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Deutsche Linke und der Krieg

Nur Frieden?

Susanne Kühn, Neue Internationale 78, März 2003

Lenin unterschied zwischen dem Pazifismus der Massen und demjenigen bürgerlicher und klein-bürgerlicher Führer. Hinter jenem der Massen steckt ehrliche Friedenssehnsucht. Hinter dem Pazifismus der Regierungen, der Reformisten und der Grünen nur Heuchelei und "sozialer Imperialismus".

"Was aber steckt hinter dem Pazifismus der Linken?" Klar - lassen wir einmal die vorgeblich linken antideutschen "Knaller" von "Bahamas" bis "konkret" beiseite - ist die deutsche Linke insgesamt und die überwältigende Mehrheit der Arbeiterbewegung gegen den Angriffskrieg auf den Irak.

Dass die Position der Regierung nicht nur den Druck der Straße, sondern auch die längerfristigen Interessen des deutschen Imperialismus zum Ausdruck bringt, haben wir schon öfter dargelegt. Daher ist die Enthüllung des Charakters der Regierungspolitik (wie des gesamten "friedlichen Imperialismus") für jede linke Organisation eine politische Pflicht.

Das schließt natürlich auch Forderungen an die Regierung ein - nach Rückzug der deutschen Truppen aus dem Ausland, nach Verweigerung der Überflugrechte, nach Streichung der militärischen Unterstützung für NATO, Türkei und Israel und aller Mittel für die Bundeswehr. Das muss in klarer Verbindung mit der Massenmobilisierung gegen den Krieg geschehen.

Eine richtige Haltung zu den "regierungsnahen" Führern der "Friedensbewegung" ist aber nur möglich, wenn sich die Kriegsgegnerschaft aus dem Charakter des Krieges herzuleitet.

Bei allen Unterschieden sind sich nämlich Schröder und Bush mit vielen aus der Anti-Kriegsbewegung einig: der "Auslöser" der Krise sei Saddam Hussein. Es gehe darum, ihn zu entwaffnen. Unterschiedlich sind allenfalls die Wahl der Mittel und die geostrategischen Interessen von USA und Deutschland bzw. der EU.

Ziel Entwaffnung?

Zur Entwaffnung Saddams haben Schröder und Fischer mit einer Invasion von Waffeninspektoren gedroht.

Heute ist dieser Plan zwar Makulatur - auf eine Besetzung des Landes, wenn auch mit "friedlichen Mitteln", läuft aber auch dieses Vorhaben hinaus. Der grundsätzlichen Legitimität einer Kontrolle des Irak durch die "Weltgemeinschaft", d.h. im Klartext durch den UNO-Sicherheitsrat, stimmt auch der kriegsgegnerische Teil der Arbeiterbewegung zu.

"Die Zerstörung möglicher Massenvernichtungsmittel des Iraks, die Abwehr einer von ihm ausgehenden Bedrohung und die Schaffung von Voraussetzungen für eine friedliche Entwicklung in dieser Region seien legitime Ziele der internationalen Gemeinschaft. Aber nicht ein einzelner Staat, sondern nur die UN seien berechtigt, über die Bedrohungssituation zu entscheiden und über die Wahl der Mittel und deren Einsatz zu befinden." (Erklärung des IG Metall-Vorstandes zum drohenden Irak-Krieg, 14. Januar 2003)

Ins gleiche Horn blasen die PDS und ihre Verbündeten in der "europäischen Linken". Sie fordern "wirksame Durchsetzung des Prozesses der UN-Inspektionen zur Beseitigung der Massenvernichtungswaffen im Irak entsprechend der Resolution 1441 des UN-Sicherheitsrates ..." (Den Krieg verhindern bevor er beginnt. Gemeinsamer Appell von Mitgliedsparteien des Forums der Neuen Europäischen Linken und der Irakischen Kommunistischen Partei vom 14.2.03).

