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Frauen und Krise

Gleiches Recht und Billiglohn?

Christine Schneider, Neue Internationale 147, März 2010

Täglich berichten die Medien von den Problemen in der Automobilindustrie, der Elektro- oder Stahlbranche. Dass es hunderttausende KurzarbeiterInnen gibt, dass die Arbeitslosenzahlen steigen, ist bekannt.

Doch die Bevölkerungsgruppe, die - neben ImmigrantInnen - am meisten von der Krise betroffen ist, sind - Frauen. Sie waren die ersten, die ihre Jobs als befristete oder LeiharbeiterInnen verloren, weil sie 70% der Beschäftigten des Niedriglohnsektors stellen.

Die Finanzkrise in den Kommunen trifft vor allem die lohnabhängigen Frauen, wenn Kitas geschlossen oder Gebühren erhöht werden oder wenn Jugendfreizeiteinrichtungen Dicht machen.

Die Benachteiligung von Frauen im kapitalistischen Lohnarbeitssystem hat verschiedene Facetten. Grundsätzlich wird die Frage, wie viele Frauen zu welchen Bedingungen in den Arbeitsprozess integriert sind, vom krisenhaften Auf und Ab der Wirtschaft beeinflusst.

Dabei ist es aber nicht unbedingt so, dass in Zeiten, wenn die Arbeitslosigkeit allgemein steigt, auch die Erwerbslosigkeit von Frauen unbedingt zunehmen muss. Oft genug sind die Kapitalisten gerade dann daran interessiert, „Normal-Arbeitsplätze“ abzubauen und durch prekäre Teilzeitjobs und Billigarbeit zu ersetzen. Ein anderer Trend ist aber natürlich auch, teilzeitarbeitende Frauen (die oft nicht tariflich gesichert sind) zuerst rauszuschmeißen.

Grundsätzlich ist die Stellung der Frau im Kapitalismus von Widersprüchen geprägt. Einerseits wurden Frauen im letzten Jahrhundert vermehrt zu Lohnarbeiterinnen. Phasenweise wurden sie aus dem Produktionsprozess gedrängt. Immer jedoch waren sie systematisch schlechter gestellt als die Männer, was sich schlechteren Arbeitsverhältnissen und geringeren Löhnen und Gehältern ausdrückt.

Warum? Weil sie immer auch die Reproduktionsarbeit im Haushalt „mitzumachen“ hatten und das Einkommen der Frau als „Zusatz“ zum Familieneinkommen galt. Das ist auch der Grund, warum sich trotz weitgehender rechtlicher Gleichstellung der Frauen in den imperialistischen Ländern die soziale Unterdrückung so hartnäckig gehalten hat.

Zur Rolle der Frau im Kapitalismus schrieb schon Friedrich Engels in „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“: „Hier zeigt sich schon, dass die Befreiung der Frau, ihre Gleichstellung mit dem Manne, eine Unmöglichkeit ist und bleibt, solange die Frau von der gesellschaftlichen produktiven Arbeit ausgeschlossen und auf die häusliche Privatarbeit beschränkt bleibt. Die Befreiung der Frau wird erst möglich, sobald diese auf großem, gesellschaftlichen Maßstab an der Produktion sich beteiligen kann, und die häusliche Arbeit sie nur noch in unbedeutendem Maß in Anspruch nimmt“ .

Dazu muss freilich angemerkt werden, dass der Marxismus natürlich nicht nur die Eingliederung der Frauen in die moderne Produktion als eine notwendige Bedingung ihrer Befreiung ansah, sondern auch die radikale Umgestaltung der Arbeitswelt, d.h. der Änderung der Eigentumsverhältnisse, ja der gesamten Produktionsweise im Gefolge der sozialen Revolution erst als hinreichende Bedingung dafür ansah. Gerade diesen Zusammenhang blendet der Feminismus weitgehend, die bürgerliche Frauenbewegung vollständig aus.

Der bürgerliche Feminismus in den westlichen Ländern geht davon aus, das die Befreiung und Gleichberechtigung der Frau dort schon weit fortgeschritten wäre - etwa, weil eine Frau Kanzlerin sei, Frauen in der Bundeswehr dienen dürften oder Frauen manchmal auch Spitzenmanagerinnen sind.

