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Massenstreik

Frankreich im Ausstand

Theo Tiger/Marc Lassalle, Neue Internationale 109, April 2006

Am 28.3.06 fand in Frankreich der vierte landesweite Aktionstag gegen die Arbeitsmarktreformen statt. Allein in Paris hatten sich etwa 700.000 Menschen versammelt, im ganzen Land gehen die Organisatoren von ca. 3 Millionen aus. Neben StudentInnen und SchülerInnen beteiligten sind auch zahlreiche Gewerkschaften an diesem Streiktag. Transport, Verkehr und Medien - alles stand still. Auch mehr als 40% der Lehrer beteiligen sich am Streik.

Passend zum Aktionstag hat nun Premier de Villepin Nachbesserungen beim umstrittenen CPE-Gesetz angekündigt, die Spitzen der Gewerkschaften sind eingeladen.

Seit vielen Wochen sind Studenten, Arbeiter, Schüler und Gewerkschafter gegen die Regierung auf der Straße. Zuerst wurden die StudentInnen aktiv, mit Besetzungen und Streiks demonstrierten sie gegen die geplanten Änderungen im Arbeitsrecht.

Die Szenen erinnerten an den Mai 1968 - wenn auch auf niedrigerem Niveau. Spezialeinheiten der CRS (Bereitschaftspolizei) stürmten am 11. Februar die Pariser Sorbonne, um 200 StudentInnen und andere BesetzerInnen zu räumen, die seit vier Tagen das Gebäude besetzt hielten.

Die Spezialeinheiten der Polizei setzten Tränengas und Schlagstöcke ein. Mindestens zwei Menschen wurden schwer verletzt, elf festgenommen. Schon am Freitag davor hatten die Sicherheitskräfte symbolische Barrikaden auf dem Boulevard Saint Michel in der Nähe der Uni gestürmt. Die protestierenden AktivistInnen riefen ihnen zu: „Die Sorbonne gehört den Studenten.“ Rund 40 Universitäten waren zu diesem Zeitpunkt bereits besetzt (jetzt sind es mehr als 60). In Tours versammelten sich mehrere hundert StudentInnen am Bahnhof und blockierten drei Stunden lang die Züge.

Innenminister Nicolas Sarkozy, der schon im Herbst mit seiner rassistischen Hetze die Aufstände in den Vorstädten provoziert hatte und damit hofft, den Boden für seine Präsidentschaft, hartes Durchgreifen und einen thatcheristischen Angriff auf die Lohnabhängigen vorzubereiten, sah sich gezwungen, seine Kurzvisite auf den Antillen abzubrechen. Politisch hält Sarkozy sich zurück, zu den Forderungen der Demonstranten hat er sich bislang kaum geäußert - nur eine Probezeit von einem halbem Jahr für das neue Gesetz hat Sarkozy vorgeschlagen.

Gleichzeitig diskriminiert er die Protestierenden, sie gelten als Extremisten und Sarkozy betreibt eine rechte Propaganda gegen die Proteste, um die eigenen Verhaftungswellen zu rechtfertigen. Als solche Extremisten bezeichnete Sarkozy „rechte und linke“ Randalierer, sowie die militanten Jugendlichen - leider vergaß er dabei, dass die Rechten nur aus einem Grund die Proteste aufsuchten, um gegen Linke vorzugehen und damit der Polizei und dem Staat in die Hände zu spielen.

Inzwischen hat sich der französische Staat dazu entschlossen, seine Universitäten ganz zu schließen - in vielen Städten soll so der Protestbewegung der Raum genommen werden. Platzverbot und Schließung aus Angst vor Versammlungen der Studenten. Dies zeigt einmal mehr die zugespitzte Situation in Frankreich. Die Unruhen der Vorstädte konnten nur durch Ausgangssperre, massive Polizeieinsätze und Verhaftungswellen beendet werden, den Jugendlichen wurde mit Ausweisung gedroht.

Jetzt steht der französische Staat erneut unter Druck, die gesamte Jugend Frankreichs demonstriert für ihre Rechte und treibt so auch die Gewerkschaften und die Oppositionsparteien vor sich her.

