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Netzwerk Linke Opposition (NLO)

Die Chancen des NLO

Rex Rotmann, Neue Internationale 118, März 2007

Das Netzwerk Linke Opposition (NLO) besteht nunmehr seit einigen Monaten. Eine erste Zwischenbilanz ist fällig.

Einerseits haben sich inzwischen acht Landesverbände und etliche örtliche Gruppen gebildet. Das NLO hat für Linke, die sozialen Bewegungen und BasisaktivistInnen durchaus Anziehungskraft. Andererseits vereint das NLO bis jetzt nur wenige Hundert Mitglieder und die SAV hat sich von diesem Projekt zugunsten einer Entrismus-Orientierung auf die Linkspartei verabschiedet. Andere linke Organisationen wie der RSB beharren leider in einer passiven „Beobachter“-Politik.

So ist es kein Wunder, dass es rege Diskussionen darüber gibt, ob das NLO eine reale Perspektive hat oder aber nur eine weitere linke Mini-Struktur bleibt.

Eine fundierte Antwort dazu kann sich natürlich nicht um die Frage drehen, wie viele MitstreiterInnen das NLO gegenwärtig hat. Entstehung und Perspektive des NLO müssen vor dem Hintergrund der Klassenkampfsituation insgesamt gesehen werden!

Ein zentraler Streitpunkt im Für und Wider das NLO ist die Einschätzung des Charakters und  der Perspektiven der Fusion von WASG und L.PDS zur Linkspartei. Kräfte wie die SAV oder die isl kritisieren natürlich auch die Art und Weise der „Fusion“ und die Politik der L.PDS, doch sie verbinden damit zugleich auch erhebliche Illusionen darüber, welche „Spielräume“ es dabei gäbe. Da werden die Realitäten schnell ausgeblendet.

Mitregieren um jeden Preis

Die PDS-Spitzen (nicht nur in Berlin) stehen hinter der Strategie der Regierungsbeteiligung und dem damit verbundenen „Soft-Neoliberalismus“. Bei ihrem jüngsten Treffen in Dessau haben die L.PDS-Fraktionsspitzen das erneut klargestellt. Selbst herbe Wahlschlappen wie in Berlin bewirken weder einen Kurswechsel, noch rebelliert die Basis. Es gibt in der L.PDS keine wirkliche Opposition, die diesen Namen verdient. Auch in der WASG zeigten die Parteitage klare Mehrheiten für die Fusion.

Trotzdem fehlt es nicht an Stimmen, die Hoffnung sehen. So z.B. Helmut Born und Manuel Kellner von der isl. Sie meinen, die Bundestagsfraktion greife „wichtige politische Themen der Gewerkschaften auf und unterstützt diese in ihren Auseinandersetzungen. Weiterhin tritt sie (…) konsequent gegen neoliberale Politik und Militäreinsätze der Bundeswehr (…) ein. Wo soll da gegenwärtig der Platz für eine parteiförmige Organisation links von dieser neuen Partei sein, die mehr repräsentiert als eine sehr überschaubare Zahl hochpolitisierter Menschen?“ (Vom Netzwerk zur politischen Organisation?, www.linkezeitung.de)

Hierin zeigen sich die Schwächen des Zentrismus ganz klar. Die Linksfraktion greift eben nicht einfach Themen der Gewerkschaften auf - sie geben der reformistischen, demobilisierenden Politik von Peters, Bsirske und Co. politische Unterstützung. Das zeigt sich bei Auftritten ihrer Spitzen bei konkreten Kämpfen genauso. Im Streik bei BSH in Berlin unterstützte Lafontaine die Streik-Abbruch-Linie des „linken“ Apparats. Und: hat man etwa davon gehört, dass die Linksfraktion oder die Führungen von L.PDS und WASG politische Massenstreiks gefordert und die Spitzen der Gewerkschaften aufgerufen hätten, diese zu organisieren?!

Wenn Born und Kellner deshalb ernsthaft glauben, es gäbe darum - also wegen der linken Phrasen der Reformisten - gegenwärtig keinen Platz für eine parteiförmige Organisation links von der neuen Partei, kann man nur folgern, das es dann nie einen solchen geben kann, denn linke Phrasen, verbunden mit Demobilisierung und bürgerlicher Praxis war und ist gerade die Rolle des Reformismus und wird sie auch künftig sein.