Doch tatsächlich funktionieren diese „erfolgreichen“ Frauen dabei, das Proletariat - und besonders dessen weiblichen Teil - auszubeuten und zu unterdrücken. Der Feminismus sieht als „Befreiung“ der Frau v.a. an, wenn deren rechtliche Gleichstellung vollzogen ist sie dieselben Positionen in der kapitalistisch verfassten Gesellschaft bekleidet wie der Mann. Tatsächlich ist die rechtliche Gleichstellung in den imperialistischen Ländern weitgehend gewährleistet. Doch in der Lebensrealität sieht es ganz anders aus.

So bestehen z.B. weiter immense Unterschiede in der Entlohnung von Männern und Frauen. Die Lohndifferenz liegt durchschnittlich bei 25% zwischen Frau und Mann in der gleichen Position. Diese Differenz fängt schon in der Ausbildung an. Ob Friseurin, Hotelfachfrau oder medizinische Fachangestellte - in Ausbildungsberufen, die mehrheitlich von Frauen gewählt werden, sind junge Frauen deutlich benachteiligt, das zeigt der Ausbildungsreport der DGB-Jugend.

Junge Frauen schneiden sowohl bei der Vergütung als auch beim Überstundenausgleich und der Zahl der Urlaubstage deutlich schlechter ab als Auszubildende in männlich dominierten Berufen. Dort liegt die Ausbildungsvergütung im Schnitt um mehr als 100 Euro oder fast 22 Prozent höher als in „Frauenberufen“. Dieser Trend setzt sich beim Überstundenausgleich fort: Während in „Männerberufen“ 61 Prozent angeben, ihre Überstunden würden ausgeglichen, ist das in „Frauenberufen“ nur bei 46 Prozent der Fall.

78 (!) Prozent aller erwachsenen Frauen in der Bundesrepublik Deutschland können ihre Existenz nicht durch ihre Erwerbsarbeit sichern.

Frauen "investieren" einen Großteil ihrer Arbeitsleistung - entweder unbezahlt oder extrem unterbezahlt - in die Erziehung, Pflege und Betreuung von Kindern und erwachsenen Bedürftigen. Dafür werden sie noch abgestraft, denn sie tragen ein überproportionales Existenzrisiko bei Armut oder im Alter, weil sie nur über die Hälfte des Vermögens verfügen, das Männer besitzen. Aufgrund der schlechteren Lohn- und Einkommenssituation entgehen Frauen (auf die Lebenszeit berechnet) so durchschnittlich 160.000 Euro! Dabei ist die unentgeltlich geleistete Pflege-, Erziehungs- und Betreuungsarbeit von Frauen noch nicht einmal berücksichtigt.

Die Frau dient als Reproduktionssklavin im Kapitalismus, die zudem bei Bedarf als niedrig bezahlte Proletarierin zur Verfügung stehen soll.

Das Rollenbild der Frau

In der Krise äußert sich der Trend, Frauen aus dem Produktionsprozess herauszudrängen und zurück an Heim und Herd zu schicken, besonders stark. Das zeigt sich z.B. in einem der Lieblingsprojekte der CSU, dem Betreuungsgeld. 150 Euro monatlich sollen Eltern laut Koalitionsvertrag ab 2013 bekommen, wenn sie ihre Kinder unter drei Jahren nicht in Krippe oder Kindergarten geben, sondern selbst betreuen. Das bedeutet in den meisten Fällen, da der Mann besser verdient, dass die Frau zu Hause bleibt und sich um Kinder und Haushalt kümmert.

Darüber hinaus „nützt“ diese Regelung v.a. bessergestellten Familien, die nicht auf ein zweites Einkommen angewiesen sind. Statt in die bessere Qualität von Kinderbetreuung zu investieren, werden hier Besserverdiener mit zusätzlichem Bargeld bedacht. Hartz IV-Haushalte hingegen gehen leer aus, da das höhere Kindergeld mit den ALG II-Sätzen verrechnet wird.

Gerade alleinziehende Mütter werden bei jeder „Sozialreform“ abgestraft. Es gibt keine Verbesserung ihrer sozialen Lage, nicht einmal die Erhöhung des Kindergeldes darf die Alleinerziehende behalten - hier zeigt sich eine schon fast historisch gewachsene Diskriminierung alleinerziehender Frauen.

Gleichzeitig werden seit Beginn der Krise verschiedene soziale „Zusammenhalte“ wieder besonders propagiert, dabei gilt ein besonderes Augenmerk der guten „Mutti“ in der bürgerlichen Ehe, die alle Krisen meistert - passenderweise ist diese Propaganda oft mit dem Verweis auf die Rolle der Frauen im Krieg oder in den Nachkriegsjahren verbunden.