Die „Reformen“

Die Proteste richten sich v.a gegen die Arbeitsmarktreformen des Premierministers de Villepin, das CPE (Contrat première embauche = Ersteinstellungsvertrag). Im Kern sieht dieser die Abschaffung des Kündigungsschutzes während der ersten beiden Jahre des Beschäftigungsverhältnisses vor - analog zu dem, was bereits seit dem Hochsommer vorigen Jahres durch den CNE (Contrat nouvelle embauche =  „Neueinstellungs-Vertrag“) ermöglicht worden ist. Der Unterschied dabei ist, dass dieser per Regierungsdekret vom 2. August 2005 eingeführte CPE die Beschäftigten in kleinen und mittelständischen Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern abgeschlossen werden kann - hingegen betrifft der derzeit in der Gesetzesdebatte befindliche CPE alle unter 26jährigen Lohnabhängigen, die künftig in Unternehmen beliebiger Größe und Mitarbeiterzahl eingestellt werden.

Die Regierung verspricht, mit dieser Maßnahme die Jugendarbeitslosigkeit zu senken, die unter den 18-25jährigen im Landesdurchschnitt bei über 20% liegt (bei einer Arbeitslosenrate von 9,6% unter der erwerbsfähigen Bevölkerung). In den ärmsten Regionen liegt sie mittlerweile sogar bei 40 Prozent. Nach den Unruhen der Vorstädte, in denen besonders Jugendliche aktiv waren, will die Regierung diese nun zum rechtlosen Arbeiten zwingen. Dies alles wird verkauft als ökonomische und soziale Antwort der Regierung auf die sozialen Missstände der Jugend.

Neben den Angriffen auf die Jugend liegen auch schon Maßnahmen zur Aufhebung des Kündigungsschutzes für ältere Beschäftigte in der Schublade.

Die Salamitaktik der Bosse und der Regierung ist offensichtlich. Zuerst sollen die Kernschichten der Klasse, die am stärksten organisiert und potentiell am kampfkräftigsten sind, durch die Schaffung einer riesigen Reservearmee Arbeitsloser unter Druck gesetzt werden. Dann geht es darum, eine unorganisierte, entrechtete Masse junger und alter ArbeiterInnen zu schaffen. Schließlich sollen die „Privilegien“ - also die oft hart erkämpften Rechte - der gewerkschaftlich organisierten Lohnabhängigen geschliffen werden.

Das ist auch der Grund, warum die Politik der Gewerkschaften in den letzten Jahren, den Angriffen auf die Jugend und die Älteren ständig Zugeständnisse zu machen, nicht nur schäbig, sondern auch gefährlich ist, weil sie natürlich auch neue Angriffe der Regierung provozierte.

So hatten die Gewerkschaftsführungen, die jetzt mit dem Generalstreik drohen, noch nach dem 9. März erklärt, dass Widerstand gegen die Aufhebung des Kündigungsschutzes zwecklos sei. Nur die entschlossene Haltung der Basis zwingt die Führung zu Zugeständnissen, nur so ist die neue Verhandlungsposition der Gewerkschaften zu erklären.  Jetzt fordern sie die Rücknahme des Gesetzes zur Aufnahme von Verhandlungen - auch zu dieser noch defensiven Taktik mussten die Führungen gezwungen werden.

Dabei ist es offensichtlich: Wenn Chirac, de Villepin und Sarkozy gestoppt werden sollen, dann müssen sie jetzt durch die gemeinsame Aktion der ArbeiterInnen und Studierenden gestoppt werden! Daher ist auch die Haltung des Studentenverbandes richtig: er will erst dann mit de Villepin verhandeln, wenn dieser das Gesetz zurück genommen hat.