Genauso fatal ist die Methode von Born und Kellner, wenn sie zu begründen versuchen, dass das Projekt NLO falsch sei, weil die gesellschaftlichen Bedingungen nicht dafür reif seien.

„Wie lange liegen in der BRD ´wilde Streiks´ zurück und wie lebendig ist diese Erfahrung in den Köpfen der Arbeitenden? Wann hat es zuletzt Betriebsbesetzungen und andere massenhaft erlebte (…) Erfahrungen mit Verstößen gegen die herrschende Legalität und gegen das geheiligte Privateigentum gegeben? Wann und wo gab es gewählte Streikkomitees oder gar eine Koordination von ihnen auf Ebene eines Konzerns, einer Branche, einer Stadt oder Region?“ Und wann hätte es auch „nur die klitzekleinsten Ansätze zu einer real ausgeübten Gegenmacht gegeben?“ (ebenda)

Natürlich wird niemand - auch nicht im NLO - leugnen, dass das Netzwerk und umso mehr eine neue Arbeiterpartei in ihrer Entwicklung ganz direkt davon beeinflusst werden, ob es einen Aufschwung des Klassenkampfes und eine Radikalisierung wenigstens von Teilen der Klasse gibt. Natürlich ist die Frage, ob sich das NLO in diesen kämpferischen Milieus verankern kann oder nicht, letztlich entscheidend.

Doch obiges Zitat zeigt vor allem ein Grundelement des Zentrismus. Er macht die Politik  - und dazu gehört auch die Frage der Organisierung - davon abhängig, wie „reif“ die Bewegung ist. Er wartet darauf, dass die Massen in Bewusstsein und Aktionsniveau so weit sind, dass man als Linker endlich das „Richtige“ sagen und eine antikapitalistische, klassenkämpferische Führung der Klasse aufbauen kann. Das nennt man Ökonomismus, das nennt man Nachtrabpolitik.

Niemand im NLO will das Netzwerk jetzt zur Partei ausrufen. Es gibt aber sehr wohl breite Übereinstimmung dazu, dass das NLO jene Menschen und Organisationen zusammenführen will, die für den konkreten Kampf gegen Neoliberalismus und Kapitalismus bereit sind und zugleich das Milieu darstellen, mit dem eine neue Arbeiterpartei aufgebaut werden kann. Das NLO ist ein Zwischenschritt, eine Etappe Richtung Arbeiterpartei und kann - im günstigen Fall - selbst zu dieser Partei werden.

Während Zentristen a la Born und Kellner nur beklagen, dass die Klasse leider nicht so denkt und handelt, wie das radikale Linke gern hätten, versuchen RevolutionärInnen diese Situation zu ändern. Wenn es wenige radikale Klassenkampfaktionen gibt - wer wollte das bestreiten?! - dann hängt das auch und sogar wesentlich damit zusammen, dass es keine revolutionäre Klassenführung gibt, und zwar noch nicht einmal im minimalen Maßstab.

Die NLO will und kann aber zunächst gerade jene kleine Minderheit formieren, die sich mit der Vorhut der Klasse verbindet, um die Grundlagen für eine größere Struktur, für eine neue Partei zu legen.

Was empfehlen Born und Kellner von der isl? Rein in die neue alte Linkspartei! Warum keine alternative Struktur? Weil die Linksfraktion ja ausreichend linke Politik zelebriere!

Aus ihren Positionen spricht auch ein klein wenig Weltfremdheit. Es gab nämlich sehr wohl „klitzekleine“ und auch etwas größere „Ansätze für Gegenmacht“. So z.B. eine ganze Reihe von teils sehr militanten Streiks, so z.B. 2003 die größten Antikriegsdemos der Geschichte, so z.B. Massendemos gegen die Hartz-Reformen usw.

Ein grundsätzliches Dilemma der Ansichten von Born und Kellner besteht darin, dass sie die Frage, warum und wie ein Projekt wie das NLO entwickelt werden kann, nicht aus der Analyse des Klassenverhältnisses und den objektiven Erfordernissen des Klassenkampfes ableiten, sondern in impressionistischer Manier die aktuell sich bietende Oberfläche der Realität betrachten.

