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Planwirtschaft

Alternative zur globalen Armut

Theo Tiger, Neue Internationale 102, Juli/August 2005

"Der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 symbolisiert das Ende eines 40jährigen Konfliktes sozialer und ökonomischer Ideen. Die Debatte zwischen der freien Marktwirtschaft und sozialistischer Planwirtschaft ist endgültig entschieden." So frohlockte Alan Greenspan, Chef der US-Zentralbank.

Seit mehr als 15 Jahren ist die Blockkonfrontation beendet, der "globalisierte" Kapitalismus herrscht weltweit. Handelsblockaden wurden gebrochen, Finanzmärkte für globales Investment geöffnet - doch was sind die Ergebnisse?

Mehr als 1,2 Milliarden haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, mehr als 60 Millionen sind mit HIV infiziert, der Treibhauseffekt als Folge kapitalistischer Produktionsweise ist eine globale Bedrohung. Selbst das kapitalistische Zentrum USA wird von der Krise eingeholt: die Reallöhne sinken, die Kindersterblichkeit ist höher als in Kuba und 30% der AmerikanerInnen haben keine Krankenversicherung.

Kann die von Greenspan oft beschworene "unsichtbare Hand des Marktes" tatsächliche die Bedürfnisse der Menschen untereinander sinnvoll regeln? Wohl kaum, wenn z.B. nur 5% der Weltbevölkerung - die USA - 25% der globalen Energie verbrauchen.

Im Zentrum des Treffens der G8 im schottischen Gleneagles stand, wie die astronomische Verschuldung der "Dritten Welt" gemildert werden könne. Verschuldung, Unterentwicklung und Abhängigkeit der "Dritten Welt" - also des größten Teils der Weltbevölkerung - sind krasse Beispiele dafür, dass die kapitalistische Wirtschaft keineswegs in der Lage ist, auch nur die dringendsten Probleme der Menschheit zu lösen.

So werden auch die neuesten "Entschuldungsvorschläge" der G8 höchstens dazu führen, den Weg für eine Neuverschuldung zu öffnen und neue Zugeständnisse abzupressen. Die Hauptursache der Verschuldung - das kapitalistische Weltsystem - wird natürlich nicht angetastet.

Der Markt als Regulator?

Die globale Massenarmut kann durch die kapitalistische Ressourcenverteilung nicht beseitigt werden. Im Gegenteil: die Disproportionen in der Weltwirtschaft, die Schere zwischen armen und reichen Nationen, die Schere zwischen Millionären und Millionen klafft immer weiter auseinander.

Nur die Beseitigung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung kann eine neue Ordnung bewirken, die sich den globalen Bedürfnissen der Menschheit orientiert: eine sozialistische Planwirtschaft.

Schon die erste Stufe der Umstellung zur Planwirtschaft kann die globale Armut bekämpfen. Ohne Produktion für Profit, ohne Aufrechterhaltung nur für die kapitalistische Produktionsweise sinniger Sparten und Tätigkeiten werden Ressourcen freigesetzt, die dann neu verteilt werden können. Diese können dann für sauberes Trinkwasser, für medizinische Grundversorgung und eine ausreichende Ernährung eingesetzt werden. Die Verschwendung von Ressourcen einerseits wie das Brachliegen immenser produktiver Ressourcen andererseits hätten dann ein Ende.

Heute machen allein die Marketingkosten bestimmter Produkte mehr als 50% des Endpreises aus, diese Verschwendung menschlicher Arbeitskraft und Technik wird in einer sozialistischen Planwirtschaft keine Zukunft mehr haben. Die Produktion wird sich an den Bedürfnissen neu ausrichten und unnötige kapitalistische Formen beseitigen. Doch das heisst nicht, dass die Produktion stehen bleibt oder dass weniger produziert wird - im Gegenteil: wir können eine neue Produktivitätsentfaltung erwarten.

Jede Innovation wird sich an den Bedürfnissen entwickeln, Arbeit und Produktion werden völlig neu aufgestellt. Der Arbeitstag für den Einzelnen wird kürzer, die Arbeit kann neu in der Gesellschaft aufgeteilt werden. Anstatt wie heute Menschen zu entlassen, wird die Arbeit dann auf alle Arbeitsfähigen gleich aufgeteilt werden können. Auch die Produktivität wird unter solchen Bedingungen deutlich steigen.