Aktives Bündnis gegen Sozialabbau

Schon am 7. März demonstrierten SchülerInnen und StudentInnen sowie Teile der ArbeiterInnen trotz Regen und Kälte gegen das Gesetz. Dieser Aktionstag war von den Studentengewerkschaften (UNEF = Nationale Union der Studenten Frankreichs) ausgerufen und von den Elternvereinigungen sowie von den kleineren, kämpferischen Gewerkschaften unterstützt worden. Die Demos der SchülerInnen, organisiert von der FIDL (Demokratischer unabhängiger Verband der Oberschüler) wurden durch Lehrerstreiks, an denen sich rund 30 Prozent der Beschäftigten beteiligten, unterstützt. Besonders die SchülerInnen sind in vorderster Linie zu sehen, sie werden alle vom CPE betroffen sein - die Jugend Frankreichs wehrt sich weiter gegen den neoliberalen Umbau. Ihre Slogans sind: „Villepin, du bist futsch, die Jugend ist auf der Straße“ oder der einen bekannten Spruch variierend: „Oh Villepin, wenn Du wüsstest, wo wir uns Deine Reform hinstecken. In den A – in den Ah – Ah ah ah! Kein Zögern und kein Zaudern: weg mit dem CPE!“

Nach Schätzung der Organisatoren haben sich mehr als eine Million Menschen an den Demos beteiligt, in Paris allein mehr als 200.000. Im ganzen Land fanden rund 160 Demos statt. Solidaritätsaktionen brachten den Flug- und Zugverkehr in 35 Städten zum Erliegen. Mehrere Radiosender waren eingestellt. Verglichen mit den Aktionstagen einen Monat zuvor hat sich die Zahl der TeilnehmerInnen verdoppelt und verdreifacht.

Am Wochenende vom 18./19. März wurde das noch einmal getoppt. Auch die Gewerkschaftsführungen von LO, CFDT und CGT mobilisierten jetzt. Mehr als 1,5 Millionen gingen auf die Straße. Falls die Regierung das Gesetz nicht zurücknimmt, drohten die Gewerkschaften mit einem eintätigen Generalstreik.

Gleichzeitig tagte am Wochenende in Dijon die «Nationale Koordination der Studierenden / jungen Arbeitenden / Prekären gegen den CPE». Daran nahmen 450 Delegierte teil, die jeweils ein Mandat von studentischen Vollversammlungen in 66 Universitäten (von insgesamt 84) sowie einem halben Dutzend Grandes Ecoles (Elitehochschulen) hatten.

Hier zeigt sich die politische Form der studentischen Proteste: selbst organisierte Koordinationen und Delegiertenversammlungen sind fortschrittliche Entwicklungen, die beispielhaft sein sollten.

Hinzu kommt, dass sich zuletzt auch viele Jugendliche aus den Banlieus in Demonstrationszügen den StudentInnen und ArbeiterInnen angeschlossen haben. Zwar wird dies von der Regierung und den rechten Medien ausgenutzt, um die Proteste zu kriminalisieren und die Militanz in den Vordergrund zu rücken - es zeigt aber auch die zugespitzte soziale Krise in Frankreich und die Unfähigkeit der bürgerlichen Gesellschaft, die Probleme zu lösen. Die Probleme der Jugend in den Vorstädten, die Perspektivlosigkeit der Jugend auf dem Arbeitsmarkt und die verschärfenden Maßnahmen der bürgerlichen Regierung treiben die Jugend auf die Straße.

Der Fall Cyril Ferez

Als in Paris die Demonstration am 18.3 aufgelöst wurde, kam es wieder zu Ausschreitungen von Seiten der Polizei. Das Gewerkschaftsmitglied Cyril Ferez liegt seit diesem Samstag im Koma. Als Mitglied der Postgewerkschaft SUD PTT beteiligte sich Cyril Ferez an der Abschlusskundgebung. Zunächst wurde vom Innenministerium der Fall verschwiegen, von Schwerverletzten war am Samstagabend nicht die Rede, erst die Nachforschungen der Tageszeitung Liberation machten den Fall publik.

Sofort reagierte der Staatsapparat auf seine Art: der Schwerverletzte wurde verleumdet, als „besoffener Bursche mit 2 Promille im Blut, der sich entweder selbst geschlagen hat oder der einen Schlag während der Auseinandersetzungen abbekommen hat“, bezeichnet.

