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Offener Brief an die GenossInnen der Sozialistischen ALternative Voran (SAV)

Kampf für eine neue Arbeiterpartei statt PDS-Entrismus!

Gruppe Arbeitermacht, Neue Internationale 117, Februar 2007

Werte GenossInnen!

Wir wenden uns an Euch, weil der Aufbau einer partei-politischen Alternative zum Reformismus von SPD und PDS in eine entscheidende Phase getreten ist - und weil wir meinen, dass Eure Organisation dabei einen schweren Fehler begeht.

Mit der Entstehung der WASG sahen viele Lohnabhängige und Arbeitslose die reale Möglichkeit zum Aufbau einer Partei, die konsequent gegen den Kapitalismus bzw. die Auswirkungen des Neoliberalismus kämpft - die anders und besser ist als SPD oder PDS.

Diese Option zum Aufbau einer klassenkämpferischen Arbeiterpartei wurde von Beginn an von der Führung der WASG mit bürokratischen Methoden bekämpft und versucht, aus der WASG eine weitere reformistische Apparatpartei und Wahlmaschine - eine Neuauflage der alten Sozialdemokratie - zu machen.

Die sich nun überdeutlich abzeichnende Fusion von WASG und L.PDS wird diesen Prozess besiegeln. Die Linkspartei wird sich in Programm, Praxis und Struktur allenfalls in Nuancen von der jetzigen PDS bzw. von der früheren SPD unterscheiden. Sie wird durch und durch reformistisch sein und ihre Politik dem Parlamentarismus und anderen systemkonformen Mechanismen und Spielregeln unterordnen. Ihr Ziel ist nicht der Klassenkampf gegen die Angriffe von Staat und Kapital, geschweige denn gegen den Kapitalismus insgesamt - ihr Ziel ist das Mitregieren, das Managen der Krise des Kapitalismus sowie das Kontrollieren und Kanalisieren von Widerstand.

Dass die WASG an diesen Punkt kommt, ist für uns nicht überraschend. Wir haben auf diese Gefahr von Anfang an hingewiesen. Im Unterschied zur SAV jedoch haben wir ein alternatives Parteiprogramm vorgelegt und es nicht wie die SAV (deren Vorschlag zudem auch kein revolutionäres Programm war) zurückgezogen.

Im Gegensatz zur SAV sind wir auch nie dem Trugschluss aufgesessen, dass der „Gründungskonsens“ der WASG zu verteidigen wäre. Dieser „Gründungskonsens“ war der erste Erfolg der reformistischen Führung, den Weg nach links zu blocken. Er hatte nichts mit einer demokratischen und offenen Debatte zu tun.

Im Gegenteil: gerade dieser - reformistische - Gründungskonsens der WASG musste notwendig dazu führen, eine neue Sozialdemokratie aufzubauen - ob nun per Fusion mit der PDS oder ohne diese als „Sozialstaatspartei“.

Denn: Wer den „Sozialstaat“ verteidigt, verteidigt damit eben auch per se den bürgerlichen Staat; wer ja sagt zum Privateigentum, sagt auch ja zum Kapitalismus usw.

Der Bundesparteitag der WASG hat gezeigt, dass eine klare Mehrheit der Delegierten (die allerdings nicht der Mitgliedsstruktur der WASG entsprechen) diesen Kurs befürwortet.

Zugleich zeigt das Beispiel Berlin, dass es in der L.PDS trotz ihres Wahldebakels keinerlei Anzeichen dafür gibt, die Politik der Regierungsbeteiligung und damit des Co-Managens der Krise des Kapitalismus zu ändern oder gar zu beenden. Dazu kommt noch, dass von einer kämpferischen und konsequenten Oppositions-Struktur in der L-PDS weit und breit nichts zu sehen ist.

Potential des NLO

Doch erhebliche Teile der WASG-Mitgliedschaft - nicht nur in Berlin - wollen diesen Weg von Gysi und Lafontaine nicht mitmachen. Es entstanden verschiedene oppositionelle Strömungen in der WASG. Doch während andere lediglich „Kritik“ am reformistischen Kurs formulieren, aus der jedoch keinerlei Konsequenzen folgen sollen, und auch die Fusion grundsätzlich unterstützen, hat sich das Netzwerk Linke Opposition (NLO) mit den „Felsberger Beschlüssen“ klar gegen die „Beerdigung“ des alternativ-antikapitalistischen Ansatzes der WASG mit der Fusion gestellt.

Es orientiert bewusst darauf, sich nicht vom Wohl und Wehe der Fusion abhängig zu machen und bundesweit eigene handlungsfähige Strukturen aufzubauen.