Dabei übersehen sie völlig, dass der Kapitalismus weltweit in einer tiefen Verwertungskrise steckt, woraus sich die hektische „Globalisierung“, die zunehmend militantere imperialistische Außenpolitik, der Neoliberalismus und die zunehmenden Angriffe auf die Klasse und ihre Errungenschaften erklären. Diese Angriffe provozieren weltweit auch verstärkten - und oft militanteren - Widerstand, vorrevolutionäre und sogar revolutionäre Situationen häufen sich. Kurz: Wir leben in einer vorrevolutionären Periode. Diese ist auch dadurch gekennzeichnet, dass sich die Massen, v.a. aber die Vorhut der Arbeiterklasse, vom Reformismus abwenden. Dieser Prozess ist neben anderen Ländern (Britannien, Frankreich) gerade auch in Deutschland zu beobachten.

Diese Entwicklung rückt aber auch zentrales Problem in den politischen Focus: die historische Führungskrise des Proletariats, das Fehlen einer revolutionären Klassenführung, einer neuen Internationale.

Born und Kellner verlieren über diese, für MarxistInnen zentralen Überlegungen, kein Wort! Dieses Unverständnis der grundsätzlichen Tendenzen des Klassenkampfes und des Klassenverhältnisses führen sie zu einer passiven Abwarte-Politik - und zur Anpassung an den Linksreformismus.

Chancen des NLO

Das NLO als Netzwerk vereint in sich Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist, dass es aus der WASG, also einer relativ großen, nicht typisch „linken“ Struktur hervorgegangen ist und neue, oft erst kurz Politisierte angezogen hat. Ein „Netzwerks“ ist offener als eine Organisation und die Hürde, dabei mitzumachen, ist für Leute, die momentan nicht zu einer linken Klein-Gruppe gehen würden, niedriger. Zudem erlaubt das Netzwerk auch, dass sich Organisationen und Widerstands-Strukturen einbringen können.

Doch selbst unter günstigen Umständen würde das NLO nicht „die Klasse“ anziehen, sondern deren Vorhut oder sogar nur Teile davon. Erst, wenn es gelingt, dieses Milieu von einigen hundert oder wenigen tausend AktivistInnen zu organisieren, kann das Projekt voll „durchstarten“ und größere Teile der gesamten Klasse anziehen.

Parallel zu der ernüchternden, ja für viele AktivistInnen abstoßenden Weise, wie die Fusion zur Linkspartei abläuft und wozu sie führt, kann sich das Netzwerk als Alternative und realer  Ansatz zur Schaffung einer neuen Linken präsentieren.

Der Nachteil, oder besser: ein Problem des NLO ist jedoch, dass es noch über keine ausgearbeitete Programmatik und zielgerichtete Praxis verfügt, auch die Beschlüsse von „Felsberg“ - so notwendig sie waren - sind inzwischen von der Dynamik der Realität überholt worden und reichen als politische Grundlage des Netzwerks nicht mehr aus.

Seinen Vorteil der Offenheit wird das NLO deshalb nur nutzen, also in Wachstum umsetzen können, wenn es dieses Problem „abarbeitet“. Die programmatische Debatte muss offen, aber auch konsequent geführt werden. Sie muss mit dem Ziel geführt werden, ein Programm zu erarbeiten, dass eine Handlungsanweisung für den Klassenkampf ist und konkrete Ziele, Forderungen und Aktionsorientierungen mit der Perspektive des Sozialismus und der Machtergreifung der Arbeiterklasse verbindet. Dieses „Übergangsprogramm“ ist nicht nur als „Selbstverständnis“ notwendig; es ist auch deshalb nötig, um neue Kräfte ins NLO zu ziehen - denn, wer wird sich dem NLO anschließen, wenn dieses nicht sagen kann, was es ist und was es will?!

In den nächsten Monaten stehen zentrale Aufgaben an: weitere neoliberale Angriffe (z.B. Gesundheitsreform) werden folgen, der G8-Gipfel in Heiligendamm Anfang Juni wird eine große Herausforderung und Chance für die Linke, die soziale und die Arbeiterbewegung sein. Dafür muss sich das NLO organisatorisch und vor allem politisch rüsten! Das ist keine Frage von Jahren, sondern von Wochen und Monaten.

Entweder es gelingt dem NLO, sich als handlungsfähige, eigenständige Kraft im Klassenkampf und als ernstzunehmende Initiative zum Aufbau einer neuen Arbeiterpartei zu erweisen oder aber es wird als unbedeutende Episode der neuren politischen Geschichte enden. Doch selbst dann wäre der Kampf um eine neue Arbeiterpartei nicht beendet, allerdings wäre erneut eine Chance vergeben - auch durch den Kleinmut und zentristisches Zögern.

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Nr. 118, März 2007
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