Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Rechtsextremes Wahlbündnis

Nazi-Partei stoppen!

Hannes Hohn, Neue Internationale 96, Dez 2004/Jan 2005

Ins bunte Bild der Bewegung gegen Hartz und Agenda mischten sich auch einige braune Farbkleckse. Rechte Gruppierungen versuchten, auf die Protestzüge aufzuspringen. Besonders aktiv war dabei die NPD. Kein Wunder, dass sie bei den jüngsten Landtagswahlen deutliche Stimmengewinne erzielen und mit 9,1% in den sächsischen Landtag einziehen konnte. NPD und DVU hatten sich geeinigt, nur in jeweils einem Land anzutreten, so dass sich ihre Stimmen bündelten. Von diesem Erfolg ermutigt, planen beide Parteien nun, bei den nächsten Wahlen mit einer gemeinsamen Liste anzutreten. Auch andere rechte Parteien wie die Deutsche Partei haben sich dem Wahlbündnis von NPD und DVU angeschlossen, andere wie die Reps diskutieren diese Möglichkeit.

Hintergrund

Der Generalangriff des Kapitals führt zu sozialer Frustration, aber auch zu einer Politisierung und Aktivierung der Massen. Die erwähnten Landtagswahlen bestätigen diese politische Polarisierung nach rechts, aber auch nach links zur PDS.

Der Erfolg der NPD hat mehrere Gründe. Die Partei konnte ihr braunes Schmuddelimage zum Teil ablegen. Man engagiert sich kommunal und stellt in etlichen Gemeinden Sachsens Gemeindevertreter. Der Fahrschullehrer, der Arzt oder der Handwerksmeister mit NPD-Mitgliedsbuch stehen dafür, dass die Rassistenbande NPD in der "Mitte der Gesellschaft" ankommen will und angekommen ist.

Das von Schily angestrengte Verbot der NPD wegen Verfassungsfeindlichkeit wurde ein Flop, weil sich herausstellte, das zahlreiche NPD-Funktionäre V-Männer des Verfassungsschutzes waren. So viel zur Illusion auch vieler Linker, dass der bürgerliche Staat mittels Verboten etwas gegen die Nazis bewirken würde. Im Gegenteil: Gerade die Verbote militanter Nazi-Gruppen und der faschistischen FAP haben dazu geführt, dass viele braune Kader in die NPD gingen und sie quasi zu einem politischen und logistischen Zentrum der extremen Rechten wurde.

Noch wichtiger ist, dass die NPD bewusst auf soziale Demagogie setzt. Mit Losungen wie "Weg mit Hartz IV" oder "Gegen osteuropäische Lohndrücker" versucht die NPD, am sozialen Protest anzuknüpfen und ihn in eine rassistische Richtung zu lenken. Gleichzeitig geriert sich die NPD als Partei der "kleinen Leute", die den "deutschen" Arbeiter gegen allzu üble Profitmacher in Schutz nimmt. Das wird mit dem Versprechen verbunden, dass die NPD nicht nur "redet", sondern auch handelt. So versuchte die NPD, die Montagsdemos für sich auszunutzen oder in Ausnahmen sogar zu initiieren. Dort, wo die Linke inaktiv und die Gewerkschaft besonders schwach war, gelang ihr das in seltenen Fällen auch.

Ihre "Politik der Tat", die Betonung des Aufbaus von Organisationsstrukturen unterscheidet die NPD von einem reinen Propaganda- und Wahlverein wie der DVU und erklärt auch, warum gerade sie in den letzten Monaten an Boden gewinnen konnte.

In einem Moment, in dem Hunderttausenden bewusst ist, dass Wahlen oder einige Retuschen an den Reformen nicht ausreichen, sondern energische Kampfmaßnahmen nötig sind, kann eine sich "radikal" gebende Organisation anziehend wirken. Das funktioniert gerade dann, wenn die Linke und die Arbeiterbewegung diese Konsequenz vermissen lassen. Und das ist der Fall! Die Beispiele sprechen für sich: Abwürgen des Streiks für die 35-Stunden-Woche im Osten durch führende IGM-Reformisten, keine Unterstützung der Montagsdemos durch den DGB, Tolerierung, ja Umsetzung der Reform- und Kürzungspolitik durch die PDS-Landesregierungen.