Diese Positionen lassen keinen Zweifel aufkommen, dass IG Metall- und PDS-Führung, ebenso wie Rot-Grün, eine imperialistische Neuordnung des Irak begrüßen. Die PDS, die überhaupt gern Alternativen für eine demokratisch-friedliche kapitalistische Welt entwirft, packt auch gleich ihren Vorschlag für die "Demokratisierung" des Irak aus:

"Einberufung einer internationalen Konferenz über den Irak unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen und mit Teilnahme der irakischen demokratischen Opposition, auf der wirksame Mittel ... entwickelt werden, die dem irakischen Volk helfen, die despotische Diktatur zu überwinden, wahrhaft demokratische Verhältnisse zu schaffen und die Gefahren des Kriegs abzuwenden." (Gemeinsamer Appell, 14.2.)

Dem könnten auch Bush und Blair zustimmen. Doch sie wollen nicht abwarten, bis Saddam freiwillig seine Macht abgibt, sondern der "internationalen" Konferenz gleich vorgreifen. Die irakische Opposition lassen die US-Imperialisten gern teilnehmen. Ja sie gehen sogar weiter als die PDS und rüsten diverse bürgerliche und halb-feudale Halsabschneider auch militärisch in Ungarn aus.

Imperialismus light

Ob gewollt oder nicht - letztlich reden IG Metall und PDS der Durchsetzung imperialistischer Interessen in der "Dritten Welt" das Wort. Dahinter steht vor allem eines. Der Krieg zwischen den USA und dem Irak wird vollkommen oberflächlich analysiert. Auf der einen Seite stünde die Führungsmacht von "freedom und democracy", die aber etwas irrational und damit selbst friedensgefährdend agiere, wenn auch aus "berechtigter Sorge". Andererseits hätten wir es mit einer bösen Diktatur und einem Regime zu tun, dass in der Weltgemeinschaft der Staaten nichts zu suchen hätte.

Außen vor bleibt der Klassencharakter des Kriegs. Es geht eben nicht um Demokratie, Menschenrechte oder die politische Form des Regimes in Bagdad. Es geht vielmehr darum, den Irak wieder fest in eine US-dominierte) imperialistische Weltordnung einzubinden, um so die Kontrolle über eine geostrategisch zentrale Region sicherzustellen.

Dass Deutschland, Frankreich oder Russland auf die UNO setzen, hängt damit zusammen, dass sie so ihre eigenen Interessen besser zur Geltung bringen können. Hinter den verschiedenen Positionen in der UNO steht die imperialistische Konkurrenz. Das drückt - unfreiwillig wohl - auch die PDS aus:

"Ein Krieg der Vereinigten Staaten von Amerika gegen den Irak wird zweifellos auch ein Krieg gegen Europa, die Vereinten Nationen und die Regeln des Völkerrechts sein. Er wird sich gegen die gesamte Menschheit richten, da dieser Krieg einen extrem gefährlichen Präzedenzfall für die Durchsetzung des Konzepts von ‚Präventivkriegen' schaffen wird.

Daher rufen wir alle Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf, sich dem Krieg zu widersetzen, die Durchsetzung der UN-Resolutionen zum Irak mit diplomatischen und politischen Mitteln zu gewährleisten."

So schnell wird die noble Sorge um den Weltfrieden zur Verteidigung der imperialistischen EU und der UNO - selbst eine imperialistische Institution, deren "Weltgemeinschaft" im Wesentlichen aus den fünf ständigen Sicherheitsratsmitgliedern mit Vetorecht besteht.

Einen linkeren Standpunkt nehmen dagegen die DKP und ihrer Verbündeten ein.