Natürlich gibt es auch gleichzeitig das Karrierebild der Frau: jung, dynamisch und mit Kinderwunsch, denn schließlich bekommen ausgerechnet die gutverdienenden Frauen zu wenig Kinder. Dieses scheinbare Paradoxon zeigt sehr deutlich, welche Schattenseiten der „Erfolg“ von Frauen im Kapitalismus hat.

Die bürgerliche „Frauen-, Familien- und Sozialpolitik“ offenbart auch, welche Schichten sich besser reproduzieren sollen: natürlich nicht die Armen und Arbeitslosen - das Kapital hätte gern mehr Akademikernachwuchs.

Aber auch die formale Gleichberechtigung existiert vor allem in der Arbeitswelt oft nur auf dem Papier. Oft wird übersehen, dass die „Gleichstellung“ vor allem formal festgeschrieben ist. Die Möglichkeiten der Nichtbeachtung der Gesetze oder Umgehung von gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt werden zum Nachteil der Frauen reichlich genutzt. Es fehlt an Kontrolle durch die Frauen selber. Die vorhandenen Strukturen der Beauftragten für Chancengleichheit im öffentlichen Dienst, die Frauenbeauftragten der Städte und teilweise in privaten Unternehmen sind durch bürokratische Vorschriften gelähmt und verteidigen in etlichen Fällen nur die Interessen der besser verdienenden Frauen oder gar jene des Unternehmens. Mit wirklicher Kontrolle durch die arbeitenden Frauen hat das nichts zu tun.

Keine Frauenbefreiung ohne sozialistische Revolution!

Die Unterdrückung der Frau ist weitaus älter als der Kapitalismus, sie steht historisch am Beginn der Herausbildung von Klassengesellschaften. Aber es wurde mit jeder neuen Gesellschaftsepoche, jeder neuen Form von Klassenunterdrückung auch umgeformt. So ist sie heute eng und wesentlich mit den Produktionsverhältnissen der kapitalistischen Gesellschaft verbunden.

Andere Formen der Unterdrückung werden darin eingefügt. So ist das Rollenbild der Frauen bis heute stark von kirchlichen und patriarchalen Normen beeinflusst.

Ihre eigentliche Wurzel liegt aber im privaten Charakter der Hausarbeit, der in der Krise noch einmal verschärft wird. Einerseits werden Arbeitsbedingungen, Einkommen, Arbeitsplätze der Frauen angegriffen. Andererseits werden Einrichtungen für Kindererziehung, Altenbetreuung, Kantinen usw. - also Institutionen, die die Last der Frauen im Haushalt verringern - gekürzt, gestrichen, privatisiert, also verteuert.

Die Befreiung der Frau, die Befreiung ihrer Arbeitskraft und ihres Geistes ist daher eng mit dem Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiterklasse verbunden. Sie kann letztlich nur von einer sozialistischen Revolution bewerkstelligt werden. Nur das Ende der kapitalistischen Produktionsweise schafft die Voraussetzung für die Beendigung jeglicher Unterdrückung.

Daher sind alle sozialen und demokratischen Forderungen der proletarischen Frau elementarer Bestandteil der Arbeiterbewegung. Frauen müssen daher aber auch ihre Kämpfe als Teil der antikapitalistischen und revolutionären Bewegung verstehen.

Nur eine klassenlose Gesellschaft, der Kommunismus, ist in der Lage, die reaktionäre Arbeitsteilung des Kapitalismus aufzuheben. Dort kann die Reproduktionsarbeit vollständig kollektiviert werden, kann die Frau als gleiche unter gleichen, ein gesellschaftliches Leben führen, welches sie nicht auf ihr Geschlecht reduziert.

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Nr. 147, März 2010
*  Widerstand gegen die Krise: Solidarität mit den griechischen ArbeiterInnen!
*  Europa: Griechenland, der Euro und die Spekulationswelle
*  Anti-Krisenbewegung: Auf die Straße gegen Westerwelle und Friends!
*  IG Metall: Ausverkauf auf neuer Stufe
*  Schorndorf: Werktor erfolgreich blockiert
*  Tarifrunde im Öffentlichen Dienst: Drohende Verschlichterung
*  Heile Welt
*  Institut Solidarische Moderne: Regieren neu denken
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*  Mexiko: Über 30 Monate Streik
*  Türkei: Solidarität mit den TEKEL-ArbeiterInnen
*  90 Jahre Kapp-Putsch: Die Politik der KPD
*  Frauen und Krise: Gleiches Recht und Billiglohn?
*  8. März: Für eine proletarische Frauenbewegung