Gegenüber dieser Verzagtheit und Doppelzüngigkeit der reformistischen Spitzen von PDS und Gewerkschaften erscheint die NPD in den Augen vieler nicht klassenbewusster oder marginalisierter Schichten (Mittelstand, Arbeitslosen, Jugendliche) attraktiv.

Die Osterweiterung der EU als Teil der Schaffung eines europäischen imperialistischen Blocks ist für die Rechten ein willkommener Anlass, um die rassistische Karte zu spielen, denn "Billigarbeit bedroht deutsche Löhne". Dieser rassistischen Politik arbeitet auch die Gewerkschaftsspitze mit ihrer unseligen Standortpolitik in die Hände. Im Grunde ist die NPD-Politik nur die Fortsetzung der "normalen" bürgerlichen Politik auf radikalere Art. Auch die verlogene Debatte über "Sozialschmarotzer", oder "kriminelle Ausländer" unterscheidet sich allenfalls graduell von den Sprüchen der NPD.

Da verwundert es nicht, wenn angesichts des Aufschwungs der NPD bürgerliche Politiker meinen, man könne den Rechten dadurch das Wasser abgraben, indem man deren Themen selbst besetzt. In diesem Sinn schwadroniert man in der Union erneut über die deutsche "Leitkultur" und SPD-Altkanzler Schmidt meint, dass man damals keine "Gastarbeiter" hätte holen dürfen. Wer so den Rassismus salonfähig macht, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Leute dann lieber das rassistische Original in Gestalt von DVU oder NPD wählen statt der in Sachen Rassismus und law and order-Politik zu "weichen" Volksparteien.

Rechtes Wahlbündnis

Ein Wahlbündnis von NPD und DVU wäre in mehrfacher Hinsicht gefährlich. Es macht sie nicht nur politisch "salonfähig" und gibt ihnen größere mediale und finanzielle Spielräume. Auch der Druck auf die bürgerliche Mitte und ihr Hang zu reaktionärem Populismus würde steigen.

Weit gefährlicher ist jedoch ein anderer Aspekt. Seit Jahren gibt es Versuche, die NPD stärker auf einen militant-faschistischen Kurs zu bringen und die Partei quasi zu einem "logistischen Zentrum" der gesamten rechten Szene zu machen. Die engen Verbindungen der NPD zur rechten Terrorszene, zu Kameradschaften und Nazi-Skins sind berüchtigt.

Bisher war es noch nicht gelungen, aus der NPD eine faschistische Massenpartei zu machen, also eine Organisation, die sich als Kern einer militanten Bewegung gegen die Arbeiterbewegung, gegen Linke, Ausländer, Juden usw. versteht. Der jüngste Parteitag der NPD hat aber einen weiteren Schritt in diese Richtung getan. Er sprach sich für eine engere "Kooperation mit allen national gesinnten Elementen" aus und wählte mit Heise einen bekannten Stiefel-Nazi in den Vorstand.

Strategische Probleme

Nach wie vor gibt es in Deutschland einen "antifaschistisch-demokratischen" Mainstream-Konsens, der von Wissenschaft, Medien, Bildungswesen und Politik eifrig gepflegt wird. Sein Kern besteht darin, dass der Kapitalismus, dass die deutsche Bourgeoisie als Klasse aus der Schusslinie der Kritik genommen wurden, indem man "dem deutschen Volk" als Ganzes eine Kollektivschuld an den Verbrechen des Faschismus unterschob - also auch der Arbeiterbewegung, dem ersten Opfer und Klassenfeind des Faschismus.

Die vom Faschismus verübten Verbrechen und seine auch für das deutsche Kapital negative historische Bilanz machten und machen die Nazis immer noch für eine große Mehrheit abstoßend und als reale Option des Kapitals ungeliebt.

Zudem ist das strategische Ziel der deutschen Bourgeoisie - der Ausbau der EU als imperialistisches Konkurrenzprojekt zu den USA - momentan wenig kompatibel mit den nationalistischen und militant-rassistischen Orientierungen der extremen Rechten. Das schließt aber nicht aus, dass das Kapital, wenn ihm kein anderer Ausweg bleibt bzw. eine faschistische Massenbewegung existiert, auf die Faschisten als letzte Reserve zurückgreifen.