"Mehr und mehr wird deutlich, dass der geplante Krieg das militärische Ziel verfolgt, die strategische Kontrolle über die Region, Öl und Märkte zu erlangen. Gleichzeitig handelt es sich um einen Versuch der US-Regierung, die ökonomische Krise zu überwinden und Probleme auf Kosten anderer zu lösen." (Gemeinsame Erklärung von Kommunistischen, Arbeiter- und Linksparteien)

Vor lauter Sorge um Frieden und Völkerrecht stellen sie jedoch nicht die Mobilisierung gegen den Krieg in den Mittelpunkt, sondern die Sorge um die Weltordnung. "Wir müssen vor den Versuchen der Großmächte warnen, die UNO zu erpressen." Müssen wir auch den Irak gegen die imperialistische Aggression - mit oder ohne Zustimmung der UNO - verteidigen? Darüber schweigt sich die DKP aus. Bestenfalls.

Which side are you on?

Spätestens bei Ausbruch des Krieges wird die Position "Nein zum Krieg" oder "Frieden" ganz und gar ungenügend. Es geht dann darum, den imperialistischen Aggressoren eine Niederlage durch Massenproteste, Streiks, Blockaden usw. in ihrem Aufmarschgebiet und durch den militärischen Kampf im Irak selbst zu bereiten.

Der Kampf eines halbkolonialen Landes gegen die imperialistische Beherrschung oder die Festigung dieser Herrschaft ist ganz unabhängig vom dort installierten Regime ein unterstützenswerter, fortschrittlicher Kampf. Jeder Krieg einer imperialistisch geführten Koalition ist deshalb reaktionär. Wir treten daher nicht einfach für "Frieden", sondern für die Niederlage des Imperialismus ein!

Um die Frage, welche Haltung die Arbeiterbewegung und die Linke im Krieg einnehmen sollen, drückt sich auch ein Großteil auch der "revolutionären Gruppen" herum oder kommt überhaupt zu äußerst zweifelhaften Positionen.

Linksruck prangert zwar die USA und Bush an. Auch dem "friedlichen" Imperialismus der Europäer werden mittlerweile enthüllende Artikel gewidmet. Aber es fehlt die Beantwortung einer zentrale Frage im Falle des Krieges: Wen soll die Arbeiterklasse weltweit unterstützen?

Betrachtet man die Positionen anderer Linker, so könnte man freilich meinen, dass, wer nichts sagt, immerhin nichts Falsches sagt.

"Weder Saddam noch Bush" (z.B. von der isl verwendet) ist bestenfalls irreführend, in aller Regel stellt sie eine "linke" Anpassung an die bürgerlich-demokratische Öffentlichkeit dar. Statt die Notwendigkeit der Verteidigung des Irak trotz des reaktionären Saddam-Regimes zu propagieren, wird hier eine Gleichheit des angreifenden Imperialismus und der attackierten Halbkolonie suggeriert.

Eine Spielart dieser Politik findet sich bei der SAV. Im Artikel "Blut für Öl" wird zwar der Widerstand des irakischen Volkes als berechtigt anerkannt. Gleichzeitig aber wird der Sturz Saddams als Voraussetzung (!) für eine erfolgreiche Verteidigung bezeichnet.

An dieser Ansicht stimmt sicher, dass das Baath-Regime wegen seiner mörderischen Geschichte und aufgrund seines bürgerlichen Charakters die Verteidigungsfähigkeit der Bevölkerung unterminiert hat. Der SAV dienen jedoch solche Erwägungen dazu, einer brennenden Frage auszuweichen: Wie soll das irakische Volk Widerstand leisten, solange das Regime noch im Sattel sitzt?

Die probürgerlichen (PDS) oder verwaschenen und inkonsequenten Positionen anderer Linker sind nicht einfach analytische, "akademische" Differenzen. Sie haben sehr konkrete praktische Auswirkungen auf die jetzt existierende Bewegung. In zwei entscheidenden Fragen blockieren und verwirren sie, statt diese mit klaren, mobilisierenden Losungen voran zu bringen. 1. schüren oder ignorieren sie die Illusionen eines großen Teils der Bewegung in den "demokratischen" Imperialismus a la Schröder/Fischer; 2. boykottieren sie die Notwendigkeit der Unterstützung des Widerstandes des Irak und des Kampfes gegen die imperialistischen Kriegsziele.

