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Tarifrunde Druckindustrie und Zeitungsverlage

Für 35 Stunden und gegen Lohnraub!

Helga Müller, Neue Internationale 158, April 2011

Der Arbeitgeberverband der Druckindustrie (bvdm) will es in der diesjährigen Tarifrunde wissen. Der neue Hauptgeschäftsführer des bvdm, Dr. Deimel, kündigte auf der Jahresauftaktpressekonferenz des Verbandes in Wiesbaden an: „Die Frage der Zukunftsfähigkeit des Manteltarifvertrages ist eine Weichenstellung, die über die Zukunft des Flächentarifvertrages und der Branche entscheidet.“

Forderungen der Unternehmer

Entsprechend sehen auch die Forderungen des bvdm für die in der Druckindustrie bevorstehende Tarifrunde aus: Er will einen Angriff auf die in den 80er Jahren von den DruckerInnnen in langen Streiks erkämpfte 35 Stundenwoche durch eine Öffnungsklausel durchsetzen - für einen Arbeitszeitkorridor bis zu 40 Stunden pro Woche. Diese soll „den Unternehmen die Möglichkeit bieten, praxisgerechte und individuelle Lösungen zu erreichen“ (Pressemitteilung des bvdm, 19.01.11).

Gleichzeitig soll das Lohnniveau in der Druckindustrie massiv abgesenkt werden. Neben der Absenkung der Helferlöhne, die nach Meinung des bvdm mit einem Stundenlohn von 12 Euro pro Stunde im europäischen Vergleich viel zu hoch sind, soll auch die Stellung der DruckerInnen als FacharbeiterInnen durch die Streichung des „Facharbeiterschutzes“ angegriffen werden. Auch Mechatroniker sollen an den Druckmaschinen eingesetzt werden können - zu geringeren Löhnen.

Der Hintergrund all dessen ist, dass in der Druckindustrie in den letzten Jahren tausende Arbeitsplätze abgebaut worden sind - allein 2010 über 10.000. Viele Druckbetriebe wurden geschlossen oder Sanierungstarifverträge wurden abgeschlossen - mit Verzicht auf Seiten der Beschäftigten.

Gleichzeitig setzen die Zeitungsverleger - die meisten Druckbetriebe gehören zu größeren Verlagen - die Tarife der RedakteurInnen und Verlagsangestellten unter Druck. Auch hier geht es um eine massive Absenkung der Gehälter. Für die RedakteurInnen soll das „Tarifwerk 2“ für Neueinstellungen oder bei Arbeitsvertragsänderungen durchgesetzt werden, was eine Gehaltsabsenkung um 25% (Berechnung von ver.di) bedeuten würde. Zudem haben die Zeitungsverlage - v.a. jene der großen Tageszeitungen - massiv Personal abgebaut.

Dimension

Es geht in dieser Tarifrunde um viel: Sowohl die Druckindustrie als auch die Zeitungsverlage befinden sich in einem Verdrängungswettbewerb bzw. in einem Konzentrationsprozess, in dem nur einige wenige große überleben werden. Die Druckunternehmen werden von der ökonomischen Notwendigkeit getrieben, Überkapazitäten, die sie in den Boomjahren aufgebaut haben, massiv abzubauen.

Auf der anderen Seite stecken die Zeitungsverlage seit Jahren in einer massiven Strukturkrise, die Anzeigenerlöse, ihr Garant für Profit, brechen immer weiter weg. Sie wollen und müssen ihre Krise auf die Beschäftigten abwälzen. Um dies zu erreichen, brauchen sie v.a. in dem noch relativ kampfstarken Bereich der Druckindustrie eine grundsätzliche Veränderung des Kräfteverhältnisses zu ihren Gunsten, um auf Betriebsebene weiteren massiven Arbeitsplatzabbau und massive Lohnabsenkungen für den Rest der Beschäftigten leichter durchsetzen zu können.

