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Wahlkampf 2005 und die Linke:

Mitschwimmen und absaufen

Frederick Haber, Neue Internationale 103, August/September 2005

Bei dieser Wahl ist das Interesse größer als sonst. Viele, die normalerweise nicht wählen, sympathisieren mit der Linkspartei. Gute Chancen für Sozialisten und Kommunisten, ihre Ansichten in Schichten der Bevölkerung zu tragen, von denen sie normalerweise isoliert sind.

Die Organisation LINKSRUCK nutzt diese Chance um die Reste des Marxismus über Bord zu werfen. "Die Bosse schaffen nur Arbeitsplätze, wenn sie dazu verpflichtet werden. Das will die WASG im neuen Linksbündnis mit der PDS erreichen." (Linksruck Nr 202 Juni 05)

Auch ArbeiterInnen, die keine Marxisten sind, wissen, dass die Unternehmer dann investieren, wenn der zu erwartende Profit in ihren Augen stimmt. Statt zu diskutieren, ob die hohe Arbeitslosigkeit vielleicht was mit einer Krise des Kapitalismus zu tun haben könnte, die nötigen Profite zu erwirtschaften, reduzieren sich die Linksruck-Autoren auf die technische Entwicklung: "Derzeit (!) nutzen aber die Bosse die steigende Produktivität, um Stellen zu streichen, während sie gleichzeitig die individuelle Arbeitszeit steigern. Dagegen richtet sich die WASG. Da die Bosse ihren Ideen nicht zustimmen, müssen sie mit einer starken Bewegung gestoppt werden."

So richtig der Kampf gegen die Verlängerung der Arbeitszeit ist, die WASG führt diesen Kampf nicht. Ihr Vorstand will keineswegs den Kampf gegen die "Bosse" führen, sondern diese überzeugen, dass eine steigende Binnennachfrage gut für das Wirtschaftswachstum ist. Auch die Gewerkschaften kämpfen derzeit nicht für Arbeitszeitverkürzung, auch wenn Linksruck sie auf den Metallerstreik von 84 hinweist. Stattdessen werden in unzähligen (Ergänzungs)-Tarifverträgen gerade Arbeitszeitverlängerungen unterschrieben. Die Berliner PDS hat in den letzten Jahren mehrfach die Arbeitszeit (z.B. für LehrerInnen) verlängern lassen.

Für Linksruck ist das allerdings noch lange kein Grund für eine Basisbewegung in den Gewerkschaften einzutreten, die den Kampf gegen den Ausverkauf durch die Bürokraten führt. Stattdessen werden WASG, PDS und Gewerkschaften beschönigt und darauf gebaut, dass "das neue Linksbündnis ins Parlament kommt".

Linksruck zeigt, wohin Opportunismus führt. Auf den Kongressen der WASG haben sie sich geweigert, für ein sozialistisches Programm zu kämpfen, mit der Erklärung, SozialistInnen könnten ja in Linksruck eintreten. Von der Zustimmung zu einem kapitalistischen Programm kommt Linksruck zu peinlicher Jubelpropaganda für die bürgerliche Politik in WASG-Führung und Gewerkschaften.

SAV

Die SAV, die ebenfalls innerhalb der WASG arbeitet, ist nicht dermaßen degeneriert. Sie kämpft für eine "Sozialistische Alternative" und kritisiert zurecht, dass das Programm der WASG nicht sozialistisch ist und im Sinne des Keynsianismus einen Kapitalismus will, der besser funktioniert, weil er sozialer ist.

Für die SAV besteht der Unterschied zwischen Sozialismus und Sozialstaat allerdings darin, dass SozialistInnen "konsequenter" sind und kämpferischer. Sie sind bereit gemeinsam mit dem Rest der Linken für Reformen zu kämpfen, solange sie als SAV dabei Reklame für den Sozialismus machen dürfen.

Der Hintergrund dazu ist, dass die SAV traditionell schwammige Aussagen zur Frage der Revolution liefert. Sie spricht von der "demokratischen Einbeziehung der Beschäftigten in die Kontrolle der Wirtschaft". Sie benennt, dass die Kapitalisten die gesamte Staatsmacht gegen eine sozialistische Bewegung einsetzen werden, ohne den mindesten Vorschlag zumachen, was dagegen zu tun sei. Für die SAV ist die Revolution ist die Extrascheibe, die zur Wurst der Reform gratis dazu kommt.

Das Programm ist selbst alles andere als revolutionär, lässt es doch gerade die Frage unberührt, wie die Arbeiterklasse den Kapitalismus stürzen kann, was sie anstelle des bürgerlichen Staats- und Unterdrückungsapparat setzen muss.

Selbstverständlich kämpfen RevolutionärInnen für die konkreten Ziele wie Arbeitszeitverkürzung oder Mindestlohn. Aber sie machen dies mit anderen Methoden als die Reformisten. Ihr Ziel muss es sein in diesen Kämpfen eigene, unabhängige Organe der Klasse aufzubauen, die die Selbstorganisation der Klasse erhöhen.

Das sind Strukturen, die in der Revolution die Machtorgane gegen den bürgerlichen Staat bilden können und die nach der Revolution die Strukturen des Arbeiterstaates bilden werden, wenn der bürgerliche Staat zerschlagen ist.

Diese Mischung aus Opportunismus und Unklarheit führt dazu, dass sich der Wahlkampf der SAV darauf reduziert munter die reformistischen Ziele der WASG zu propagieren. So wirbt ihr Kandidat auf der Landesliste in NRW gegen Studiengebühren und für den Ausbau der Universitäten - Punkt.

Genau damit verfehlen beide, Linksruck und SAV, von Beginn an den Sinn und Zweck kommunistischer Wahlpolitik - das revolutionäre Programm zu popularisieren.

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Nr. 103, Aug./Sept. 2005


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