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„Klimaschutzpaket“ der Bundesregierung

Neue Mogelpackung

Janosch Janglo, Neue Internationale 131, Juli/August 2008

„Ein richtiges Signal von hoher Tragweite“ und „weltweiter Vorbildfunktion“  sei das „Klimapaket“ der Bundesregierung. Doch gemessen am Inhalt des Pakets ist es eher eine Mogelpackung. „Vorbildlich“ ist es nur insofern, als es der Bevölkerung ein ökologisches Engagement der Regierung vorgaukelt und zugleich die Konzerne nicht in die Verantwortung nimmt. Auch in Zeiten der durch den Klimawandel noch forcierten ökologischen Krise geht es vor allem um die Standortsicherung für größtmögliche Profite.

Woraus besteht nun dieses „richtige Signal von hoher Tragweite“ wirklich?

Das Klimaschutzpaket sieht vor, dass Neubauten ab 2009 mit 30 % weniger Energie auskommen sollen. Auch bei der Gebäudesanierung gilt dieser Wert, der über den Austausch des Heizkessels oder durch Isolierung der Fassade oder den Einbau neuer Isolier-Fenster erreicht werden soll.

Eine weitere Glanznummer sind intelligente Stromzähler auf freiwilliger Basis. Sie sollen den Stromverbrauch zeitgenau messen. So können Verbraucher entscheiden, die Waschmaschine nachts laufen zu lassen, wenn der Preis  niedrig ist.  So wird zwar kein Strom gespart, doch die Stromkonzerne können ihre klimaschädlichen Braunkohlenkraftwerke noch besser auslasten - vor allem die 26 neuen Kohle-Dreckschleudern, die schon in Planung sind.

Hier hat sich Wirtschaftsminister Glos (CSU) als altbekannter Lobbyist der Stromkonzerne durchgesetzt. Bis 2004 war er im Beirat der E.ON AG. Mit seinem Amtsantritt 2005 ging diese Tätigkeit natürlich inoffiziell oder auch ganz offiziell weiter. Im Sommer 2006 verlangte Glos „vergeblich“ eine drastische Senkung der Strafgebühren für die Überschreitung genehmigter CO2-Mengen - die Energiekonzerne sollten nicht durch zusätzliche Kosten belastet werden.

Weiterhin soll die Kraft-Wärme-Kopplung ausgebaut werden. Dabei soll die von den Abnehmern (mehrheitlich die Lohnabhängigen) zu zahlende Umlage, also Mehrbelastung, bis zu 750 Mill. Euro betragen.

Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion soll von jetzt 13 bis 2020 auf 25 bis 30 Prozent angehoben werden. Gefördert werden sollen v.a. Windkraftanlagen auf See. Da diese technisch und kostenmäßig nur von Großinvestoren, also v.a. von den Energiekonzernen selbst gebaut werden können, unterliegt also die Energieerzeugung auch auf diesem „alternativen“ Gebiet wieder stärker den Konzernen. Damit ihnen da niemand in die Quere kommt, wurde auch gleich die Förderung kleiner Solar-Anlagen gesenkt.

Mit dem „Klimaschutzpaket“ werden auch die Genehmigungsverfahren für den Bau von Überlandleitungen erleichtert, um die Windenergie aus dem Norden in den Süden zu transportieren. Diese Überlandleitungen sind teuer, die Kosten würden die Unternehmen allerdings nicht selbst tragen, da letztlich die Versorger die Kosten ohnehin auf die Verbraucher umlegen.

Freie Fahrt für freche Umweltbetrüger

Erhöht werden auch die Mautgebühren für LKW um fast 3 Cent je Kilometer. Dadurch werden dem Haushalt von Verkehrsminister Tiefensee (SPD) über eine Milliarde Euro in die Kasse gespült. Die braucht er dringend zur Umsetzung seines Masterplans. Dieser sieht vor,  dass bis zum Jahr 2025 die Verkehrsleistung im Straßengüterverkehr um 79 Prozent steigt. Der LKW-Verkehr könnte damit bis um 84 Prozent zunehmen! Hier müssen zusätzliche Milliarden in das Autobahnnetz, in den Ausbau zusätzlicher Parkplätze für LKW an Tankstellen und Raststätten gepumpt werden. Das Autobahnnetz wuchs nach Angaben der Europäischen Umweltagentur in den Jahren 1994 bis 2004 in den EU-Mitgliedsstaaten ohnehin schon um 13.000 Km. Im Gegenzug wurden allein in Deutschland seit 1994 5.500 Km Schienenstrecke stillgelegt. So wird Klimaschutz ad absurdum geführt! Zugleich erweisen sich angesichts dieser Pläne die Ankündigungen, mehr Verkehr auf die Schiene bringen zu wollen als bloße Phrase.

