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Wisconsin (USA)

Generalstreik gegen arbeiterfeindliche Gesetze!

Jeff Albertson (Workers Power USA), Neue Internationale 158, April 2011

Scott Walker, der republikanische Gouverneur des US-Bundesstaates Wisconsin hat seinen Willen durchgesetzt. Die Eckpunkte des berüchtigten ‚Haushaltsnachbesserungsgesetzes' sind in der zweiten Märzwoche durch beide Parlamentskammern, Versammlung und Senat, gegangen, nachdem die republikanischen Gesetzesmacher am Entwurf noch herummanipuliert hatten, um ihn durchzukriegen. Obwohl die Demonstrationen dagegen fortgesetzt wurden und die Massen, die am Wochenende erneut zu Hunderttausenden die Straße bevölkerten, nicht klein beigeben und militant bleiben, fragen sich doch viele: Was geschieht danach?, Wie sieht unser Schlachtplan für Runde 2 in der Auseinandersetzung aus?

Die Proteste begannen am vergangenen Mittwoch, als der Senat von Wisconsin das Gesetz 18-1 verabschiedete. Die Republikaner hatten die Teile zum Finanzausgleich und zur Schuldenfinanzierung abgetrennt und ein Quorum überflüssig gemacht, da sie die Stimmenmehrheit hatten. Damit konnte auch die endgültige Verabschiedung in der Versammlung erreicht, aber nicht der Eindruck verwischt werden, dass die Republikaner auf die Zerstörung der Gewerkschaften aus sind. Alles schien verändert, weil die  Finanzfrage, Walkers Hauptargument, plötzlich vom Tisch war. Die Zerstörung der Gewerkschaften war stets das Wesen dieses Gesetzes und wurde nun der ganzen Nation, ja der Welt offenbart.

Studentenproteste

Als Antwort auf Walkers Unterzeichnung des Gesetzes verließen hunderte Studierende von Madison ihre Klassen und versammelten sich ein paar Blocks vom Kapitol entfernt. Aber ihre  Aktionen, die trotz der Drohungen der Uni-Verwaltung, alle Teilnehmenden zu bestrafen, durchgeführt worden waren, wurden leider nicht von den Gewerkschaften aufgegriffen. Am Freitag, als das Gesetz verabschiedet worden war und die Unruhe zunahm, weigerten sich die Gewerkschaftsführer, zum Streik aufzurufen und forderten stattdessen ihre Mitglieder auf, an die Arbeit zu gehen. Sie sollten lieber sich später an einer Kampagne für den Rücktritt von republikanischen Politikern beteiligen.

Viele waren darüber verärgert. Jene, die anwesend waren, riefen laut nach einem Generalstreik. Ein Lehrer aus Milwaukee nannte Mary Bell, die Chefin der Lehrergewerkschaft von Wisconsin (WEAC) sogar eine „wahre Schlange“. Von Anfang an hatte die WEAC versucht, mit den Republikanern so viele Kompromisse wie nur möglich zu machen, bis hin zu einer zweijährigen Aussetzung von Verhandlungsrechten.

Auch der Presse entging nicht, dass in Madison viele Aufrufe zum Generalstreik auftauchten. Aber die Gewerkschaftsführungen wollten genau das nicht. Sie fürchten den Generalstreik noch mehr als die Attacken auf ihre Rechte, Beiträge zu erheben. Jim Cavanaugh, Chef des Madison Mitte-Süd-Gewerkschaftsverbandes SCFL sagte: „(Der Verlust) von Beiträgen ist ein Rückschlag, aber nicht unüberwindlich (angesichts) des Interesses, das Gewerkschaftsmitglieder neuerdings an ihren Gewerkschaften zeigen, werden die Gewerkschaften überleben.“ Nur lächerliche und beleidigende Kommentare gegen die eigene Mitgliedschaft, in denen Attacken auf elementare Rechte als ‚Rückschlag' dargestellt werden, haben diese Führungen zu bieten. Sie fürchten einen heftigen Kampf und haben beschlossen, es wäre besser, sich ruhig zu verhalten und verkünden, alles würde schon irgendwie gut gehen.

