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Verhandlungen um rot-rot-grün

Was nun, Linkspartei?

Susanne Kühn, Neue Internationale 207, Oktober 2016

Bei den Berliner Wahlen war die Linkspartei die einzige Kraft, die neben der AfD Stimmen und Prozente gewinnen konnte. Während sie in Mecklenburg-Vorpommern mit einem farblosen Wahlkampf und einem noch farbloseren Spitzenkandidaten ein politisches Debakel erlitt, hat sie in Berlin rund 88.500 Stimmen hinzugewinnen können. Die Verluste in Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg hat sie durch Gewinne in anderen Bezirken, vor allem im ehemaligen Westberlin, mehr als wettmachen können - und das sowohl in Wahlkreisen, die vor allem von arbeitslosen oder prekär Beschäftigten wie von vielen MigrantInnen geprägt sind (Kreuzberg, Nordneukölln), als auch in eher arbeiteraristokratisch geprägten Stadtteilen (z. B. Charlottenburg).

Damit konnte die Linkspartei zwar nicht die Spitzenergebnisse von vor der Koalition mit der SPD erreichen, in der sie politisch so ziemlich alles verraten hat, was sie verraten konnte. Aber sie hat trotz einer alles andere als klassenkämpferischen Ausrichtung der Partei deutlich Stimmen hinzugewonnen. Das zeigt sich auch in der Steigerung ihres Anteils bei JungwählerInnen.

Viele Lohnabhängige und Jugendliche wählten die Linkspartei, um damit ihre Ablehnung der AfD zum Ausdruck zu bringen und auch, weil sie sich von der Linkspartei noch am ehesten eine Vertretung ihrer sozialen Interessen erhoffen. Das zeigt auch, dass es richtig war, bei den Wahlen DIE LINKE kritisch zu unterstützen.

Führung setzt auf Koalition

Wir haben dabei deutlich gemacht, dass wir die Linkspartei nicht wegen ihres reformistischen Programms unterstützen, sondern trotz diesem. Wir haben davor gewarnt, dass die Führung der Partei nicht auf Klassenkampf, sondern auf parlamentarische Kombinationen setzt.

Nachdem die Berliner Linkspartei wieder dazugewann, ist jetzt eine SPD/Linkspartei/Grüne-Koalition möglich und wird von den Führungen auch angestrebt. Besonders stolz ist die Linkspartei Berlin, welche zu den Landesverbänden gehört, die am stärksten die rot-rot-grünen Pläne der Bundespartei unterstützen, darauf, dass viele WählerInnen die Linkspartei wählten, damit sie wieder Regierungsverantwortung übernimmt. Mal abgesehen davon, wie die Parteien ihre Wahlanalysen zurechtlegen, es wird schon entscheidend sein, wie die Linkspartei „regiert“. Eine ähnliche Bilanz wie in den 10 Jahren mit der SPD könnte auch diesen Landesverband schnell auf unter 10 Prozent stutzen bei den nächsten Abgeordnetenhauswahlen.

Blenden der eigenen Mitgliedschaft

Die Linkspartei hat jetzt für die Sondierungsgespräche und folgende Koalitionsverhandlungen das Motto „Augenhöhe“ ausgerufen. Angeblich soll der SPD signalisiert werden, dass die Linkspartei nicht mehr jede „Basta“-Politik mitmache, sich also im Vergleich zu den Zeiten von Rot-Rot etwas ändern müsste. Das Personal, das für die Linkspartei die Verhandlungen führt, ist aber eher an die „Augenhöhe“ des Katzentisches der Koalition gewöhnt, dort finden wir neben Landeschef Lederer auch die bekannten Lompscher, Wolf und Bluhm, allesamt kein Hinweis darauf, den Forderungen von SPD und Grünen etwas entgegenzusetzen.

So soll die „Augenhöhe“ vor allem die eigene Mitgliedschaft und die WählerInnen blenden. In der Realität wird es bedeuten, dass die Linkspartei die Politik von SPD und Grünen mittragen wird.

Die Mitglieder der Linkspartei sollten die Bildung einer Koalition mit den Grünen aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen, da es sich dabei um eine offen bürgerliche Partei handelt, eine Partei, die im Gegensatz zur Linkspartei, aber auch zur SPD keine historische, soziale, organische Verankerung in der ArbeiterInnenklasse hat.

Parteien wie die SPD und die Linke sind natürlich auch bürgerliche Parteien, da sie die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse verteidigen. Aber der Widerspruch zwischen ihrer Führung und den Interessen ihrer sozialen Basis, die ihre Politik ausbaden muss, kann und muss durch Forderungen an diese Parteien, mit ihren Versprechungen ernst zu machen, vorangetrieben werden, um die Mitgliedschaft von ihnen wegzubrechen. Das kann auch durch die Forderung geschehen, ohne offen bürgerliche Parteien zu regieren und ihre fortschrittlichen Wahlversprechen umzusetzen.

Die Spitze der Linkspartei zieht jedoch eine Koalition vor, die ihr vor allem möglichst viele Ausreden erlaubt, warum sie selbst ihre bescheidenen Versprechen von einer „anderen Stadt“ nicht umsetzt.

Den Mitgliedern und vor allem den „Linken“ in der Linkspartei würden wir empfehlen, zu diesen Koalitionsverhandlungen klare Forderungen zu erheben wie auch den Koalitionsvertrag durch die Mitgliedschaft und WählerInnenbasis abstimmen zu lassen und die Zustimmung zu einer Rot-Rot-Grünen Koalition zu verweigern.

Den Spitzen der Partei mag das wie eine „Realitätsverweigerung“ erscheinen. In Wirklichkeit wäre es ein Schritt Richtung Klassenunabhängigkeit, der mit einem Plan zur Mobilisierung auf der Straße und in den Betrieben verbunden werden müsste.

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Nr. 213, Oktober 2016

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*  Demonstrationen in München und Nürnberg: Nein zu den sog. "Integrationsgesetzen"!
*  Landtagswahlen im September: AfD weiter auf dem Vormarsch
*  Politische Aussichten: Die Lage ist ernst
*  Verhandlungen um Rot-Rot-Grün: Was nun, Linkspartei?
*  Interventionistische Linke (IL): Septemberwirbel oder laues Lüftchen
*  Erneuerung der Gewerkschaften? Bruch mit der Klassenzusammenarbeit!
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*  Frankreich: Nein zum Staatsrassismus!
*  Philippinen: Ein Polizeistaat im Aufbau
*  Indien: Generalstreik erschüttert BJP-Regierung
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