Betrachtet man die geplante CO2-Besteuerung für Autos, die vorsorglich auf 2010 verschoben worden ist, könnte man gar glauben, es gäbe gar keinen Klimawandel. Das „Meseburg-Papier“ der Großen Koalition enthält eine Regelung, die eine Einteilung in Effizienzklassen aufgrund einer leergewichtsbasierten Formel vorsieht. Im Klartext heißt das, dass ein VW Touareg mit 2,3 Tonnen und 254 g CO2 -Ausstoß pro Kilometer mit einem „E“ und ein VW Golf mit 1,1 Tonnen Gewicht und 164 g CO2 pro Kilometer mit der schlechteren Klasse „F“ eingestuft wird.  Wer mehr wiegt, darf also auch mehr verbrauchen!

Auch das Dienstwagenprivileg, das Firmen ermöglicht, ihren Fuhrpark in jeder beliebigen Höhe steuerlich geltend zu machen, zeigt, für wen man eigentlich Politik betreibt. Dadurch lohnt sich der Kauf teurer und umweltschädlicher Autos mit vielen PS und hohem Spritverbrauch - je höher die Kosten, desto mehr kann steuerlich abgesetzt werden. Zwei Drittel aller Neuwagen werden inzwischen an Firmenflotten und Autovermietungen verkauft - jedes Jahr also rund 2 Millionen Autos auf Kosten des lohnabhängigen Steuerzahlers finanziert.

So sollen jene Verkehrsmittel gefördert werden, mit denen die Konzerne die höchsten Profite machen - sei es durch deren Besitz, die Produktion oder durch Absatz von Kraftstoffen. Und so wird neben der Privatisierung der Bahn der Markt für Autos bzw. den darauf basierenden Verkehr vergrößert und ganz unverhohlen die Bedürfnisse der Wirtschaft bedient.

Um diesen verkehrspolitischen Albtraum realisieren und das nötige Verkehrsnetz zur Verfügung stellen zu können, sollen jetzt auch im großen Maßstab Autobahnen privatisiert werden. Über „öffentlich-private Partnerschaften“, die es schon beim Bau von Schulen, Stadthallen und anderen Projekten gibt, sollen Autobahnen über 30 Jahre lang in private Hand überführt und teilweise mit deren Geldern gebaut werden. Im Gegenzug dürfen die Eigner dann einen Teil der LKW-Maut einstreichen. Andere westliche Länder mit einer ähnlichen Entwicklung zeigen, dass dies der erste Schritt zur PKW-Maut ist. Auf diese Entwicklung haben Bau- und Finanzkonzerne jahrelang hingearbeitet. Sie versprechen sich Milliardengeschäfte. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass diese Vorfreude berechtigt ist.

Der SPIEGEL beschreibt unter der Rubrik „Infrastruktur-Anlagen“ unter dem Motto „Das Geld liegt auf der Straße“ für Portugal folgendes Rechenbeispiel: „Mehr als 114.300 Autos und Lastwagen fahren jeden Tag über die beiden Brücken, die die portugiesische Hauptstadt Lissabon mit ihren südlichen Vororten verbinden. Jeder Autofahrer, der den Fluss Tejo auf der ‚Brücke des 25. April’ Richtung Stadt überquert, zahlt 1,25 Euro. Bei der zur Weltausstellung 1998 eröffneten Vasco-da-Gama-Brücke sind es 2,20 Euro. Die Maut bekommt nicht der portugiesische Staat, sondern die Betreibergesellschaft Lusoponte. Wenn der Verkehr weiter fließt, fließen auch Lusopontes Einnahmen weiter. Bis 2030 läuft die Konzession.“ Weiter heißt es: „Für die Stetigkeit der Erträge gibt es einen entscheidenden Grund: Betreiber klassischer Infrastruktureinrichtungen wie Brücken, Straßen und Schienen haben häufig eine Monopolstellung. Um etwa über den Tejo nach Lissabon zu kommen, müssen Autofahrer eine der beiden Brücken nutzen (...) Selbst wenn die Preise für die Überfahrt steigen, haben die Portugiesen keine echte Alternative - die nächste Brücke über den Tejo befindet sich rund 30 Kilometer flussaufwärts. Und das wird bis auf weiteres so bleiben: Eine Konkurrenzbrücke wird angesichts immenser Baukosten und regulatorischer Barrieren kaum gebaut werden. Im Fall von Lusoponte ist gar vertraglich geregelt, dass in einem bestimmten Radius nur die Gesellschaft selbst eine weitere Brücke bauen dürfte.“