Sein Kollege Bruno Stevens war Augenzeuge und stellt die Situation so da: „Vor der Ankunft der CRS entfernten sich die Leute, wobei sich die Menge zerstreute. Er (Cyril Ferez) ist geschnappt worden. Er hat einen Schlag direkt auf den Kopf bekommen. Er ist wie ein Sack zusammengebrochen. Sie (die CRS) fuhr damit fort, ihn zu schlagen, während er am Boden lag - und wie! Ich habe mich genähert, um den Polizisten zu sagen: Sehen sie nicht, dass er bewusstlos ist!“

Wie auch bei den Studentenprotesten vor der Sorbonne und bei den Banlieu-Unruhen zeigt der Polizeiapparat sein wahres Gesicht. Mit Gewalt sollen die Proteste geschwächt werden. Dies muss die entschlossene Antwort der Protestierenden zu Folge haben; nicht einzelne anarchistische Provokationen sind geeignete Mittel, sondern nur gemeinsame Aktionen, Blockaden und Streiks können die Regierung unter Druck setzen – jede isolierte militante Aktion gibt Sarkozy einen erneuten Vorwand für Verhaftungen und Kriminalisierungen der DemonstrantInnen.

Trotz aller Angriffe finden die Proteste eine große Unterstützung in der Bevölkerung. Mehr als 60% der Bevölkerung stehen hinter den Forderungen der Jugend.

Der Aktionstag am 16. März und die Demos am 18. März gingen auf Aufrufe der StudentInnen und radikaleren Gewerkschaften zurück, die auch die großen Föderationen zum Handeln zwangen und die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich versammelten.

Revolutionäre Perspektive?

Während die reformistischen Führungen von Sozialisten und Kommunisten den Protest nur für ihr Wahlbündnis nutzen wollen - dies führte nach den Rentenprotesten 2003 zu klaren Wahlsiegen bei Regionalwahlen - ist auch die „trotzkistische“ LCR (Liga Revolutionärer Kommunisten) in den Protesten aktiv. Neben der Perspektive eines eintägigen Generalstreiks gegen die Regierung ist auch die LCR auf Bündnissuche und will durch diese Proteste Teil eines neuen Wahlbündnisses werden. Sie streben eine Teilnahme an dem Bündnis von Sozialisten/Kommunisten für die Wahlen 2007 an.

So wird bei einem Interview mit dem „Socialist Worker“ über ein „Prodi-Modell“ spekuliert - auch in Italien haben die zentristischen Organisationen die Führung durch die Reformisten akzeptiert. Nur die mögliche Wahl- und Parlamentsperspektive steht für diese „revolutionäre“ Organisation im Mittelpunkt, die realen Möglichkeiten dieses Streiks werden nicht wahrgenommen. So beschwören rechte Zeitungen schon die Gefahr einer Revolution - die Jugend- und Streikbewegung wird zumindest von ihren Gegnern ernst genommen. Auch die Unternehmerverbände wollen sich gegen das Gesetz stellen und de Villepin zur Veränderung bewegen - sie sehen das „soziale Gleichgewicht“ in Gefahr.

In einer solchen Situation dürfen nicht einfach nur Wahloptionen geprüft werden, hier muss der Widerstand aktiv unterstützt werden. Ein Kreuz auf einem Wahlzettel hat noch keine kapitalistische Politik beendet, schon gar nicht im Bündnis mit den Sozialisten. Deren ehemaliger Wirtschaftsminister Strauss-Kahn, ein eisenharter Neoliberaler, ruft aktuell sogar zur Unterstützung der Proteste auf. Das ist ungefähr so, als wenn in Deutschland Ex-Minister Clement plötzlich die Montagsdemos gegen Hartz IV unterstützen würde.

Revolutionäre Politik muss in der Bewegung stattfinden, nicht in reformistischen Wahlbündnissen. Strukturen wie in der Studentenbewegung müssen aufgebaut und legitimiert werden - die Bewegung wird dadurch verfestigt und kann unabhängig von bürgerlichen Wahlen und Parlamenten agieren. Vor allem aber, um den Jugendlichen eine politische Perspektive zu bieten, wäre eine revolutionäre Politik in der Bewegung wichtig.

Diese Sympathiewelle und die stärker werdende Solidarität zwischen ArbeiterInnen, Jugendlichen und RentnerInnen muss genutzt werden, um die Demos und Aktionen zu einer landesweiten Streikwelle gegen den Angriff zu bündeln und zur gesellschaftlichen und politischen Mobilisierung zu nutzen.

