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Fussball WM

Zu Gast bei Schönbohm, Schäuble, adidas

Theo Tiger/Martin Suchanek, Neue Internationale 111, Juni 2006

Täglich orakeln die Medien über die WM-Chancen einer mittelmäßigen Gastmannschaft und versprühen Optimismus, denn Deutschland sei eine Turniermannschaft und mit viel Unterstützung der eigenen Fans ist auch der Titel drin - denn von der guten Stimmung hängt alles ab: Tore, Siege und der Aufschwung am Standort D.

Jeden Tag wird so die Gute-Laune-Maschine von den Medien neu gefüttert, alle ehemaligen Weltmeister haben verschärfte Öffentlichkeitspflicht, jede Zeitung und jede Fernsehsendung verlost Eintrittskarten.

Die Möglichkeit, darüber eine Karte für ein Spiel zu bekommen, ist fast realistischer als die virtuelle Lotterie des WM-OK. Es ist ohnehin eine Schweinerei, dass ein Grossteil der Karten als Werbekontingent an Firmen geht; tausende Fans und Ehrenamtliche an der Basis gehen dafür leer aus.

Auch alle Berufspolitiker stellen sich plötzlich als Fußballfans dar. Schade, dass Schröder nicht mehr da ist, der würde bestimmt von einem Fernsehteam begleitet durch das Kanzleramt dribbeln, um dann mit einen fulminanten Spannschuss eine Topfpflanze durchs Büro zu wirbeln.

Adidas gegen Nike oder doch mehr?

Viele Millionen Fans auf dem ganzen Globus werden sich auf die WM freuen: auf viele Spiele mit hohem Niveau, auf Überraschungen und Spiele, über die die Fans noch lange sprechen.

Von seinen frühen Anfängen in China bis nach Europa und Südamerika und Afrika war Fußball immer ein Sport der Unterschichten. Würden wir nicht ins Stadion gehen oder für Fanartikel unser Geld ausgeben, gäbe es nicht das Milliardengeschäft Fußball.

Gerade in England und Deutschland war dieser Sport immer eng mit den Arbeitern verbunden - von den ersten Betriebsmannschaften in England bis zum Schalker Kreisel, dessen Spieler noch Bergarbeiter waren.

Inzwischen ist der Fußball total in das Konzept „Brot und Spiele“ integriert. Mit Fernsehrechten und Fanartikeln werden Milliarden umgesetzt, Vereine werden an der Börse gehandelt und Spielervermittler fungieren als moderne Menschenhändler auf Provisionsbasis. Junge Talente, bevorzugt aus Afrika und Südamerika, werden schon in der Pubertät (oder noch früher) von europäischen Agenten unter Vertrag genommen und solange transferiert, bis der Spieleragent seinen Maximalprofit aus seiner kickenden Geldanlage herausgeholt hat.

Auch die WM 2006 wird für ein paar Großkonzerne ein enormer Reibach. Sie haben viel Geld für die Exklusivrechte bezahlt, dafür dürfen diese allein bei der WM verkaufen und lizenzieren - bei uns im Land wurde dies nur bei der Bierfrage deutlich, Budweiser (die amerikanische bierähnliche Plörre, nicht das tschechische) hat die Exklusivrechte für die Stadien. Coca-Cola wird für alle Nichtalkoholika verantwortlich sein.

Ebenso wie Adidas und Nike sollte Coca-Cola für seine Konzernpolitik angegriffen werden. Während Adidas in Pakistan seinen WM-Ball herstellen lässt und seine Profite durch Extraausbeutung in Asien sicherstellt, ist die Nike die Nr. 1 in Lateinamerika, in den sog. Maquiladores, Textilfabriken, in denen überwiegend junge Frauen zu Niedrigslöhnen ausgebeutet werden, bis sie mit 30 der Belastung nicht mehr gewachsen sind.

Als Coca-Cola sich in Kolumbien mit Gewerkschaftlern auseinandersetzen musste, griff der amerikanische Multi auf ein altbewährtes Mittel amerikanischer Konzerne zurück: auf die Gewerkschaftler wurde geschossen.

Für den Konzern durchaus nicht unüblich, sorgten die letzten Ereignisse für eine größere Kampagne europäischer Gewerkschaften: bei ver.di wird Coca cola nicht mehr ausgeschenkt. Mehr unter www.killercoke.org

WM und Rassismus

Wenige Wochen vor der WM häufen sich Medienberichte über rassistische und faschistische Überfälle auf Schwarze, auf MigrantInnen, auf „Andersaussehende“.

Die bürgerlichen Medien – ansonsten nicht gerade für ihre Aufmerksamkeit gegenüber dem permanenten rassistischen und rechts-extremen Terror in etlichen Städten und Stadtteilen bekannt – geben sich jetzt besorgt und auf den guten Ruf Deutschlands bedacht.

