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Thailand

Rote gegen Gelbe

Sean Ambler, Neue Internationale 139, Mai 2009

Am 14. April zogen sich die RegimegnerInnen - „Rothemden“ genannt - nach massiver Repression durch den Staatsapparat vorerst aus den Städten zurück. Hunderte AktivistInnen wurden festgenommen. Doch das ist wohl nur ein vorläufiges Ende der revolutionären Zuspitzung. Eine Woche von Protesten, die auch zum Abbruch der ASEAN-Konferenz geführt hatten und große Teile der Hauptstadt Bangkok lahmlegte, ist von der Armee beendet worden.

Die „Rothemden“-AktivistInnen von der Vereinigten Nationalen Demokratiefront gegen Diktatur (UDD) haben gegen die Regierung von Abhisit Vedjadjiva mobilisiert, die durch einen kaum verhüllten Putsch im Dezember 2008 an die Macht gekommen war. Dies war der vorerst letzte Kampf seit dem offenen Militärputsch 2006 gegen das Regime von Thaksin Shinawatra. Seitdem befindet sich Thailand in einer tiefen politischen Krise, in der die nationale Bourgeoisie in verschiedene Fraktionen zerbrach.

Viele aus der traditionellen Elite fordern die brutale Unterdrückung der Proteste. Thaksin wiederum ruft zu einer „friedlichen Revolution“ auf. Diese Spaltungen haben die Möglichkeit einer Revolution in Thailand offenbart, denn der Konflikt schwelt weiter, und es ist völlig unklar - trotz der Behauptung der Regierung, wieder alles unter Kontrolle zu haben -, welche Seite den Sieg davontragen wird.

Nach der Belagerung des ASEAN-Gipfels in Pattaya spitzte sich die Lage am 11.4. zu einer revolutionären Situation zu. Zehntausende protestierende „Rothemden“ konnten Polizei und Armee, die zum Schutz des Konferenzgeländes aufgeboten waren, überrennen, so dass die Konferenz abgesagt werden musste. Mit Leichtigkeit konnten die DemonstrantInnen dem Thaistaat, der von der chinesischen Regierung eine 10 Milliarden-Dollar schwere Wirtschaftshilfe erhalten sollte, einen Schlag versetzen. Das verweist auf Brüche in der Armee, auf die mangelnde Bereitschaft von Mannschaftsdienstgraden der Armee, die ja oft aus den gleichen ländlichen und städtischen Armutsverhältnissen wie die DemonstrantInnen stammen, mit Gewalt gegen die Massenproteste vorzugehen.

Doch am Morgen des 13. April änderte sich das. Die Truppen eröffneten das Feuer, einige schossen zwar über die Köpfe der DemonstrantInnen, andere jedoch in die Menge. Am Ende des Tages gab es über 90 Verwundete. Die ProtestaktivistInnen wehrten sich tapfer, fuhren Busse in die Reihen des Militärs und warfen Molotow-Cocktails. Als die Nacht hereinbrach, waren auch zwei Todesopfer unter den DemonstrantInnen zu beklagen.

Ausgangspunkt der Krise

Die gegenwärtige politische Krise nahm 2006 ihren Ausgang, als Thaksin Shinawatras Thai Rak Thai-Partei (TRT, wörtlich übersetzt: „Thais lieben Thais“) durch einen Militärputsch gestürzt und eine Militärherrschaft eingesetzt wurde.

Der Staatsstreich erfolgte auf wachsenden Druck von Teilen der Traditionseliten, die in der Volksallianz für Demokratie (PAD) organisiert sind. Diese Organisation mobilisierte unter Führung von Sondhi Limthongkul, einem Medienmilliardär und früheren Anhänger Thaksins, Demonstrationen von „Gelbhemden“ und lieferten damit auch den Vorwand für den Putsch vom September 2006, nachdem zweimal Wahlen zu Gunsten der TRT ausgegangen waren. Ihre zentrale Forderung war die Absetzung von Thaksin und der TRT. Ihre soziale Basis hat die PAD in der Mittelschicht. Der Grund für ihren Protest lag in ihrem Unmut über die zunehmende Dominanz von ausländischem Kapital in Thailand. Gelb ist die Traditionsfarbe der thailändischen Königsfamilie und wurde absichtlich gewählt, um die Ergebenheit der Protestierenden gegenüber der etablierten Ordnung anzuzeigen.