Dazu sind auch entsprechende Koordinierungen und Aktionskomitees notwendig, die den Kampf führen, organisieren und landesweit vernetzen.

Einerseits sind solche, von unten aufgebaute und der Basis verantwortliche, Kampforgane notwendig, um mehr und mehr ArbeiterInnen, StudentInnen, usw. aktiv in den Kampf einzubeziehen und eine längere Auseinandersetzung mit Staat und Staatsgewalt durchzustehen. Andererseits sind sie notwendig, um die Kämpfe der Kontrolle durch die bürokratischen Gewerkschaftsführungen und die reformistischen Parteien zu entreißen und der Gefahr entgegenzuwirken, dass die Bewegung auf einzelne symbolische Aktionen oder auf einen nur eintägigen Generalstreik beschränkt bleibt.

Es besteht die Chance, nicht nur den Angriff auf den Kündigungsschutz, sondern das gesamte neoliberale Regierungsprogramm zu stoppen. Dazu muss die Forderung des unbefristeten Generalstreiks ins Zentrum gerückt werden. Gerade die Breite dieser Bewegung gibt die Möglichkeit die Proteste zu einem Kampf gegen Kapital und Staat zu bündeln und eigenständige, nicht von Sozialisten und Gewerkschaftsführungen kontrollierte Strukturen zu schaffen.

Natürlich würde ein Generalstreik die Machtfrage aufwerfen: Wer, welche Klasse kontrolliert die Gesellschaft? An diesem Punkt trifft das aktuelle Interesse der Massen, den Angriff abzuwehren, auf die perspektivische und zugleich sehr reale Möglichkeit, den Kapitalismus insgesamt zu überwinden und die Macht selbst zu übernehmen. Ob diese Möglichkeit erkannt und genutzt werden kann, hängt freilich wesentlich davon ab, ob es eine revolutionäre Führung gibt, die das vermag.

Dass ein Generalstreik die Machtfrage aufwirft, heißt aber auch, dass sie revolutionär beantwortet werden muss. Die Reformisten – aber auch Gruppierungen wie LCR – sehen die „Lösung“ in einem Wahlbündnis, also in einer Verschiebung der parlamentarischen Kräfteverteilung.

Die revolutionäre Lösung ist eine andere – der Kampf für eine Arbeiterregierung, die sich auf die im Generalstreik geschaffenen Kampforgane und die Strukturen zur Verteidigung der Bewegung gegen die Attacken der Polizei stützt; im Kampf für eine Arbeiterregierung, die daran geht, die den Kapitalismus selbst zu kämpfen und neue räte-demokratische Machtorgane an die Stelle des bürgerlichen Staates stellt.

Diese und andere Fragen stellen sich sowohl durch den Generalangriff der letzten Monate, als auch durch den zunehmenden Popularitätsverlust der Regierung und die Konflikte zwischen Chirac und Sarkozy. Hier gibt es einen „Nachfolgekampf“ zwischen dem UMP-Vorsitzenden und Innenminister Sarkozy und dem Ministerpräsidenten de Villepin, welcher von Chirac gefördert wird.

Letztgenannte Schwächen der Regierung stellen eine vorübergehende günstige Situation dar, mit größtmöglichen Kräften anzugreifen. Wird diese Chance nicht genutzt, so werden die Angriffe auf den Kündigungsschutz für die Jugend zu einer Vertiefung der Spaltung der Arbeiterklasse führen und die Gefahr erhöhen, dass Sarkozy als nächster Präsident einen neuen thatcheristischen Angriff auf die Kernschichten der Arbeiterklasse durchziehen kann.

Europäischer Widerstand!

Die Solidarität und der gemeinsame Kampf müssen gleichzeitig auch in einem internationalen Kontext gesehen werden. Der Verdi-Streik in Deutschland, der eintägige Generalstreik des Öffentlichen Dienstes in Großbritannien, die Kämpfe der ArbeiterInnen und Jugend gegen die neoliberalen Reformen in Italien, die Streiks in Ländern wie Belgien oder Griechenland zeigen, dass die Lohnabhängigen in ganze Europa vor ähnlichen Problemen stehen.