Verteidigt den Irak!

Wir selbst haben eine klare Position dazu. Um den Irak zu verteidigen und die imperialen Aggressoren zu schlagen, müssen RevolutionärInnen, müssen KriegsgegnerInnen hier mit der irakischen Arbeiterklasse, mit allen Kräften militärisch zusammenarbeiten, die sich dem Angriff des Imperialismus entgegenstellen. Das schließt auch das irakische Regime und seine Armee ein.

Das bedeutet auch, dass wir dafür eintreten, dass der Krieg des Irak gegen den Imperialismus materiell unterstützt wird - sei es durch Bruch des UN-Embargos, durch medizinische, finanzielle, waffentechnische oder personelle Unterstützung freiwilliger antiimperialistischer KämpferInnen.

Aber bedeutet das nicht Unterstützung Saddams? Keineswegs! Die irakische Arbeiterbewegung, die Bauernschaft, das Kleinbürgertum und ihre internationalen UnterstützerInnen verteidigen den Irak gegen den imperialistischen Angriff. Eine prinzipielle Ablehnung der Zusammenarbeit mit der Armee, der Arbeit in der irakischen Armee, der gemeinsamen Verteidigung des Landes würde Verrat am Kampf gegen den Imperialismus bedeuten!

Eine solche Weigerung würde auch den Kampf gegen das reaktionäre Saddam-Regime schwächen. Warum? Weil sie der irakischen Bourgeoisie die Führung eines fortschrittlichen Kampfes einfach überlassen würde. Es würde bedeuten, dass der Nationalismus und der islamische Fundamentalismus unter den arabischen Massen gestärkt würden - weil er sich demagogisch als Kämpfer gegen nationale Unterdrückung, halb-koloniale Ausplünderung und Fremdbestimmung präsentieren könnte.

Gerade weil Saddam kein Anti-Imperialist ist, würde ihn ein gemeinsamer Kampf mit den fortschrittlichen Arbeitern, das Wirken von RevolutionärInnen in der Armee, in der Bevölkerung schwächen. Eine solche Politik müsste sich um folgende Losungen entwickeln:

Konsequenter Kampf gegen den Imperialismus!
Bewaffnung und Ausbildung der gesamten Bevölkerung zum Verteidigungskampf!
Kontrolle der Bevölkerung über die Verteilung der knappen Güter!
Volle politische Freiheiten für die Arbeiterbewegung, für alle Organisationen der ArbeiterInnen, Bauern und SoldatInnen, die das Land verteidigen wollen!
Volle politische Freiheit für die Organisationen der unterdrückten Nationen und Minderheiten, der Kurden und Schiiten! Es sei denn, sie wirken als direkte, gekaufte Agenten des Imperialismus.

Solche Forderungen orientieren sich an folgenden Zielen: bestmögliche Verteidigung des Landes; Stärkung der unabhängigen Organisierung der ArbeiterInnen, der Bauern und Soldaten; Vorbereitung des Sturzes des Saddam-Regimes und der irakischen Bourgeoisie und ihre Ersetzung durch eine revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung.

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Nr. 78, März 2003

*  Irak-Krieg: Krieg dem Imperialismus!
*  Offener Brief: Für eine bundesweite Aktionskonferenz
*  Antikriegsaktivität: Was tun wir?
*  Antikriegsbewegung: Der nächste Schritt
*  Deutsche Linke und der Krieg: Nur Frieden?
*  Arbeiterbewegung in den USA: Doppelter Krieg
*  Krise und Krieg: Welt am Wendepunkt
*  Massenproteste in Bolivien: Krieg den Palästen
*  Stiftung Warentest: Vorsicht Falle!
*  Heile Welt
*  Internationaler Frauentag am 8. März: No Sweatshops!
*  Arbeiterklasse in Deutschland: Vertreibung aus dem Paradies?