Aber sie merken auch, dass die Stimmung unter den ArbeiterInnen und Jugendlichen alles andere als gedrückt ist. Daher haben die Gewerkschaftsführer andere ‚Massenaktions'alternativen überlegt. Der  4.4. wurde vom Gewerkschaftsverband als nationaler Solidaritätsaktionstag auserkoren. Larry Cohen, Vorsitzender der KommunikationsarbeiterInnen Amerikas(CWA)-Gewerkschaft rief zu einem ‚Tag des nicht normalen Geschäfts' auf. Solche Aufrufe werden zwar begrüßt, aber es ist nicht klar, welche Aktionen geplant und was damit überhaupt gemeint sein soll. Sie wären in jedem Fall nicht genug, um den Gouverneur und seine Republikaner dazu zu bringen, ihre Pläne nicht durchzusetzen. Nachdem Demos und die Besetzung des Landesparlaments in Madison dies nicht bewirkt haben, müssen eindeutig schärfere Maßnahmen her.

Generalstreik?

Die SCFL hat die Idee des Generalstreiks wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen. Derselbe Cavanaugh wird mit den Worten zitiert: „Wir haben schon viel erreicht, (aber es) scheint, dass da noch viel mehr zu tun ist.“ Aber das war auch schon alles, worin die Unterstützung für einen Generalstreik seitens der SCFL bestand. Jetzt ist es an den AktivistInnen selbst, Worte in konkrete Taten umzusetzen.

Statt für einen sofortigen Generalstreik zu mobilisieren, um das Gesetz zu kippen und nicht in Kraft treten zu lassen, haben die ArbeiterführerInnen und die Demokratische Partei den Kampf in eine zahme und kontrollierbare Kampagne zum Rücktritt von Republikanern kanalisiert mit dem klaren Ziel, mehr Demokraten als Republikaner in die gesetzgebenden und regierenden Körperschaften zu schleusen. Aus ihrer Sicht waren die reformistischen FührerInnen überrascht und entwaffnet angesichts der schnell hoch kochenden Geschehnisse, zumal sie das Heft des Handelns ganz der Demokratischen Partei überlassen hatten, was vom AFL-CIO Präsidenten Richard Trumka auf einer Pressekonferenz bestätigt wurde.

Aber gerade die Demokraten wurden ja bei den Wahlen im vergangenen November dafür abgestraft, dass sie der Arbeiterschaft, der Jugend und den Minderheiten wenig bis gar nichts zu bieten hatten, obwohl sie in den zurückliegenden 4 Jahren an der Regierung Gelegenheit dazu gehabt hätten. Jim Doyle, der frühere demokratische Gouverneur von Wisconsin, brüstete sich damit, dass er mehr Kürzungen von Ausgaben für den öffentlichen Dienst und mehr Einschränkungen für ArbeiterInnen in diesem Sektor getätigt habe als die Republikaner. Nach dem, was vorgefallen ist, ist es schwer vorstellbar, dass eine Stimmabgabe für die Demokratische Partei einen merkbaren Unterschied bringen würde.

In seiner Rhetorik bringt Trunka die Ereignisse von Wisconsin völlig durcheinander. Wo er einen Sieg für die Arbeiterschaft sieht, haben andere wie das Wall Street Journal den Erfolg ihrer Seite, des Staats und Kapitals, erkannt. Sie scheinen leider Recht zu haben. Walkers Sieg zeigt anderen Austeritätsregierungen einen gangbaren Weg zur Nachahmung. Die Proteste auf der Straße könnten in Kauf genommen werden, denn die Gewerkschaften würden die Arbeiterforderungen am Ende doch nicht mit politischen Streikmaßnahmen durchsetzen wollen. Kapital und Staat könnten diese Proteste also aussitzen und würden sogar gestärkt aus dem Konflikt hervorgehen, wenn nicht ein ganz anderer scharfer Wind entgegenschlägt.

Rücktritte

Die Rücktrittskampagne ist ein Schritt, der viel zu kurz greift, um siegen zu können. Durch die Demobilisierung des aktiven Kampfes, dessen Umbettung in eine passive spätere Wahlkampagne für die Demokratische Partei, lassen die GewerkschaftsführerInnen dem Gouverneur und der Republikanischen Partei mehr Zeit, um ihre Erfolge zu zementieren und werden damit allmählich jeglichen Widerstand gegen ihre Pläne zermürben. Durch die Hoffnung auf die Demokratische Partei garantieren dieselben Gewerkschaftsbürokraten nur eine Entwicklung zu noch mehr Kürzungen von Sozialleistungen, sinkenden Löhnen,  Rentenstops u.a. Attacken auf die ArbeiterInnen im öffentlichen Dienst.

Auch Obama hat sein früheres Versprechen gegenüber den Gewerkschaften in Wisconsin nicht eingehalten. Der Präsident, seine Administration und seine Partei haben sich nicht gegen Kürzungen, Entlassungen oder Austeritätspolitik ausgesprochen. Die Ersetzung eines Kürzungsprogramms durch ein anderes ist keine Lösung.