Alle Marktverfechter, welche diese Möglichkeiten einer Planung verneinen, sind Demagogen und Lügner. Es ist nicht die Frage, ob Planung existiert oder stattfinden könnte - schon heute plant das kapitalistische System mehr Produktion und Konsumtion als je zuvor. Das Problem ist nicht die Planung an sich, sondern was im Kapitalismus letztlich geplant wird: die Erwirtschaftung von Profit.

Der Computerkonzern Dell z.B. verkauft 150.000 Computer am Tag, dies geschieht über ein globales Netz von Produktion und Dienstleistung, all das funktioniert nur mit einer lückenlosen Planung. Verschiedene Produktionszweige werden innerhalb von Stunden koordiniert - ohne genaue direkte Planung wär das Unternehmen gar nicht vorstellbar.

Die Apologeten des Marktes setzen den Markt mit Demokratie gleich, jede(r) könne sich nach seinen Bedürfnissen beteiligen - allerdings entscheidet am Markt der Geldbeutel über die "Beteiligung".

Grundbausteine der kapitalistischen Planung in den Bereichen Produktion und Distribution können und würden von einer Planwirtschaft übernommen werden, diese sozialistische Planwirtschaft kann die heutige Planung vom Profit des Kapitals befreien. Die Planung der Bourgeoisie produziert von dem einen zu viel und vom anderen zu wenig, der Wettlauf nach neuen Profitmöglichkeiten verhindert zugleich die Grundversorgung der Bevölkerung.

Da der Weltmarkt eben nicht nach einem Plan funktioniert, kollidiert die "interne" Planung der Unternehmen beständig mehr oder weniger mit den "Bedürfnissen" des Weltmarkts.

Nicht die Planung ist also das Problem, sondern dass im Kapitalismus einerseits Planung nicht nach gesellschaftlichen Bedürfnissen, sondern zuerst Planung von Gewinn ist und andererseits Planung nur im betriebswirtschaftlichen bzw. im Rahmen eines Konzerns stattfindet und nicht auf dem Markt, nicht auf nationaler oder gar internationaler Ebene.

Historische Erfahrungen

Wir wissen, das schon eine "sozialistische Planwirtschaft" existierte und in der UdSSR und in Osteuropa gescheitert ist. Doch dieses Scheitern lag nicht an der Planung an sich, sondern hatte ihre Ursache in der Bürokratisierung ökonomischer Prozesse durch stalinistische Kasten. In dieser Planwirtschaft konnte eben nicht die Bevölkerung ihre Bedürfnisse artikulieren. Der Plan wurde von den bornierten Interessen einer bürokratischen Kaste bestimmt.

In dieser Form hatten die stalinistischen Systeme durchaus Ähnlichkeit mit dem Kapitalismus: in beiden Systemen sind die ArbeiterInnen nur Objekte anderer Interessen.

Sozialistische Planwirtschaft kann nur von den ProduzentInnen und KonsumentInnen selbst "von unten" mit Leben erfüllt werden. Nur so kann gesichert werden, dass die "realen" Bedürfnisse zur Geltung kommen. Dann wird auch keine neue "Klingeltonoffensive" die VerbraucherInnen zu neuem Konsum treiben.

Diese Planung muss von den ArbeiterInnen und Bauern weltweit in Angriff genommen werden. In basisdemokratischen Prozessen muss die globale Produktion nach den globalen Bedürfnissen ausgerichtet werden, in diesem Prozess können auch Rivalitäten und Ressourcenprobleme gelöst werden, zu denen das kapitalistische System heute nicht in der Lage ist.

Natürlich können die Markwirtschaftler immer auf die Unmöglichkeit einer nationalen Planung hinweisen, der globale Kapitalismus untergräbt permanent nationale oder regionale Planungsversuche und orientiert sich am zu erzielenden Maximalprofit.

Lokale oder regionale Entscheidungen sollen und können vor Ort getroffen werden, aber globale Fragen wie Treibhauseffekt, Ressourcenverbrauch und Ernährung können nur im globalen Kontext gelöst werden.

Der Sozialismus kann auf die besten kapitalistischen Innovationen zurückgreifen, die Rationalisierung der Produktion, das Internet und der globale Transport können von der Planwirtschaft neu genutzt werden. Aber die Erträge dieser Arbeit werden nicht mehr den Kapitalisten zugute kommen. Die ArbeiterInnen werden dann für das Wohl der gesamten Menschheit arbeiten, sie werden selbst Kontrolle und Planung der Wirtschaft übernehmen. So kann eine Welt entstehen, die weder Armut, Krieg noch Klassenspaltung kennt, sondern allein den Bedürfnissen der Menschheit dient.

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Nr. 102, Juli/August 2005


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