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Kongo

Neues Opfer der EU

Martin Mittner, Neue Internationale 112, Juli/August 2006

Mindestens fünf weitere Jahre sollen die deutschen Besatzungstruppen im Rahmen der US-geführten „Koalition der Willigen“ in Afghanistan stationiert bleiben - gegen zunehmenden Widerstand und verbunden mit stärkerer Repression.

Bei der Mission im Kongo wird die Europäische Union nun direkt die Führungsrolle übernehmen, um so französische und deutsche imperiale Interessen an den Bodenschätzen und am Wasserreichtum des Landes zu sichern - und um ihren Einfluss gegen den imperialistischen Rivalen USA und Regionalmächte wie Südafrika zu sichern.

Vor allem der französische Imperialismus hat lange und blutige Verbindungen zum Kongo. Um den Einsatz nicht allzu offenkundig als Hilfsmission für seine Interessen erscheinen zu lassen, hat deshalb Deutschland das Kommando übernommen.

Schon vor Eintreffen der EU-Truppen waren 17.000 Mann unter UN-Kommando, meist aus afrikanischen Staaten, im Kongo stationiert. Die EU wird vorerst rund 2.000 Soldaten entsenden, davon 800 deutsche. Das Oberkommando für diesen Einsatz sitzt in Potsdam. Aktuell ist die Mission für vier Monate geplant. Zunächst werden die Soldaten im benachbarten Gabun stationiert, diese ehemalige Kolonie Frankreichs gilt als sicherer Rückzugspunkt. Durch Ölexporte, vor allem in die USA, konnte Gabun zu relativem Wohlstand gelangen, für die deutschen Truppen und ihre Bündnispartner ein vermeintlich sicherer Partner.

Das Ziel der Operation im Kongo: Stabilisierung und Legitimierung der Regierung Kabila, um über deren Strukturen den Zugriff auf die reichen Rohstoffvorkommen des Landes für die Multis zu sichern – so vor allem Coltan aus dem von Warlords kontrollierten Ost-Kongo, von Diamenten etc.

Wahlfarce

Ende November sollen die letzten Resultate der Ende Juli beginnenden Wahlen bekannt gegeben werden. Das Ergebnis dürfte allerdings schon jetzt feststehen. Selbst EU-Repräsentanten wie Aldo Ajello, der Sonderbeauftragte für Zentralafrika, gestehen den scheindemokratischen Charakter der Wahl ein, wenn sie lt. Berliner Zeitung von einem „nicht hundertprozentig sauberen“ Wahlkampf sprechen. Welch Euphemismus!

Im Osten des Kongo tobt nach wie vor ein Bürgerkrieg zwischen rivalisierenden Warlords. Täglich sterben noch immer rund 1.000 Menschen - sei es durch offene Gewalt oder durch Hunger.

In der Hauptstadt Kinshasa und anderen größeren Städten kommt es seit Wochen zu gewaltsamen Demonstrationen mit Tausenden TeilnehmerInnen. Die Polizei löste Demonstrationen gegen die ausländische Einmischung bei den Wahlen am 12. Juni mit Warnschüssen und Tränengas auf.

In der Hauptstadt verfügt Kabila über weniger Unterstützung als auf dem Land, beim Verfassungsmemorandum 2005 stimmte nur eine knappe Mehrheit in der Hauptstadt für den Vorschlag Kabilas; wenn sich eine Opposition bilden wird, dann sicher in den großen Städten.

Die Wahlen sind eine komplette Farce! Aber das macht weder der EU noch der UNO etwas aus, solange deren Ziele - die Stabilisierung der bestehenden Regierung und stärkerer Einfluss des europäischen Imperialismus - erreicht werden.

Gleichzeitig geht es auch darum, die Aufrüstung der EU, die Schaffung einer europäischen Interventionstruppe voranzutreiben und praktisch zu erproben.

Bis Ende 2010 soll eine schnelle Eingreiftruppe der EU mit 80.000 Mann, davon 18.000 Deutsche, aufgebaut und mindestens zwölf „Battlegroups” aufgestellt werden. Diese kleineren Kampfeinheiten von 1.500 bis 2.000 Mann sind lt. EU-Konzept vom Februar 2004 “bestimmt für, aber nicht begrenzt auf den Gebrauch für zusammenbrechende oder zusammengebrochene Staaten (von denen sich die meisten in Afrika befinden)”.

Last but no least geht es um die Gewöhnung der Bevölkerung an weitere imperialistische Auslandsinterventionen, Kriegsvorbereitungen und Besatzungen.

Im neuen Bundeswehr-Weißbuch spricht Verteidigungsminister Jung den Zweck diverser Auslandseinsätze auch offen aus:

„Hierbei gilt es wegen der Export- und Rohstoffabhängigkeit Deutschlands, sich besonders den Regionen, in denen kritische Rohstoffe und Energieträger gefördert werden, zuzuwenden.“

Daher werden auch die Seewege „neu bewertet“, die strategische Abhängigkeit von Handelswegen (z.B. Suez-Kanal), erklärt so auch, warum die deutsche Marine heute im „Krieg gegen den Terrorismus“ am Horn von Afrika ihre Runden dreht. Für die Bundeswehr bedeutet dies weitere Aufrüstung bei Marine und Luftwaffe und direkter Begleitschutz für die globalen Interessen des deutschen und französischen Kapitals.

Für die EU als imperialistischer Block ist die Kontrolle seiner „Hinterhöfe“ Mittelmeerraum und Afrika überlebenswichtig. Dazu muss auch militärische Kontrolle ausgeübt werden, dazu können Wahlbeobachter, oder „humanitäre“ Interventionen mit UN-Auftrag genutzt werden.

Das Beispiel Kongo verdeutlicht aber nicht nur die Weltmachtambitionen eines sich herausbildenden europäischen Imperialismus - es macht auch die chronischen Schwächen der Friedensbewegung sichtbar.

Ihre Kritik an militärischen Interventionen wurde und wird oft genug nicht aus einer grundsätzlichen Opposition zur imperialistischen Beherrschung der Welt - ob nun mit kriegerischen oder „friedlichen“ demokratischen und diplomatischen Mitteln - hergeleitet. Bürgerliche Pazifisten a la Ströbele von den Grünen fordern sogar schon mehr Soldaten für den Kongo - für einen „humanitären Einsatz“ zur Befriedung eines ganzen Landes will Ströbele noch mehr olivgrüne Männer in Afrika. Dies ist dann das endgültige Ende grüner Friedensillusionen: von den Pullover strickenden grünen Pazifisten der ersten Grünen-Parteitage bis zu den Interventionisten seit 2001 war es ein kurzer Weg!

Auch das ist ein Grund, warum die Opposition gegen den bevorstehenden Kongo-Einsatz noch recht schwach ist - dient er doch vorgeblich der Herstellung demokratischer Verhältnisse im Land.

Die Gewerkschaften sowie alle Abgeordneten von PDS.Linkspartei, SPD und Grünen, die vorgeben, gegen den Einsatz zu sein, fordern wir auf, nicht nur im Bundestag dagegen zu  stimmen, sondern auch offen zur Aktion auf der Straße aufrufen!

Nein zum Militäreinsatz im Kongo! Sofortiger Abzug aller Truppen aus dem Ausland!

Protest- und Widerstandsaktionen gegen den Einsatz durch Blockaden, Massendemos, Streiks zur Verhinderung von Truppen- und Materialtransporten!

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Nr. 112, Juli/August 2006

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