Aus den Felsberger Beschlüssen geht klar hervor, dass das NLO eine offene Struktur ist und versucht, neben WASGlerInnen auch Mitglieder der L.PDS, anderer linker Organisationen und Unorganisierte zu gewinnen.

Wie reagiert die SAV auf diese Entwicklung? Zunächst arbeitete sie im NLO mit - ohne jedoch das NLO wirklich aktiv zu popularisieren und aufzubauen.

Als das NLO sich positiv entwickelte und sich zeigte, dass die SAV das NLO politisch nicht dominieren kann, verlegte sich die SAV-Führung darauf, dem NLO allerlei Vorwürfe zu machen. Es gäbe kein relevantes Milieu für ein bundesweites Netzwerk, das NLO würde sich als Partei verstehen, es gäbe keinen Platz für eine sechste Partei usw.

All diese Vorwürfe erweisen sich aber in der Realität als falsch und sind z.T. nichts als ein reiner Popanz.

Inzwischen hat sich die SAV - nachdem sie für ihre Positionen keine Mehrheit im NLO gewinnen konnte - ganz aus dem NLO zurückgezogen. Auf ihrem letzten Bundestreffen beschloss sie eine Orientierung auf Mitarbeit in der entstehenden Linkspartei im Westen.

Dieses Schwanken, diese Politik der SAV ist kein Zufall, sondern entspringt ihrer politischen Methode. Schon immer gingen die SAV wie die Militant-Tendenz davon aus, dass die Massen sich, wenn sie in Bewegung geraten, quasi zwangsläufig dem Linksreformismus - also Formationen wie der WASG - zuwenden würden. Um die Massen nicht „abzustoßen“, dürfe man programmatisch nicht oder kaum über diesen Linksreformismus hinausgehen.

Doch diese methodische Sicht ist falsch!

Denn es gibt weder eine kontinuierliche Linksentwicklung von Bewusstsein bis hin zum revolutionären, noch erwächst ein revolutionäres Programm spontan aus Klassenkämpfen. Vielmehr müssen MarxistInnen ein revolutionäres Programm erarbeiten und einbringen und darum die Vorhut sammeln.

Damit sind an einem bestimmten Entwicklungspunkt auch der organisatorische Bruch mit einer reformistischen Organisation und der Aufbau eigenständiger Strukturen verbunden. Die Gefahr und die Rolle des linken Reformismus bestehen dabei gerade darin, diesen Entwicklungsprozess zu blockieren.

Mit der Entscheidung in Berlin, gegen die PDS zu kandidieren, hatte die SAV an einem Punkt mit ihrer historischen Methode gebrochen und hatte einen wichtigen Anteil am Erfolg dieser Kandidatur. Diese Kandidatur hat sehr praktisch das Problem der PDS-Politik bundesweit sichtbar gemacht. Auch das NLO hätte ohne diese Kandidatur nicht so an Bedeutung gewonnen.

Kampf für eine Arbeiterpartei!

Doch jetzt, da die reformistische Fusion viele AktivistInnen abstößt und sie nach einer Alternative suchen, geht die SAV-Führung genau den entgegen gesetzten Weg - in die Linkspartei. Als die Vorhut der Klasse sich von SPD und PDS abwandte, ging sie in die neu entstandene WASG. Nun findet erneut ein solcher Umbruchs- und Ablöseprozess statt. Damals ging die SAV mit; heute, da die Entwicklung über den Linksreformismus hinausführt, geht sie nicht mehr mit!

Der Aufbau einer wirklichen Arbeiterpartei, die in der Klasse, in der Linken und in den sozialen Bewegungen verankert ist, bietet eine Chance, die Fragen des Programms, der Strategie und Taktiken offen und ernsthaft zu diskutieren; sie kann und muss ein Attraktionspol im Klassenkampf sein und kann so neue Kräfte in die Bewegung ziehen. Im Unterschied zur SAV sagen wir als GAM ganz offen, dass diese Partei eine revolutionäre, antikapitalistische sein muss und treten dafür ein.

Das NLO ist (noch) nicht diese Partei - weder, was Größe und Verankerung anbelangt, noch in Bezug auf die Klarheit ihrer Politik. Aber das NLO kann und muss ein Ausgangspunkt, ein Ansatz, ein Vorstoß in Richtung neue Arbeiterpartei sein. Es soll und kann jene Kräfte bündeln und in Bewegung bringen, die dafür nötig sind.

Ohne Frage: Eine solche Struktur hätte für viele Menschen, für ArbeiterInnen, linke GewerkschafterInnen, Arbeitslose und Jugendliche Charme und Überzeugungskraft. Das NLO könnte und müsste gerade bei einem erneuten Aufschwung von Kämpfen zugleich Magnet und Dynamo sein!