Die TRT hatte anfangs die PAD, die seit Wiedereinführung der parlamentarischen Demokratie 1992 das Land regiert hatte, auf Grundlage einer Plattform gegen den IWF abgelöst. Sie legte zwar populäre Sozialprogramme auf, v. a. für eine umfassende Gesundheitsfürsorge und Kleinstkredite, wollte aber Thailand zugleich für ausländische Investoren öffnen und staatliche Einrichtungen privatisieren.

Diese Politik verstieß gegen die Interessen eines Großteils der heimischen Bourgeoisie, die Thaksins Verkauf seines eigenen Medienimperiums Shin Corp für 1,9 Milliarden an einen Staatsinevstor aus Singapur im Februar 2006 als Vorwand nutzte, um eine „Kampagne gegen Korruption“ zu starten. Die Kapitalkontrolle durch die Militärregierung ab September 2006 wurde offen von der PAD unterstützt, führte aber zu einem dramatischen Zusammenbruch des Wertpapiermarkts und von Auslandsinvestitionen. Dies erwies sich auch für die Thai-Kapitalisten als so fatal, dass die Nachfolgerin der TRT, die PPP (Volksmachtpartei), die ersten Wahlen nach dem Staatsstreich gewinnen konnte. Sie verfehlte mit 233 Sitzen nur knapp die absolute Mehrheit und bildete mit fünf kleinen Parteien im Dezember 2007 eine Koalition.

In dem einen Jahr ihrer Macht festigte das Militär die Kontrolle über Thailands Politik und erließ eine neue Verfassung. Diese war dazu bestimmt, den judikativen Arm des Staates, eine ausgewählte Gruppe von königstreuen Beamten und das Militär zu ermächtigen, politische Parteien auflösen und ihre Führer und Apparate von der parlamentarischen Bühne für eine bestimmte Zeit verbannen zu können. Das führte zu einer Reihe von „sanften“ Putschen, wie sie 2008 zweimal stattgefunden haben. Diese Verfassung war zwar formal legal etabliert worden, ging in Wahrheit aber nur vor dem Hintergrund eines Verbots politischer Aktivitäten über die Bühne. Ablehnungskampagnen waren nicht erlaubt, nur die vom Militär unterstützte „Ja“-Kampagne war genehmigt.

“Demokratische” Manöver

Trotz eines klaren Votums für die PPP enthoben die Verfassungsrichter Premierminister Samak Samaravedj im September 2008 seines Amtes - weil er als Gastgeber einer Kochshow Geld erhalten hatte. Der reale Hintergrund dieser Entscheidung waren jedoch die Proteste der PAD, die am 26.9.08 mit der Besetzung des Regierungssitzes begonnen hatten.

Nach der Steigerung der Proteste durch die Besetzung der beiden Hauptflughäfen Bangkoks von „Gelbhemden“ (also den AnhängerInnen der PAD) wurden die PPP und zwei kleinere Parteien durch das Verfassungsgericht im Dezember 2008 aufgelöst - vorgeblich wegen Wahlbetrugs. Dieser Vorwurf trifft aber auf alle Parteien zu, da sie alle üblicherweise WählerInnen durch kleine Bestechungen zur Stimmabgabe veranlassen.

Nachdem die PPP wieder gegründet worden war - als „Puea Thai“ -, wechselten viele Abgeordnete die Seite, einige von der früheren PPP zu den Demokraten, die mit der PAD verbunden ist. Auch das Militär war in die Bestechungsaffäre verwickelt, wo unter Berufung auf glaubwürdige Thai-Medienquellen Summen von 1,2 Mill. Dollar an Parlamentarier geflossen sind, um sie wechselwillig zu machen. Die Bestechung war groß genug, um eine beträchtliche Anzahl von Stimmen für die Wahl einer Regierung der Demokratischen Partei zu sichern. So wurde Abhisit Vedjadjiva Premierminister. Er versuchte zwar, mit der Einführung von begrenzten populistischen Maßnahmen Unterstützung zu gewinnen, aber er wurde den Makel des Putsches nicht los. Die Mehrheit der Thai-Arbeiterklasse und der armen Bauern, die gleichzeitig die Masse der Bevölkerung stellen, sind jedenfalls gegen ihn.

