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Landtagswahlen im September

AfD weiter auf dem Vormarsch

Tobi Hansen, Neue Internationale 213, Oktober 2016

Die AfD hat ihren Siegeszug bei den Landtagswahlen fortgesetzt. Nach Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt zog sie in die Landtage von Mecklenburg-Vorpommern (21 %) und Berlin (14 %) ein. Die rechtspopulistische Partei stützt dabei ihren Wahlkampf und ihre Erfolge auf eine offen rassistische Grundlage.

Die Hetze der AfD

Neben der bekannten Hetze gegen die Geflüchteten, wo die AfD gezielt Begriffe wie „Asylantenchaos“ neu besetzt, bedient sie sich auch des Themas innere Sicherheit und dort vor allem der Angst vor potentiellen Gefahren wie Terrorismus, Kriminalität und „Linksautonome“. Manche fühlen sich dabei an die NPD erinnert, andere an die „gute alte CDU“ vor Merkels Kanzlerschaft, der keine Angstmacherei oder platte Attitüde zu flach war.

Ebenfalls wird ziemlich entschlossen nach rechts integriert. So ist der gewählte Direktkandidat aus Berlin-Lichtenberg Kay Nerstheimer, der ein führender Aktivist der faschistischen „German Defence League“ gewesen sein und dem ein Parteiausschlussverfahren drohen soll, das wohl im Sand verlaufen wird. Vorläufig verzichtet er auf einen Platz in der AfD-Abgeordnetenhausfraktion. Damit klaut die AfD sicher auch WählerInnen der NPD oder anderer rechter Truppen sowie vom rechten Rand der CDU, die nach einer national-konservativen Partei suchen. Zweifellos wurde der konservativ-nationale Flügel der Partei seit der Trennung von Lucke gestärkt. Immer neue, gezielte Provokationen von Teilen der Parteispitze - wie das jüngste Liebäugeln Petrys mit einer Rehabilitierung des „Völkischen“ - tragen dazu ihr Übriges bei, was auch zu einer Zuwanderung rechter Teile, wie z. B. aus der „Pegida“ Bewegung geführt hat.

Dies erklärt aber nicht allein den enormen Erfolg bei den NichtwählerInnen, den die AfD bei allen bisherigen Wahlen einfuhr, wie ihre Stimmengewinne von CDU, SPD oder auch der Linkspartei im Osten Deutschlands. Bei den NichtwählerInnen schöpfte sie am meisten ab, so dass derzeit nicht darüber spekuliert werden muss, ob die AfD nächstes Jahr in den Bundestag kommt, sondern nur darüber, ob sie unter 10 Prozent bleibt oder gar mehr als 15 Prozent holt.

Das Magazin „Spiegel TV“ fragte nach den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern einige PassantInnen im Wahlkreis Rostock 2, wo die CDU rund 13 Prozent erhielt, wie sie sich das Ergebnis erklären. Spiegel TV interviewte nicht die Art von PassantInnen, wo die meisten „Linken“ sofort an RassistInnen und potentielle AnzünderInnen von Asylheimen denken würden, sondern RentnerInnen und Beschäftigte im Öffentlichen Dienst. Die Hauptaussage war folgende: „Für uns wird doch nichts getan, hier herrscht doch Armut, hier hat doch keiner was. Dafür sollen die Merkel und die CDU mal was tun, bevor es die Flüchtlinge kriegen“.

Auch wenn das zufällig ausgewählte Personen waren, trifft das die ganze „soziale“ Wahlanalyse ganz gut. Dort wo viel Armut, Arbeitslosigkeit inklusive Perspektivlosigkeit die Oberhand gewonnen haben, weil die Gewerkschaften, SPD und Linkspartei keine Perspektive bieten, selbst als Teil des „Systems“ daherkommen, konnte die AfD abräumen. Das zeigt sich sowohl in den ländlichen, den sog. strukturschwachen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns wie auch den Randgebieten der Großstadt Berlin. Hier greift der „soziale“ Rassismus der AfD.

Auch wenn wir in keinem Programm oder auf keinem Plakat nur eine Forderung nach mehr Leistungen, höheren Löhnen oder Renten lesen können, so bleibt durch die rassistische Hetze doch eines beim Wähler hängen: „Deutsche zuerst“ und „Gegen die da oben“. Der Rassismus wird an die Illusion gekoppelt, dass vielleicht doch irgendwie mehr für die „einheimischen“ Armen, Arbeitslosen, RentnerInnen abfiele, wenn nur die Geflüchteten weniger bis nichts bekämen.

Dies wird ausgekleidet mit rassistischer Hetze und viel nationalem Dünkel. Wenn sich auch die bundesweite Parteiführung um Petry, Meuthen, Gauland und Höcke nicht einig ist, wer denn nun am besten die AfD führen kann, so sind sie sich doch einig, dass die AfD eine nationalistische „Alternative“ ist, und diese betreiben sie erfolgreich.

In der bürgerlichen Darstellung fällt zur Erklärung der AfD-Erfolge oft der Begriff „ProtestwählerInnen“, wobei damit dann auch gerne AfD und Linkspartei über einen Kamm geschert werden, da diese ja um dieselbe „Klientel“ werben würden.

In der Tat zieht die AfD WählerInnen an, weil sie sich als Partei präsentiert, die gegen das „System“ ankämpfe, ja außerhalb des bestehenden politischen Systems und Establishments stünde. Sie würde als einzige gegen die „etablierten“ Parteien, gegen die da oben, gegen Filz, Korruption angehen, gegen die „Lügenpresse“. So nutzt sie noch jede Empörung über rassistische Provokationen als Beleg dafür, dass „die Etablierten“ verhindern wollten, dass die WutbürgerInnen ihre Meinung offen äußern dürften.

