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8. März: Internationaler Frauentag

Emanzipation im Kapitalismus?

Sybille Streit, Neue Internationale 118, März 2007

Mit großer Wahrscheinlichkeit werden am 8.März die weiblichen Protagonisten der Großen Koalition, Kanzlerin Merkel, Familienministerin von der Leyen, Gesundheitsministerin Schmidt und Bildungsministerin Schavan ihre Rolle in einer bürgerlichen Regierung als Beitrag zur "Emanzipation" der Frau in der westlichen Gesellschaftsform verklären.

Emanzipation im Sinne des Wortes heißt Befreiung, Mündigkeit - Selbstbestimmung des sozialen und politischen Lebens. Die bürgerliche "Emanzipation der Frau" wird als Teilhabe der Frau an der staatlichen und ökonomischen Herrschaft verstanden - dabei fungieren die "Quotenfrauen" als Staffage für ein patriarchales kapitalistisches System.

Dieses System hat die Unterdrückung der Frau als soziale Grundlage. Als Lohnarbeiterin steht sie in der Regel am unteren Ende der Gehaltsskala. Warum? Weil sie zusätzlich - wie in allen Klassengesellschaften, die eben auch darum patriarchalisch sind - für die individuelle, private Reproduktion innerhalb der Familie zuständig ist. Innerhalb aller Klassengesellschaften gilt diese Hausarbeit als minderwertig, der "öffentlichen" Tätigkeit des Mannes unterlegen. Im Kapitalismus ist Subsistenzarbeit auch bei proletarischen Hausfrauen gegenüber der Lohnarbeit diskriminiert, weil sie keine Tauschwerte produziert. Auch daraus erklärt sich die soziale Unterdrückung der Frau. In der Lohnarbeit gilt deshalb die Frau international als billige Arbeitskraft, in allen Bereichen bekommen sie weniger Lohn als die männlichen Kollegen, haben weniger Rechte und sind sexistischer Öffentlichkeit und Ausbeutung unterworfen. Alle besitzenden und hierarchischen Gesellschaften hatten die Unterwerfung und Entrechtung der Frau als Grundlage, ebenso die großen Weltreligionen wie das Christentum und der Islam.

Die bürgerliche Gesellschaft kann für die Frauen keine Befreiung, kein Ende der patriarchalischen Ordnung bieten - allenfalls eine Teilhabe an der Unterdrückung. Genau wie für die Arbeiterklasse die bürgerliche Gesellschaft Ausbeutung und Unfreiheit bedeutet, können auch die Frauen in der bürgerlichen keine Gleichberechtigung erlangen. Als KommunistInnen verstehen wir unter Gleichberechtigung nicht allein die bürgerliche, formale rechtliche oder politische Gleichberechtigung - um die Wurzeln von Kapital, Patriarchat und Staat zu zerreißen ist eine soziale Revolution gegen die Besitz -und Herrschaftsverhältnisse insgesamt nötig und kein links-bürgerlicher "Feminismus".

Der Mainstream des bürgerlichen Feminismus hat keine antikapitalistische, antibürgerliche Ausrichtung - nicht der Sturz der ausbeuterischen Besitzverhältnisse ist das Ziel, sondern eine "gleichberechtigte" Teilhabe von Frauen an der bürgerlichen Herrschaft. Bei der Hetze gegen den Islam und dessen Gläubige unterstützen bürgerliche Feministinnen wie Alice Schwarzer die konservativen bürgerlichen Medien - Grünen-Chefin Claudia Roth verteidigte den Afghanistankrieg, schließlich sei dies auch ein Krieg zur Befreiung der afghanischen Frauen.

Westliche „Freiheit“ der Frau

Wir wissen um die reaktionären Gesellschaftsbilder des wahabitischen Islam, wissen um die totale Entrechtung der Frau in vielen islamischen Staaten wie unter den Verbündeten des „Westens“ Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrein oder Oman oder; wir wissen um die Verarmung und Bedrohung der Frauen durch Krieg und Besatzung in Palästina, Irak oder Afghanistan.

Im Westen wird die soziale und politische Rolle der Frau für die Propaganda gegen den Islam missbraucht, das westliche Bild von Gleichberechtigung und Emanzipation gilt als Vorbild - die soziale Position ist durch Extra -und Überausbeutung bestimmt; begleitet wird dies von Sexismus und konservativen Frauenbildern.

Während in der Medienindustrie die Ausbeutung und "Vermarktung" des weiblichen Körpers schon alle Bereiche durchdrungen hat, werden in der bürgerlichen Politik neokonservative Diskussionen über das Frauenbild geführt: sei es das unsägliche Buch von Ex-Tagesschausprecherin Eva Herrmann oder die christdemokratische Debatte über Kitaplätze. Neben den Erfordernissen der Wirtschaft an die "Arbeitskraft Frau" wird auch eine ideologische Diskussion geführt. Dabei erleben wir eine eigentümliche Kombination, auf der einen eine wertkonservative patriarchalische Bestimmung, in der die Frau als sozialer "Anker" in schwierigen Zeiten auftritt, auf der anderen eine neoliberale Richtung - mit der Forderung nach mehr Flexibilität, d.h. Verfügbarkeit der Frau für den Arbeitsmarkt.