Bewegung

Zwar sind die Aktionen im April von der UDD organisiert worden, die eng mit Thaksin verbunden ist. Er ist ein bürgerlicher Politiker, der die Wirtschaft privatisiert und muslimische Separatistenbewegungen im Süden brutal unterdrückt. Aber die Proteste richten sich auch gegen die Kontrolle der politischen Macht durch das Militär. Die bürgerlichen Medien stellen die „Rothemden“ in der Hauptsache als Anhänger Thaksins dar. Doch das gilt längst nicht für alle. Zur UDD gehört z.B. auch die Arbeiterdemokratiegruppe/ Linkswende Thailand der Internationalen Sozialistischen Tendenz (in Deutschland: Marx 21). An ihrer Spitze stand der Akademiker Giles Dji Unpakorn, der nach dem Putsch von 2006, worüber er ein Buch verfasste, aus Thailand fliehen musste.

Während Thaksin seinen Wiedereinstieg in die thailändische Politik betreibt, rufen viele Protestierende nach neuen, wirklich demokratischen Wahlen statt nach der Wiedereinsetzung Thaksins von oben. Die Unterstützung der „Rothemden“ für die UDD erklärt sich z.T. aus ihren Illusionen in die sozialen Reformen, die Thaksins Regierung begonnen hatte.

Trotz der Tapferkeit der UDD-Anhänger und des klaren Rückhalts in den Massen für ihre Forderungen, ist ihr Hauptmangel das Fehlen unabhängiger Arbeiterpolitik. Thaksin und seine Partei Puea Thai werden nicht konsequent dafür kämpfen, das Militär zu besiegen, einen Generalstreik durchführen und eine starke Gewerkschafts- und Bauernbewegung aufzubauen, weil ihre eigenen Klasseninteressen dem im Wege stehen. Trotz Thaksins Aufruf zu einer „friedlichen Revolution“ werden seine AnhängerInnen zunehmend gewalttätige Mittel einsetzen müssen, um ihr Recht auf Protest zu verteidigen.

Es wäre eine Niederlage für die Bestrebungen von tausenden Demonstranten, wenn alles nur mit der Rückkehr eines kapitalistischen Bürokraten wie Thaksin enden würde. Er würde nicht nur die Hoffnungen seiner UnterstützerInnen aus der Bauernschaft und Arbeiterklasse enttäuschen, sondern auf sie auch die Kosten der kapitalistischen Krise abwälzen, die auch Thailand trifft.

Wenn die Arbeiterklasse und die armen Bauern in einem neuen Anlauf eine erfolgreiche Revolution gegen das Oberkommando der Armee, die monarchistische Clique und die traditionelle Elite durchführen, so müssen sie sicherstellen, dass auch sie selbst die Früchte ihrer Revolution ernten.

Dafür muss die Arbeiterklasse politisch mit Thaksin brechen und ihre eigene revolutionäre Arbeiterpartei schaffen, die für die Errichtung einer Arbeiter- und Bauernregierung kämpft.

Unmittelbar müssen die Arbeiterorganisationen, v. a. die verschiedenen Gewerkschaftsverbände, ihre Mitglieder zu Streiks und zu Protestkundgebungen aufrufen. Um die Arbeiterklasse zu mobilisieren und die Repressionsmaschine Thailands zu paralysieren, müssen Arbeiter- und Soldatenräte mit wähl- und abwählbaren Delegierten aufgebaut werden. Die Weigerung etlicher Mannschaftsdienstgrade, auf die Protestierenden zu schießen, ist dabei wichtig. Die Soldaten müssen ermutigt werden, Komitees zu bilden, die freie Wahl ihrer Offiziere fordern sowie das Vetorecht gegen alle Befehle.

Revolutionäre Perspektive

RevolutionärInnen müssen heute für die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung kämpfen. Eine solche müsste die Monarchie abschaffen und den Generalstab entmachten. Sie müsste gegen den Großgrundbesitz vorgehen und die großen Ländereien untern den armen Bauern aufteilen. Sie sollte die parlamentarischen Körperschaften durch Machtorgane der Arbeiterklasse und armen Bauern, durch Arbeiter- und Bauernräte, ersetzen.

Kurz: RevolutionärInnen in Thailand müssen der Strategie der permanenten Revolution folgen, so dass der Kampf für Demokratie gegen die Monarchie, gegen das Oberkommando der Armee und die Großgrundbesitzer direkt übergeht zum Kampf um die Macht der Arbeiterklasse und für die sozialistische Revolution in Thailand. Zugleich muss die Revolution auf ganz Südasien - eine Region, die in ihrer Gesamtheit unter der Weltwirtschaftskrise und autoritären, bürgerlichen Diktaturen leidet - ausgedehnt, internationalisiert werden und mit dem Kampf für eine Sozialistische Föderation der gesamten Region verbunden werden.

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Nr. 139, Mai 2009
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