Zweifellos versuchen Nazis und Rassisten die WM als Tribüne zu nutzen – sie es für Demonstrationen wie die NPD in Frankfurt und Gelsenkirchen, sei es für vermehrte rassistische Attacken, Überfälle bis hin zum Mordanschlag.

Verlogen ist jedoch die ganze Ansage, dass brutale Überfälle bis hin zum Todschlag in den letzten Jahren erst gehäuft vorkommen würden. Die meisten Menschen wissen, dass es in der Tat Zonen im Osten (aber auch in einigen Städten Westdeutschlands) gibt, die nächstens für MigrantInnen, Homosexuelle oder Linke lebensgefährlich sind.

Natürlich verniedlichen Erzreaktionäre wie Schönborn diese Aussagen, verweisen auf die gute Arbeit der Polizei oder führen allen Ernstes die Feststellung, dass „auch Frauen in diesen Stadtteilen von Übergriffen betroffen sind“ als Argument an, dass die Situation übertrieben würde. Platzeck und die SPD fürchten natürlich auch um den guten Ruf Brandenburgs.

Während sie von bis vor wenigen Jahren den Rassismus in Schönbohmscher Manier geleugnet und verharmlost haben, so spielen sie jetzt das Lied von der Stärkung der Zivilgesellschaft und der vielen Menschen, die nichts anderes tun, als ständig Deutschland anti-rassistisch zu machen – und daher solle man über die Überfälle, von Rechten kontrollierte Zonen usw. nicht reden, weil dann die zivilgesellschaftlichen Pflänzchen allzu leicht welken würden.

Allein das zeigt, wie unbrauchbar und verlogen die ganze staatsgeförderte „Toleranz“ ist – von den anti-rassistischen und anti-faschistischen Großtaten der Bullen ganz zu schweigen.

Der Anti-Rassismus und Anti-Faschismus des Staates behaupten eine imaginäre Interessensgleichheit aller Demokraten, die eine umso realere, wachsende Ungleichheit verdecken soll – eine Realität, die sich tagtäglich im verschärfter Ausbeutung, Arbeitshetze, Zumutungen am Arbeitsamt, Abschiebung, Rassismus und Islamophobie zeigt.

Während die Rechten die reaktionäre Volksgemeinschaft bis hin zum rassistischen Todschlag propagieren, setzt die bürgerliche Gesellschaft auf die imaginäre Einheit der „aufgeklärten“ DemokratInnen.

In beiden Fällen werden die realen Hintergründe von Rassismus und Faschismus - die verschärfte kapitalistische Krise und Polarisierung der Gesellschaft – ausgeblendet, geleugnet.

Und die Linke macht bis weit in die Antifa mit, statt hier gegenzuhalten. Der Kampf gegen den Faschismus und rassistische Gewalt ist letztlich eine Klassenfrage. Das trifft sowohl die Formen des direkten Kampfes gegen die weitere Ausbreitung rechter Organisationen, um ihnen jede Möglichkeit zur Organisierung und Artikulation streitig zu machen.

Das bedeutet aber auch, dass dieser Kampf zu einem Kampf der organisierten Arbeiterklasse gemacht und mit dem Kampf gegen die sozialen Angriffe verbunden werden muss.

Bürgerlicher Staat und bürgerliche Parteien geben sich heute „antifaschistisch.“ In der Tat passen Nazi-Aufmärsche während der WM nicht in die Pläne des deutschen Imperialismus.

Wohl aber passt dazu, rassistische Angriffe oder NPD-Kundgebungen für Ahmedinedschad zur „demokratischen“ Mobilisierung der Bundeswehr im Inneren oder zum Einstimmen in die imperialistische Hetze gegen den Iran zu nutzen.

Über Monate hat Innenminister Schäuble für eine Verfassungsänderung zum Einsatz der Bundeswehr getrommelt – die WM könnte jetzt sein Chance werden.

Nein zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren, Kampf der repressiven Überwachung der WM und der Fans!

Schutz gegen rassistische und faschistische Angriffe durch Aufbau von Selbstschutzorganen und durch Massenmobilisierungen der Arbeiterklasse, der MigrantInnen und der Linken!

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Nr. 111, Juni 2006

*  Hartz: Angriff ohne Ende!
*  Heile Welt
*  WASG: Der Kampf hat erst begonnen
*  DaimlerChrysler Untertürkheim: Arbeiterdemokratie oder Diktatur des Apparats?
*  Elterngeld: Gleichberechtigung oder reaktionäre Sozialpolitik?
*  Interview: Bush go home!
*  70 Jahre Revolution in Spanien, Teil 1II: Anarchismus und Staat
*  Freud zum 150. Geburtstag: Eine Würdigung
*  Migranten-Streiks in den USA: Wir sind Arbeiter, keine Kriminellen!
*  Fussball-WM: Zu Gast bei Schönbohm, Schäuble, adidas