Durch die Billigung der gewerkschaftsfeindlichen Gesetze sind Beschlüsse und Aufrufe zu Streikmaßnahmen unumgänglich geworden. Die ArbeiterführerInnen haben ursprünglich verkündet und versprochen, dass alle Vorbereitungen für einen Generalstreik getroffen werden sollten, falls das Walkersche Gesetz verabschiedet werden sollte. Das waren leere Versprechen. Gewerkschaftsspitzen, Demokraten und die Landesregierung hocken wieder an einem Tisch. Jetzt ist es Sache der Basis, den Kampf bis zum Sieg weiter zu führen und dort verstärkt anzusetzen, wo ihre FührerInnen sie im Stich gelassen haben. Sie müssen ihre eigenen Kampforganisationen formieren und alle einbeziehen, die an der Besetzung des Parlaments oder an den Demos in Madison teilgenommen haben.

Die Ausweitung auf Jugend und StudentInnen ist notwendig. Sie haben auch nach dem Aufruf der Gewerkschaftsbürokratie an ihre Basis, wieder zur Arbeit zu gehen, ihre Streiks in der Hoffnung fortgesetzt, damit die Bewegung zu befeuern und unter Spannung zu halten. Ein umfassender unbefristeter Generalstreik kann dem Gouverneur das selbstgefällige Grinsen über seinen Sieg vergehen lassen und die Hardliner bis ins Mark erschüttern. Eine solche von Millionen getragene Massenmobilisierung würde das ganze Gesetz und die Staatsmacht zu Staub zu zermahlen.

Eine solcher Streik könnte sich mit den Bewegungen in Ohio, Indiana und Michigan vereinen und mit einem mächtigen Streich die Austeritätsangriffe zerschlagen und jede Regierung, die Kürzungen durchpeitschen will, auf die Knie zu zwingen. Die Bildung von bundesstaatsübergreifenden Planungs- und Aktionsräten kann dies bewirken.

Eine Rücktrittskampagne muss jede zukünftige Unterstützung für die Demokraten von vorn herein ausschließen. Trotz der Aktionen der ‚kämpfenden 14', der demokratischen Senatoren, die nach Illinois gingen, um damit eine Abstimmung über das Gesetz im Senat unmöglich zu machen, gehören die meisten von ihnen seit Jahrzehnten zur politischen Elite von Wisconsin und sind somit auch mitverantwortlich für die arbeiterfeindlichen Attacken unter der Doyle-Regierung. Aber eine Rücktrittskampagne gegen sowohl demokratische wie republikanische Gesetzesbefürworter und deren Ersetzung durch ArbeiterInnen wäre ein ausgezeichneter erster Schritt. Besser jedoch wäre noch die Formierung einer unabhängigen Arbeiterpartei als politische Herausforderung an die Adresse der Haushaltskürzer-Parteien der Demokraten und Republikaner. Eine solche Partei könnte heute im Feuer eines Generalstreiks geschmiedet werden.

Aufschwung

Der monatelange Kampf in Wisconsin hat die Linke und fortschrittliche Kräfte in den gesamten USA mit neuem Leben erfüllt, aber nun ist dieser Kampf in Gefahr. Die Beschränkung von Aktionen auf Rücktritt von Walker und Konsorten und deren Ersetzung durch mehr Demokraten ist keine Lösung für die Arbeiterklasse. Eine Rücktrittskampagne, um die unternehmerhörigen Politiker wegzujagen und an ihrer Stelle Abgeordnete der Arbeiterklasse in die Versammlung zu berufen, wäre in Zusammenhang mit einem Generalstreik eine äußerst wirksame Maßnahme.

Aber all das bedeutet, den Einsatz zu erhöhen. Walker und die Republikaner haben nicht nachgegeben. Sie haben bis zum Schluss weiter gekämpft, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Jetzt müssen die Hunderttausend, die wochenlang dagegen gestanden haben, denselben Durchhaltewillen entfalten. Alles läuft darauf hinaus, dass die Arbeiterschaft ihre Hauptwaffe einsetzen muss, um ihren Forderungen an Bosse und Regierungen Nachdruck zu verleihen - und das ist der Streik. Dafür gibt es schon hinreichenden Rückhalt. Jetzt ist die Stunde, solche Maßnahmen zu ergreifen. Es ist keine Zeit zu verlieren: ArbeiterInnen und Jugend organisiert den Generalstreik!

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Nr. 158, April 2011
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