Dies ist eine unverblümte kriminelle Aufforderung, den Lohnabhängigen auch noch den letzten Rest aus der Tasche zu ziehen. Frohlockend für Anleger ist dabei die konstante Nachfrage, die Unabhängigkeit verspricht von wirtschaftlichen Entwicklungen auch in Zeiten von Preiserhöhungen und Rezession. Denn zur Arbeit muss jeder fahren, ist der Lohn auch nur ein Hungerlohn.

Neue Umweltpolitik in alter Gesellschaft?

So erweist sich an diesem Beispiel erneut, dass Klimazerstörung und Profitinteressen direkt miteinander verknüpft sind. Auch das jetzt verabschiedete „Klimaschutzpaket“ zeigt die Verflechtung von bürgerlicher Politik als verlängertem Arm kapitalistischer Profitinteressen und der Konzernlobby, die permanent das bürgerliche Parlament benutzt, um Gesetze zu erlassen, die ihre Profite sichern sollen. Davon abgesehen, dass diese Verordnungen nicht ausreichen werden, das selbstgesteckte Ziel der CO2 -Reduktion bis 2020 um 40 % gegenüber 1990 zu realisieren. Hier sollen die Verbraucher und Lohnabhängigen die Zeche für die Profitlogik des kapitalistischen Systems und seiner Protagonisten zahlen. Steigende Transportkosten durch höhere Mautgebühren werden auch höhere Verbraucherpreise zur Folge haben.

Alternative

Diese konstante Verhinderung wirksamer Klimaschutzpolitik macht deutlich, dass neben der Verelendung der Menschheit durch Ausbeutung und Unterdrückung auch das Überleben derselben durch den Kapitalismus aufs Spiel gesetzt wird - nicht aus Unmoral, sondern weil er nicht anders kann. Die einzige Lösung ist die Vergesellschaftung der gesamten Industrie, des Handels und der Infrastruktur unter Arbeiter- und Verbraucherkontrolle sowie die Beseitigung der bürgerlichen Institutionen, die deren Macht sichern!

Anstatt der unzureichenden oder gar wirkungslosen „ökologischen Reformpakete“ ist es nötig, dass ein Umwelt-Notplan erarbeitet wird, der wirkungsvolle Sofortmaßnahmen festlegt, die Konzerne wirklich zur Kasse bittet und sie zu umweltgerechterem Wirtschaften zwingt bzw. sie entschädigungslos unter Arbeiterkontrolle enteignet.

Dieser Notplan muss von der Arbeiterbewegung ausgearbeitet werden, d.h. dass auch die Gewerkschaften und DIE LINKE aufgefordert werden müssen, aktiv zu werden. Letzten Endes kann aber nur eine Wirtschaftsweise - im globalen Maßstab - eine angemessene Antwort auf die Klimakatastrophe sein, die nicht mehr nach den Maßgaben der Profitproduktion funktioniert, sondern sich an den realen Lebensinteressen der Menschheit orientiert; eine Wirtschaft, die nicht blind und anarchisch „hinter dem Rücken der Menschen“ wirkt, sondern von ihnen bewusst geplant wird; eine Wirtschaft, die nicht die Ressourcen plündert und vergeudet und die Umwelt zerstört, sondern sie sinnvoll und nachhaltig nutzt.

Die Antwort auf den rasanten Klimawandel kann nur eine sein - die grundsätzliche Umwandlung der Gesellschaft: die sozialistische Revolution!

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Nr. 131, Juli/Aug. 2008
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*  Inflation in Europa: Kapitalismus kommt teuer
*  Ver.di-Kampagne im Gesundheitswesen: Der Deckel muss weg!
*  Sri Lanka: Solidarität mit internationalistischen Gewerkschaften
*  Altersteilzeit: Streik vorbereiten!
*  Bayrisches Versammlungsrecht: Politischer Streik für Demonstrationsrecht!
*  Heile Welt
*  "Klimaschutzpaket" der Bundesregierung: Neue Mogelpackung
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*  Iran: Imperialismus verstärkt Drohungen