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Tarifrunde 2006

Metaller in den Streik!

Frederik Haber, Neue Internationale 109, April 2006

„Wir wollen natürlich keinen Streik!“, betonte Berthold Huber bei der Auftaktveranstaltung der IGM in Hessen. Natürlich beeilte er sich zu ergänzen, dass die IG Metall sich auch zu wehren wisse.

Da konnte man in den letzten Jahren ja seine Zweifel kriegen. Nachdem der Streik im Osten in den Sand gesetzt worden war, folgten deftige Niederlagen in einzelnen Firmen. Für die 40-Stunden-Woche bei Siemens in der Handy-Produktion war Huber persönlich federführend. Und das war nur der Auftakt gewesen.

Die IG Metall braucht dringend wieder einen Erfolg. Letztlich kann sie den starken Mitgliederverlusten nicht mit Werbegeschenken begegnen. Die Tarifrunde kam da zur rechten Zeit. Die ursprüngliche Vorgabe des Vorstandes von 4% wurde von der Basis auf 5% hoch gedrückt und es scheint fast, dass dies eingeplant war. Sowohl das Abwürgen des Oststreiks durch hochrangige Funktionäre als auch das Durchzocken der „Beschäftigungssicherungs“-Verträge haben breite Zweifel an der Demokratie in der Organisation gesät. Der Basis etwas das Gefühl von Einfluss zu geben, schien da angebracht.

Nicht geplant war mit Sicherheit die Kündigung der Steinkühlerpause in Nordwürttemberg/Nordbaden. Diese Erholzeiten für Akkordarbeiter sind für die manche Betriebsräte schon ein Nachteil im innerdeutschen Standortwettbewerb geworden. Für die Bürokraten in der Stuttgarter IGM-Zentrale sind sie zwar ein Fremdkörper in der schönen neuen ERA-Welt, dem neuen Gehaltsfindungssystem, aber die Kündigung passt ihnen gar nicht in ihr Bild von Sozialpartnerschaft und in ihre Planungen für die Tarifrunde.

Ermutigt von einigen Professoren, die wieder über Kaufkraft reden, und ein paar populistischen Sprüchen von Köhler und Glos, verbreiteten die IG Metall-Führer, dass das Klima günstig sei. Sie preisen die hohen Gewinne der Metall-Unternehmen und den Exportweltmeister Deutschland. Aber den Kapitalisten in der Metallindustrie ist genau aus diesem Grund die Kaufkraft in Deutschland relativ wurscht, sie steigern lieber ihren Export weiter durch gedrückte Löhne. Hohe Gewinne führen bei ihnen nur zu einer Schlussfolgerung: „Da ist noch mehr drin.“

Sie haben in den letzten Jahren Belegschaften, Betriebsräte und IG Metall erfolgreich mit der Drohung von Verlagerungen zu Zugeständnissen gezwungen, warum sollten sie jetzt diese wieder hergeben? Entsprechend gehen sie mit neuen Drohungen und neuer Arbeitsplatzvernichtung in die Tarifrunde.

In einem Referat vor Metall-FunktionärInnen beschrieb der Ökonom Huffschmid, dass die Lohnquote in Deutschland auf einem historischen Tiefstand ist. Die Lohnquote beschreibt den Anteil des Volkseinkommens, der auf Löhne und Gehälter entfällt. Der Rest geht an Kapitalbesitzer aller Art. Die Umverteilung ist drastisch. Das Volkseinkommen ist um 27 Milliarden Euro gestiegen, die Gewinne allerdings um 32. Die gesamten Einkommen der Beschäftigten also um 5 Milliarden gefallen. Was die Tarifexperten der Gewerkschaft als Argument für sich auslegen, ist eigentlich der Beweis ihrer Unfähigkeit. Statt den „gerechten Anteil“ an den Unternehmensgewinnen zu fordern, sollten Peters und Huber im Eck stehen und sich schämen.

Was aber tun aktive MetallerInnen an der Basis, wenn das Kapital die Gewerkschaft genauso in den Kampf zwingt, wie es das mit Ver.di getan hat? Es gilt, die Zweifel der Mitglieder an ihrer Führung zu nutzen und zu verstärken. Ja, die Bezirksleitung Baden-Württemberg hat den Tarifvertrag so geschrieben, dass die Steinkühlerpause gekündigt werden konnte. Ja, die Schuldigen für den Verlust an realem Einkommen sitzen auch in unserer Organisation. Ja, die „gesicherten“ Arbeitsplätze sind schon wieder gefährdet.

Aber Einkommen und Arbeitsplätze können verteidigt werden - durch Kampf! Der Kampf ist möglich, das zeigen auch die Belegschaften von AEG Nürnberg, CNH Berlin oder Infineon München. Solche Kampfkraft können wir überall entwickeln. Diese darf nicht nur für hohe Abfindungen, sie muss für die Verteidigung der Arbeitsplätze eingesetzt werden. Für die Besetzung der Betriebe und die Fortführung der Produktion unter Arbeiterkontrolle! Dazu wäre eine andere Führung nötig, eine Führung, der die Gewinne der Kapitalisten egal sind; eine Führung,  die die Interessen der ArbeiterInnen auch in Krisen verteidigt. Eine Führung, die nicht jubelt, weil Deutschland Exportweltmeister ist.

Eine solche Führung kann sich nur in Kämpfen entwickeln. Die kommenden Warnstreiks und mögliche Streiks sind eine Chance, das Selbstbewusstsein der Basis zu stärken und eine neue Schicht von kämpferischen GewerkschafterInnen zu bilden. Bei den Betriebsratswahlen zeichnet sich ab, dass solche Leute durchaus vorhanden sind und dass sie sich von den BürokratInnen immer weniger beeindrucken lassen - und sie stoßen auf Resonanz.

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Nr. 109, April 2006

*  Öffentlicher Dienst: Wie kann ver.di den Kampf gewinnen?
*  Tarifrunde 2006:Metaller in den Streik!
*  Programmtische Eckpunkte WASG/Linkspartei: Ein reformistischer Wunschkatalog
*  Linksparteifusion: Hände Weg von der WASG-Berlin!
*  Pseudo-Demokratie: Nein zur manipulativen Urabstimmung!
*  Asylrecht: Universalwaffe Terrorismusvorwurf
*  70 Jahre Revolution in Spanien, Teil 1: Der Weg zur Revolution
*  Europäisches Sozialforum Athen: Olympiade des Widerstandes?
*  Heile Welt
*  Massenstreiks: Frankreich im Ausstand