozialistische Revolution tauglich sein soll, bleibt offen.

Schließlich sind solche Formulierungen auch bei attac oder der Friedensbewegung und vielleicht sogar der Linkspartei möglich, nur dass diese zumindest nicht den Anspruch haben, „revolutionär“ zu sein. Solche Allerweltsphrasen bilden aber immer dann den kleinsten „gemeinsamen“ Nenner, wenn die „RevolutionärInnen“ nur folgendes gemeinsam haben: eine überaus vage Vorstellung von „Revolution“, im Grunde nur ein allgemeines Lippenbekenntnis, aber keine Strategie, kein Programm, keine Konzeption.

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Nr. 159, Mai 2011
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*  Revolutionäre Erste Mai-Demos: Aktionseinheit oder fauler Propagandablock?
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