Rechtspopulismus

Genau darin, als „antisystemische Partei“ aufzutreten, liegt die Stärke und Attraktionskraft des Rechtspopulismus - nicht nur in Deutschland, sondern auch bei ähnlichen Parteien im Ausland wie der FPÖ.

Mit „System“ ist natürlich immer das politische System oder dessen „Auswüchse“ gemeint, seien es Verschwendung oder falsch verstandene Menschlichkeit, wenn faule GriechInnen oder Flüchtlinge „durchgefüttert“ werden. Am Kapitalismus, an der kapitalistischen Konkurrenz gibt es dabei nichts weiter auszusetzen. Störend erscheint ihnen nur die angebliche Bevorzugung der „Nicht-Deutschen“. Daher passen auch die Forderungen nach EU-Austritt und Rückkehr zur D-Mark so gut ins Konzept, weil sie den Wahn nähren, dass Euro und imperialistische Einigung vor allem auf Kosten „der Deutschen“ gingen.

Der „soziale“ Rassismus der AfD stellt nicht nur die Wirklichkeit auf den Kopf - er hat auch einen offen entsolidarisierenden Charakter. Es ist kein Zufall, dass die AfD mehr als alle anderen Parteien gewerkschaftsfeindlich ist, die Errungenschaften aller sozialen Bewegungen, insbesondere der Frauenbewegung, demontieren und die Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme vorantreiben will, wie es nicht einmal die FDP zu fordern wagt.

Die AfD sammelt dabei vor allem den „Protest“ und die Unzufriedenheit kleinbürgerlicher und Mittelschichten, die fürchten, durch die zunehmende Konkurrenz unter die Räder zu kommen. Es ist kein Zufall, dass ihre Anhängerschaft dabei im Osten größer ist, weil diese Schichten dort erst nach der kapitalistischen Wiedervereinigung entstanden, sich hocharbeiten mussten, während dieselben in Westdeutschland schon viel länger etabliert sind und damit auch ein stabileres Vertrauen in das tradierte politische System der BRD haben.

Zum anderen dringt die AfD auch mehr und mehr in ArbeiterInnenschichten vor. Dort greift sie den „Protest“ der Verzweiflung, der gesellschaftlich Frustrierten, der Hoffnungslosigkeit auf und münzt ihn in WählerInnenstimmen um. Es gibt jedoch keinen Automatismus, dass Armut und miese Lebensverhältnisse als solche zu einer Radikalisierung nach rechts führen. In anderen Ländern - z. B. in Griechenland - ist bis heute die Solidarität mit den Geflüchteten weit verbreitet, weil es große soziale Bewegungen gab, obwohl es der Masse viel schlechter als hierzulande geht, nicht zuletzt.

Strafe

Der Erfolg der AfD ist vielmehr eine Strafe für das Versagen der ArbeiterInnenbewegung, allen voran der Gewerkschaften, der SPD und der Linkspartei, und des weitgehenden Ausbleibens von Protest und Widerstand gegen die Angriffe von Kapital und Regierung im letzten Jahrzehnt.

Der Linkspartei z. B. ist es bis heute nicht gelungen, Widerstand so zu organisieren, dass sie zu einer realen Alternative zur SPD werden könnte. Ähnlich der SPD hat die Linkspartei auch im „Osten“ Stimmen an die AfD verloren. Ihr wird eine soziale Politik nicht abgekauft, die ehemaligen und aktuellen Regierungsbeteiligungen tun ihr Übriges dazu. Für eine revolutionäre Politik diesen WählerInnengruppen gegenüber muss die soziale Frage, müssen die Besitz- und Machtverhältnisse im imperialistischen Deutschland thematisiert, angegriffen und mit dem Kampf gegen Rassismus verbunden werden.

Der Aufstieg einer rechtspopulistischen, rassistischen Kraft, die Teile der ArbeiterInnenklasse erreicht und sich v. a. aus den kleinbürgerlichen Schichten zusammensetzt, ist eine massive Bedrohung, nicht allein für die „Linke“, sondern vor allem für die Geflüchteten wie die gesamte ArbeiterInnenklasse. Damit folgt die gesellschaftliche Entwicklung auch in Deutschland der Krise in Europa - mit der Entstehung einer neuen rechten, nationalen und rassistischen Partei, wie zuvor schon in vielen europäischen Staaten geschehen.

Dies ist für den Klassenkampf in Deutschland eine scharfe Rechtswende und muss einen breiten antirassistischen Kampf und Mobilisierung zur Folge haben. Die aktuelle Bedrohung durch die AfD besteht nicht nur in Verhetzung und Angriffen, sondern vor allem auch in der strategischen Schwächung der ArbeiterInnenklasse wie aller ArbeiterInnenorganisationen als gesellschaftlicher Kraft.

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Nr. 213, Oktober 2016

*  Antirassistischer Widerstand in Deutschland: Elend oder Erfolg?
*  Afghanistische Flüchtlinge: Zurück in den Krieg?
*  Demonstrationen in München und Nürnberg: Nein zu den sog. "Integrationsgesetzen"!
*  Landtagswahlen im September: AfD weiter auf dem Vormarsch
*  Politische Aussichten: Die Lage ist ernst
*  Verhandlungen um Rot-Rot-Grün: Was nun, Linkspartei?
*  Interventionistische Linke (IL): Septemberwirbel oder laues Lüftchen
*  Erneuerung der Gewerkschaften? Bruch mit der Klassenzusammenarbeit!
*  Prekarisierung: Leiharbeit bekämpfen!
*  Frankreich: Nein zum Staatsrassismus!
*  Philippinen: Ein Polizeistaat im Aufbau
*  Indien: Generalstreik erschüttert BJP-Regierung
*  Syrien: Kampf um die Neuaufteilung der Einflusssphären