Anstatt an diesem Projekt aktiv mitzuwirken, behauptet die SAV, es gäbe dafür kein Potenzial - obwohl die Dynamik des NLO eher das Gegenteil belegt. Inzwischen orientiert sich die SAV offen darauf, in die fusionierte Linkspartei zu gehen, also Entrismus zu machen und diesen noch dazu auf eine halbherzige, inkonsequente Art, nämlich im Westen, wo die zukünftige Linkspartei wenig Verankerung und Mitglieder hat.

Das wäre ein schwerer Fehler, weil dafür in dieser Linkspartei alle Bedingungen, auf die auch Trotzki wiederholt hingewiesen hat, fehlen: eine Linksentwicklung oder eine linker Flügel sowie eine tiefe Krise der Partei. Im Gegenteil: die reformistische Führung hat alles fest im Griff. Was es an „Opposition“ (Kommunistische Plattform etc.) gibt, macht Gysi und Co. wenig Sorgen.

Insofern gibt es weder Bündnispartner noch einen realen Handlungsspielraum für Antikapitalisten in der Linkspartei. Die Auffassung der SAV (she. Anträge von S. Kimmerle in Berlin), nach der „die neue Partei Die Linke von der breiten Mehrheit der Bevölkerung als Teil der Linken und der Arbeiterbewegung gesehen wird und viele linke AktivistInnen versuchen werden, Einfluss auf die Entwicklung der Partei zu nehmen“ ist illusorisch und falsch. Sie vermischt zwei Dinge. Die „Linke“ mag von der breiten Bevölkerung so gesehen werden. Ein Attraktionspol für AktivistInnen, für jene Avantgarde-Elemente, die für die Formierung einer Arbeiterpartei wesentlich sind, aber eben nicht.

Wir möchten Euch daher auffordern, die Lehren aus Eurem Entrismus in der SPD zu ziehen.

Schon früher hatte die SAV in der SPD ein solches Entrismus-Projekt gestartet - um am Ende politisch mit leeren Händen dazustehen. Welche Lehren wurden daraus gezogen? Die SAV wurde als eigenständige Partei gegründet, die SPD - quasi als nachgeschobene Begründung für den Austritt - nicht mehr als bürgerliche Arbeiterpartei eingeschätzt; die falsche politische Methode von Militant jedoch wurde beibehalten!

Sie ist mit der Auffassung verbunden, die aktiv werdenden Massen müssten in ihrer ideellen und organisatorischen Entwicklung zwingend eine (links)reformistische Stufe durchlaufen. Diese Auffassung widerspricht nicht nur allen Erfahrungen; sie erweist sich in der Praxis auch immer nur als Unterstützung des Reformismus.

Eine Hinwendung der Massen zur Linkspartei hat es in den letzten Jahren eben gerade nicht gegeben; nicht zufällig orientierte sich die Vorhut auf die WASG. Zudem: Gerade um die Massen nicht den Reformisten zu überlassen, ist es dringend nötig, eine alternative politische Kraft in Gestalt der NLO aufzubauen!

Diese Frage stellt sich nicht nur in Deutschland. Auch international müssen - entgegen den reformistischen Führungen - revolutionäre Klassenführungen aufgebaut werden: letztlich geht es um eine neue, die Fünfte Internationale!

Genossinnen und Genossen der SAV: Ihr müsst Euch entscheiden! Tragt Ihr das Projekt eines perspektivlosen Entrismus in der Linkspartei mit oder aber wollt Ihr gemeinsam mit der GAM und anderen Kräften mit dem NLO eine Alternative zum Reformismus aufbauen?!

Wir sind bereit und daran interessiert, mit Euch diese Fragen zu diskutieren und mit Euch zusammen zu arbeiten: Für die Revolution - nicht für die Reformisten und ihre neuen alten Projekte!

Mit revolutionären Grüßen

Gruppe Arbeitermacht


Nr. 117, Februar 2007
*  Münchner NATO-Sicherheitskonferenz: Kriegstreiber stoppen!
*  Tarifrunde 2007: Ohne Kampf kein Lohn
*  Arbeitslosigkeit: Mit Hartz IV auf die Straße
*  BRD-Konjunktur: Trendwende oder Eintagsfliege?
*  Palästina: Im Würgegriff des Imperialismus
*  Venezuela: Hugo Chavez und die Revolution
*  Heile Welt
*  Offener Brief an die SAV: Kampf für eine neue Arbeiterpartei statt PDS-Entrismus!
*  Somalia: Imperialistischer Stellvertreterkrieg