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WTO-Gipfel in Cancún

No pasarán!

Erich Swoboda, Neue Internationale 84, Oktober 2003

No pasarán. Keiner kommt durch. Die Multis sind nicht durchgekommen! Das Scheitern des Gipfeltreffens der Welthandelsorganisation WTO im mexikanischen Cancun ist ein Teilerfolg der internationalen Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung. Die Jubelszenen der Delegierten der "Entwicklungs"länder bringen dies ebenso zum Ausdruck wie die niedergerissenen Zäune der Polizeiabsperrungen um die Luxushotelzone und die feiernden Menschen auf den Straßen!

Trotz der entlegenen Lage der Provinzstadt Cancun, um die eine Sperrzone mit einen Radius von 10 Kilometern errichtet wurde, gab es auch diesmal Massenproteste. Dabei kam es zu Barrikadenkämpfen. Ein südkoreanischer Bauer beging aus Protest gegen die WTO Selbstmord.

Das Treffen scheiterte daran, dass die imperialistischen Länder nicht bereit waren, ihre Subventionen an ihre Bauern und v.a. das Agrobusiness, zu kürzen.

Ein Block bürgerlicher Regierungen halbkolonialer Länder, der von Beratern aus NGO's (Nichtregierungsorganisationen) unterstützt wurde, hatte die Erpressung des "Nordens" abgelehnt, Verhandlungen über neue Regulierungen für Auslandsinvestitionen als Vorbedingung für eine Öffnung der Märkte der imperialistischen Länder für die "Dritte Welt" zu akzeptieren. Kein Deal sei besser als ein schlechter Deal, argumentierten sie.

Hintergründe

Wie schon in Seattle vor vier Jahren hat das Scheitern der WTO-Konferenz nicht nur die Legitimität und Bedeutung der Organisation unterminiert. Das Ausbleiben einer neuen Runde von Zoll- und Subventionssenkungen hat angesichts der wichtigen Rolle des internationalen Handels für das Wachstum der kapitalistischen Weltwirtschaft auch große ökonomische Auswirkungen, die den ohnedies schwachen Aufschwung gefährden können. Mit der WTO-Konferenz war die Hoffnung verbunden, Voraussetzungen für eine neue Welle der Internationalisierung des Kapitals zu schaffen, für Übernahmen und Aufkäufe in der "Dritten Welt".

Die Handelsgespräche, die vor zwei Jahren kurz nach dem 11. September in Doha begonnen hatten, sollten in Cancun zum Abschluss kommen. Ziel der Gespräche war, den vom Imperialismus beherrschten Ländern rechtliche Rahmen für Investitionen aufzuzwingen, die dazu führen, dass multinationale Konzerne den lokalen Unternehmen rechtlich vollständig gleichgestellt sind.

Im Gegenzug wollten die EU und die US-Regierung einige kleine Zugeständnisse machen: günstigeren Zugang zu Generika für die AIDS-Bekämpfung oder gegen andere Krankheiten; geringere Agrarsubventionen; einige Zollreduktionen für "Dritt-Welt"-Güter.

Fatale Folgen

Doch seit Doha ist das Gegenteil passiert. Im letzten Jahr stiegen die US-Agrarsubventionen auf 90 Mrd. Dollar. Die EU und USA subventionieren ihre Großbauern und die Agrar-Industrie mit rund 300 Mrd. Dollar pro Jahr, um so die Konkurrenz aus den halbkolonialen Ländern am Weltmarkt zu unterbieten und die kleineren und finanzschwächeren Produzenten dort in den Ruin zu treiben.

Ein Beispiel. Die USA sind der größte Baumwollproduzent der Welt. Washington stützt die 25.000 Farmer des Landes mit 4 Milliarden pro Jahr - und das, um Baumwolle im Wert von 3 Milliarden zu produzieren! Kein Wunder, dass die Farmer in Afrika nicht mithalten können und reihenweise aus dem Markt gedrängt werden.

Die Folge dieser Politik sind Kleinbauernsterben, Umweltzerstörung, kapitalistische Kontrolle und Vernichtung der biologischen Vielfalt. Diese Auswirkungen ruinieren ganz direkt unsere Lebensgrundlagen.

In den Industriestaaten beherrschen Agrarkonzerne das Feld, die mit Summen subventioniert werden, welche jene der Entwicklungshilfe weit übersteigen. Dieser kapitalistische Konzentrationsprozess, bei dem es auch um Kontrolle über Bio-Patente und Saatgut geht, führt nur vorübergehend zu Preisminderung, um die Konkurrenz zu vernichten. Nach abgeschlossener Monopolbildung (Monsanto, United Fruit) werden die Preise wieder nach oben getrieben.

Ein aktuelles Beispiel für das Wirken des Neoliberalismus ist der Preiseinbruch bei Baumwolle zwischen 1997 und 2002 um 50 Prozent. Nachdem die bäuerliche Subsistenzwirtschaft in Westafrika auf das Weltmarktprodukt Baumwolle umgestellt wurde, wird dieser Sektor dort zugunsten der subventionierten, umweltzerstörenden Billigkonkurrenz ruiniert. Viele Bauern in Westafrika verlieren ihre Existenz.

Da die halbkolonialen Länder nicht die Mittel haben, ihre Agrarproduktion ähnlich zu subventionieren, greifen sie zu Schutzzöllen, um ihre Produktion einigermaßen zu schützen. In den letzten 20 Jahren wurden diese Zollmauern unter dem Druck der großen multi-nationalen Konzerne und der Verschuldung mit Hilfe der proimperialistischen Regime drastisch reduziert.

Alternativen

Die antikapitalistische Bewegung, Gewerkschaften und Bauernorganisationen wurden in den letzten fünf Jahren zu einer wichtigen Gegenkraft gegen diese Politik des Imperialismus und gegen die korrupten Statthalterregime in der "Dritten Welt". Das hat auch dazu geführt, dass die Anliegen von Kleinbauern öffentlich gemacht wurden und auf den Konferenzen verbale "Berücksichtigung" finden.

Gleichzeit haben sich aber die rechteren NGOs wie Cafod auch mehr an die WTO angepasst. Sie bedauerten das Scheitern der Gespräche, weil ein schlechtes Abkommen schließlich verbessert werden könne!

In Wirklichkeit braucht die Masse der Kleinbauern und Landarbeiter weder die WTO noch einen WTO-Deal. Notwendig ist vielmehr die Abschaffung der Subventionen des Agrobusiness und jeder Abschottung der westlichen Märkte gegenüber der "Dritten Welt".

Notwendig sind die Unterstützung und Solidarität der Arbeiterbewegung und der Anti-KapitalistInnen weltweit. Notwendig ist der Kampf gegen das kapitalistische System, das gerade in der Landwirtschaft seine Irrationalität offenbart - Überproduktion auf der einen Seite, Verelendung und Hungersnot auf der anderen.

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Nr. 84, Oktober 2003

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