Dazu gehört auch eine seit Monaten zu beobachtende Tarifflucht bei den Zeitungsverlagen und der verstärkte Einsatz von LeiharbeiterInnen in den Druckbetrieben. Auch im Redakteursbereich werden immer mehr feste Arbeitsplätze durch Leiharbeit ersetzt - nachdem auch hier massiv Arbeitsplätze abgebaut und tw. durch „freie feste RedakteurInnen“ ersetzt wurden, die wiederum die ersten sind, die gehen müssen.#

Die Verantwortlichen von ver.di aus diesem Bereich kündigen dagegen einen entschlossenen und langwierigen Tarifkampf von Druckindustrie und Zeitungsverlagen zum Erhalt des Manteltarifvertrages an.

Tarifkommission

In der Großen Tarifkommission, die Ende März stattfand, wurden die Delegierten aus den regionalen Tarifkommissionen aus der Druckindustrie, den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen auf einen gemeinsamen und langwierigen Tarifkampf eingeschworen, um den Angriff abwehren zu können. V.a. die Delegierten aus den großen Druckbetrieben berichteten über eine große Kampfbereitschaft der KollegInnen und die grundsätzliche Bereitschaft, mit den Beschäftigten der Zeitungsverlage gemeinsam zu handeln.

Inwieweit es gelingt, die gesamten Belegschaften auch der kleineren Druckbetriebe inkl. der sog. Akzidenzdruckereien (diese gehören nicht zu Verlagen) und v.a. die Beschäftigten der Zeitungsverlage in gemeinsame und längere Streiks zu führen, blieb offen, da die eigentliche Aktions- und Streikvorbereitung und -durchführung der Verhandlungskommission überlassen wurde.

Offen ist damit auch, inwieweit sich - trotz der verbalen Entschlossenheit der Großen Tarifkommission - die Verhandlungskommission in der Tarifauseinandersetzung auf nutzlose Appelle an die Unternehmer, sich ihrer sozialen Verantwortung zur Sicherung der Arbeitsplätze zu stellen, beschränken wird.

Wie den Kampf führen?

Die drohenden Angriffe der Kapitalisten bei Druck und Verlagen unterscheiden sich deutlich von den Tarifrunden bei Chemie oder Metall. Warum? Weil sie sich gegen Errungenschaften wie die 35-Stunden-Woche richten, die in anderen Bereichen längst aufgegeben und ausgehöhlt wurden.

In dieser Tarifrunde gilt es daher, die volle Kampfkraft der Beschäftigten der Druckindustrie und der Zeitungsverlage für den Erhalt des Manteltarifvertrages und gegen die Absenkung der Löhne und Gehälter zu entfalten!

Dazu muss die Große Tarifkommission, muss die Gewerkschaftsführung beim Wort genommen werden: Wer vom entschlossenen Kampf spricht, muss ihn auch organisieren!

Statt Appelle and „gemeinsame“ Interessen mit den Unternehmern und langwierigen fruchtlosen Verhandlungsrunden, soll ver.di Kurs auf einen gemeinsamen, branchenweiten und unbefristeten Streik bei Druck und Verlagen nehmen - so lange, bis die Angriffe vom Tisch sind!

Um sicherzustellen, dass die Tarifkommission bei den ersten Unternehmertricks nicht schwach wird, muss eine wirkliche Kontrolle und Lenkung der Tarifbewegung und etwaige Verhandlungen durch die Gewerkschaftsbasis sichergestellt werden - durch Betriebs- und Abteilungsversammlungen und durch Rechenschaftspflicht, Wahl und Abwählbarkeit der Streikleitungen!

Der Charakter der Angriffe bedeutet aber auch, dass dieser Kampf politisch eine Bedeutung weit über die Branche hinweg hat.

Die Solidarität der anderen Gewerkschaften, ja der gesamten Arbeiterbewegung und der Linken ist gefragt. Daher rufen wir auf: Bildet Solidaritätskomitees mit den Beschäftigten in der Druckindustrie und bei den Verlagen!

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Nr. 158, April 2011
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