Die NPD und ihr Projekt einer "Nationalen Liste" verfolgen zwei Hauptziele: 1. sollen das demokratische Image und der Masseneinfluss verbessert werden; 2. soll die NPD zum politischen und logistischen Zentrum der rechten Szene und damit die Zersplitterung der rechten Szene überwunden werden.

Insofern stellt dieser Versuch durchaus eine qualitativ neue Gefahr dar - nicht nur deshalb, weil er den Boden für die Schaffung einer faschistischen Massenpartei- bzw. Bewegung bereitet; vor allem auch deshalb, weil die Krise zur sozialen Entwurzelung und Frustration von Hunderttausenden führt und damit objektiv ein mobilisierbares Potential für den Faschismus entsteht. Die Eskalation von rassistischer Hetze, Übergriffen und Repression des Staates gegenüber AusländerInnen in jüngster Zeit in Holland lassen auch für Deutschland nichts Gutes ahnen.

Auch das Programm der NPD "passt" zur jetzigen Übergangssituation. Es ist kein strasserianisches, "sozial-revolutionäres" wie etwa früher das der FAP. Vielmehr kombiniert es Elemente sozialer Demagogie mit neoliberalen Elementen. Es verbindet gewissermaßen die "Bedürfnisse" der von der Krise Gebeutelten mit jenen der Verursacher der Krise. Es liegt auf der Hand, dass sich dieses Programm je nach politischen Umständen und taktischem Kalkül verändern wird. Es ist nicht neu, dass das braune Ungeheuer einen Januskopf trägt.

Gerade weil sich die Rechten als scheinbar radikale Gegner des Sozialabbaus präsentieren, müssten sich die Linke und die Arbeiterbewegung als kämpferische und entschlossene Alternative zeigen. Es gilt, die Aufmärsche, Aktionen, Versammlungen, die mediale Präsenz und sonstige Auftritte der Nazis zu verhindern, anstatt demokratische Krokodilstränen über ihr Erstarken und das schwindende Vertrauen in die Demokratie zu beklagen.

Kein Rede- und Versammlungsrecht für die Faschisten und Rechtsextremisten! Verhindert ihr Auftreten durch Mobilisierungen der Arbeiterbewegung, der ImigrantInnen und der Jugend!

So ist es auch möglich, die verbreitete Indifferenz und Untätigkeit der Gewerkschaften gegenüber dem Faschismus und die rassistischen Ressentiments auch vieler ArbeiterInnen zu überwinden.

Das beunruhigende Erstarken der Rechten führt uns auch klar vor Augen, dass die weitgehend autonom geprägte Antifa mit ihrer Strategie an eine Grenze gestoßen ist. Sie ist jetzt schon viel zu schwach, um eine stärkere faschistische Bewegung zu stoppen.

Ihr Selbstverständnis als "einzig aufrechte militante KämpferInnen", ihre Ignoranz gegenüber der als hoffnungslos verbürgerlicht angesehenen Arbeiterklasse und die irrige Ansicht, es gäbe einen vom sonstigen Klassenkampf getrennten "Antifaschismus" manövrieren sie in eine Sackgasse und schwächen das antifaschistische Potential.

Nur wenn es gelingt, den Kampf gegen Faschismus und Rassismus mit dem Kampf gegen die sozialen Angriffe zu verbinden; nur wenn es gelingt, Antifaschisten und Arbeiterbewegung in der Aktion zu vereinen, kann die braune Welle gestoppt werden.

Leserbrief schreiben   zur Startseite

neue internationale
Nr. 96, Dez 2004/Jan 2005

*  Perspektiven der Gewerkschaftslinken: Sekt oder Selters?
*  Gewerkschaftsopposition und revolutionäre Partei: Neuer Anspruch
*  Slowakei, Streik bei Neusiedler: Papierstau im Sweatshop
*  17. November in München: Ver.di-Aktionstag
*  Wahlalternative: Der lange Schatten der SPD
*  Linksruck in der Wahlalternative: Links ruckt in die Mitte
*  Heile Welt
*  Gesundheitsreform: OP gelungen, Patient tot
*  Rechtsextremes Wahlbündnis: Nazi-Partei stoppen!
*  Statt eines Nachrufs: Wer war Arafat?
*  100 Jahre Massenstreikdebatte: Massenstreik und Revolution