All diese Angriffe sind Teil eines konzentrierten Generalangriffs, der auf die Agenda von Lissabon aus dem Jahr 2000 zurückgeht und auf die Vernichtung von Rechten und Errungenschaften der Arbeiterklasse und eine dramatische Verschiebung des Kräfteverhältnisses zu Gunsten des Kapitals zielt.

Zweifellos gibt es Unterschiede im Tempo, der Form, der politischen und gewerkschaftlichen Traditionen und Führungen in den verschiedenen europäischen Nationalstaaten. Aber diese Unterschiede dürfen keine Ausrede sein, den Kampf auf europäischer Ebene zusammenzuführen und zu koordinieren.

Das Europäische Sozialforum und die Versammlung der Sozialen Bewegungen vom 4.-7. Mai in Athen müssen diese Fragen aufgreifen und auf die Tagesordnung setzen. Sie müssen sich der Frage stellen, wie der Abwehrkampf gegen den Generalangriff des Kapitals, der europäischen Regierungen und der EU vorangebracht und koordiniert werden kann!

Gerade eine europäische Koordinierung ist aktuell entscheidend für die Stärke des Widerstandes. Das konnten wir schon bei den Protesten gegen die Hafenrichtlinie Port Package sehen. Die gemeinsamen Protestaktionen der europäischen Hafenarbeiter zwangen das EU Parlament, diese Richtlinie abzulehnen. Die europäische antikapitalistische Bewegung muss gemeinsame Aktionen zum Ziel haben, die EU tritt als direkter Vollstrecker ihrer Kapitalinteressen auf - eine Antwort darauf kann nur eine europäische sein, d.h. europaweiter Widerstand gegen die Richtlinien des Kapitals!

Daher brauchen wir auch beim ESF nicht nur einen „Jugendraum“ mit Kulturangeboten, sondern eine eigenständige Plattform der Jugend, wo die aktuellen Kämpfe vernetzt werden können und die europäische Jugend gemeinsam gegen die Politik der EU agieren kann. Schließlich ist es v.a. die Jugend, die morgen jede Agenda und jede Richtlinie ausbaden muss.

Den Protest der französischen Jugend müssen wir zum Thema machen. Die Jugend wehrt sich; sie wehrt sich unabhängig von den reformistischen Führungen und trägt ihre Forderungen auf die Straße. Dieser Protest muss Vorbild sein! Auch in Deutschland erlebten wir erst vor kurzem einen Angriff auf die Rechte der Jugend, die Kürzung und verschärfte Prüfung von ALG 2 als erste Maßnahme der Großen Koalition. Weitere Angriffe sind zu erwarten, der Kombilohn - als nächstes Instrument zur Zwangsarbeit wird bestimmt auch bei den Jugendlichen getestet - wie auch bislang schon verschärfter Arbeitszwang bei den unter 25jährigen herrschte.

Gleichzeitig geht es darum, die Solidarität mit den Aktionen der Jugend, der StudentInnen und der ArbeiterInnen in Frankreich zu organisieren, ihren Kampf zu unterstützen und Chirac, de Villepin und Sarkozy zu schlagen. Diese junge französische Bewegung ist stark und hat schon heute die reformistischen Führungen nach vorn getrieben. Der Widerstand muss und kann sich weiter politisieren und einen starken Arm einer europäischen antikapitalistischen Bewegung bilden.

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Nr. 109, April 2006

*  Öffentlicher Dienst: Wie kann ver.di den Kampf gewinnen?
*  Tarifrunde 2006:Metaller in den Streik!
*  Programmtische Eckpunkte WASG/Linkspartei: Ein reformistischer Wunschkatalog
*  Linksparteifusion: Hände Weg von der WASG-Berlin!
*  Pseudo-Demokratie: Nein zur manipulativen Urabstimmung!
*  Asylrecht: Universalwaffe Terrorismusvorwurf
*  70 Jahre Revolution in Spanien, Teil 1: Der Weg zur Revolution
*  Europäisches Sozialforum Athen: Olympiade des Widerstandes?
*  Heile Welt
*  Massenstreiks: Frankreich im Ausstand