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Volksfront in Brasilien

Vierte Internationale regiert mit

Stuart King, Neue Internationale 84, Oktober 2003

Es war immer ein Prinzip des revolutionären Marxismus, keiner Regierung beizutreten, die den Kapitalismus und den bürgerlichen Staat verteidigt. Das Ziel von RevolutionärInnen muss der Sturz des Kapitalismus sein.

Dazu ist die Zerschlagung des Staatsapparates und seine Ersetzung durch Räte und die Bewaffnung der Arbeiterklasse notwendig. Der Eintritt in eine bürgerliche Regierung widerspricht diesem Ziel. Er kann nur dazu führen, die bestehenden Eigentumsverhältnisse gegen die Ausgebeuteten zu verteidigen - statt umgekehrt die Interessen der ArbeiterInnen gegen diesen Staat und die dahinter stehende Herrschaft des Kapitals zu verteidigen.

Daher haben alle großen RevolutionärInnen - Luxemburg, Lenin, Trotzki - jede Abweichung von dieser Position scharf kritisiert.

Lenin bekämpfte in der russischen Revolution all jene FührerInnen der Bolschewiki (wie Stalin und Kamenev), die der provisorischen Regierung aus Menschewiken, Sozialrevolutionären und Kadetten beitreten wollten. Die Kommunistische Internationale lehnte jeden Eintritt in Koalitionen mit bürgerlichen Parteien, aber auch mit "bürgerlichen Arbeiterregierungen", also Regierungen von Sozialdemokraten oder Labour-Parteien ab.

Auch die Vierte Internationale Trotzkis wurde ursprünglich in klarer Ablehnung solcher Regierungen und jeder Beteiligung an ihnen geschafften. Sie kritisierte die "Volksfrontregierungen" der 1930er Jahre, Koalitionen zwischen bürgerlichen, sozialdemokratischen und "kommunistischen" (in Wirklichkeit stalinistischen) Parteien, weil sie immer auf die Unterordnung der Arbeiterklasse unter die Interessen der Bourgeoisie (oder eines ihrer Flügel) und die Verteidigung des kapitalistischen Systems hinauslaufen mussten und müssen. Die Volksfront war und ist ein Mittel zur Zügelung der Arbeiterklasse, zu ihrer Demobilisierung und zur Verhinderung der Revolution.

Verrat

Umso beschämender ist daher, dass die "Trotzkisten" des Vereinigten Sekretariats der Vierten Internationale (VS) heute die Politik der Stalinisten aus den 30er Jahren imitieren.

Die "Demokratischen Sozialisten", die brasilianische Sektion des VS, stellen ein Mitglied der Volksfrontregierung Lulas! Das wir folgendermaßen gerechtfertigt: "Eine Weigerung, das Amt anzunehmen, hätte in der Partei (der PT; Anm. der Redaktion) und besonders gegenüber Millionen WählerInnen bedeutet, sich aus der Verantwortung zu stehlen." (International Viewpoint, Mai 2003)

Genau das Gegenteil trifft zu! Hätten sich die Demokratischen Sozialisten, hätte sich die ganze Strömung geweigert, die "Verantwortung" für eine bürgerliche Regierung zu übernehmen, hätte sie ein wichtiges Signal an Millionen ArbeiterInnen und Bauern gegeben.

Sie hätte deutlich machen können, dass die PT und ihre Führung die Interessen der Massen verraten und dass die Demokratischen Sozialisten dabei nicht mitspielen.

Durch die Übernahme eines Ministeriums geben die Demokratischen Sozialisten der Regierung Lula eine dringend benötigte linke Flankendeckung. Sie kommen damit der von ihnen angeführten Verantwortung gegenüber den Mitgliedern der PT wie den ArbeiterInnen und Bauern im ganzen Land nicht nach.

Der "trotzkistische" Minister, Miguel Rossetto, hat in der Regierung Lula auch gleich einen besonders "verantwortungsvollen" Posten erhalten - jenen des Ministers für Landreform. Lt. VS würde das der Selbstorganisation der LandarbeiterInnen helfen. Mit solchen Begründungen betrügen sich der Minister und seine GenossInnen nur selbst.

Rossetto ist Mitglied eines Kabinetts, das überhaupt nicht die Absicht hat, eine bürgerliche Agrarreform ernsthaft durchzuführen - ganz zu schweigen davon, die Macht der Landoligarchie zu brechen. Rossetto ist Mitglied eines Kabinetts, das Bauernführer verhaftet und Landbesetzungen illegalisiert. Trägt das zur "Selbstbewusstwerdung der LandarbeiterInnen" bei?

Falsche Toleranz

Das VS und seine Sektionen haben den Klassenverrat ihrer brasilianischen Sektion gerechtfertigt oder tolerieren ihn - frei nach dem Motto "Brasilien ist weit". Auch die deutschen Sektionen - RSB und isl - üben sich in "Toleranz" und führen keinen politischen Kampf in dieser grundlegenden Frage.

Sie zeigen damit nur, dass diese "Internationale" jeder revolutionären und internationalistischen Ausrichtung längst entsagt hat.

Die Arbeiterklasse, die Anti-KapitalistInnen der Welt haben Besseres verdient als diesen Überrest der Vierten Internationale, der mit zentralen Prinzipien Trotzkis und des Marxismus gebrochen hat - sie ist geschichtlich erledigt. Wir brauchen eine neue, revolutionäre Fünfte Internationale!

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Nr. 84, Oktober 2003

*  Demo am 1. November: Heißer Herbst für Schröder!
*  Gewerkschaften: Kampf oder Friedenspflicht?
*  Heile Welt
*  München: Braune Terroristen, blinder Staat
*  Brasilien: Lulas Weg nach Rechts
*  Volksfront in Brasilien: Vierte Internationale regiert mit
*  30. Jahrestag des Pinochet-Putsches: Vom Traum zum Trauma
*  Palästina: Verteidigt die Intifada-AktivistInnen!
*  27. September: Aktionstag ohne Action
*  Die SAV und der Antikapitalismus: Global daneben
*  WTO-Gipfel in Cancún: No pasarán!
*  Europäisches Sozialforum: Auf nach Paris!