Diese Mischung zeichnet derzeit auch die Regierungspolitik der Großen Koalition aus, neben dem Elterngeld für Besserverdiener will Ursula von der Leyen nun auch die Kitaplätze ausbauen.

Diesen Spagat betreibt die Politik aufgrund der Erfordernisse des Kapitals. Frauenpolitik heißt heute Reproduktionsplanung und Extraausbeutung.

Sexismus als ideologische und soziale Unterdrückung

In der patriarchalischen Gesellschaft ist das Bewusstsein der Männer durch die Unterwerfung der Frau geprägt - der Junge/Mann lernt schnell, dass er zu den "Starken" der Gesellschaft gehört - er darf kein "Mädchen" sein und lernt in der Pubertät die Frau vor allem als Sexobjekt kennen.

Der Körper der Frau ist zur Ware der patriarchalischen Gesellschaft geworden. Keine Musik, kein Produkt, kein Event, die nicht mit einer halb oder ganz nackten Frau beworben wird. Besonders die Musikindustrie, speziell die Hip Hop-Branche lebt von der sexistischen Ausbeutung der Frau. Je mehr die Frau als Objekt herabgewürdigt wird, desto "männlicher" ist das Image der Interpreten.

Bürgerliche Medien sprechen gerne von der "selbstbewussten" Frau, die ihre Reize für die Karriere einsetzt - quasi "unverkrampft" sich zum Pin up Girl degradieren lässt und verkaufen das noch als Selbstbestimmung und Freiheit der modernen Frau.

Dies ist die "Freiheit" der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft: sie ist frei, für weniger Lohn zu arbeiten, für umsonst sich um Familie und Haushalt zu kümmern und frei, sich als Sexobjekt vermarkten zu lassen - höchstens die Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen können ausgesucht werden. Dies ist keine Gleichberechtigung im emanzipatorischen Sinne.

Am deutlichsten ist die sexistische Herrschaft im Bereich der Prostitution und Porno-Industrie. Die bürgerliche Gesellschaft hat ein Ausbeutungsverhältnis geschaffen, in dem Millionen Frauen als Sklavinnen von Menschenhändlern und Zuhältern leben müssen, wo sie massiver Gewalt, Drogenabhängigkeit und totaler Entrechtung ausgesetzt sind. Als Mediengeschäft hat die Pornoindustrie die Vermarktung der Frau als Sexobjekt in dieser Gesellschaft auf ungeahnte Höhen getrieben - Hunderttausende Frauen dienen hier sexistischen Profitinteressen. Es gehört zu den widerlichsten Kapiteln der "modernen Zivilisation", wie heute Mädchen und Frauen den patriarchalischen sexistischen Vorstellungen dienen sollen. In dieser Ausbeutung wird der "Besitz" des weiblichen Körpers als Ziel des Mannes beschrieben - sie muss sich seinen Vorstellungen unterwerfen, wie in der Gesellschaft so auch sexuell - Vergewaltigung und Pädophilie sind auch Zeichen dieser sexistischen Ordnung.

Von Linksbürgerlichen wie SPD oder Grünen finden wir keine Antwort auf diese kriminellen und menschenverachtenden Verhältnisse. Ihre Vorstellungen kreisen eher um eine "Legalisierung" der Prostitution mit Meldung und Versicherung mit möglicher Unabhängigkeit von Zuhältern. In der Realität können Prostituierte kaum von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Dem Gerede der Linksbürgerlichen folgte keine Veränderung der Situation der Prostituierten in Deutschland - im Gegenteil: Drogengebrauch und Kinderprostitution nehmen zu, die "illegale" Straßenprostitution eingeschlossen. Diesen Mädchen und Frauen wird nicht geholfen, im Zuge der allgemeinen Sparmaßnahmen wird gerade im Bereich der Straßensozialarbeit gekürzt - medizinische und soziale Stellen werden gestrichen.

Diese Verhältnisse können letztlich nur durch einen Sturz der patriarchalisch-kapitalistischen Gesellschaftsordnung verändert werden. Die Geschlechterfrage ist keine Nebenfrage des antikapitalistischen Kampfes. Die älteste Spaltung der Gesellschaft ist die von Mann und Frau - alle hierarchischen und besitzenden Gesellschaften waren davon gekennzeichnet, nur eine klassenlose Gesellschaft kann diese Spaltung überwinden.

Emanzipation heißt Antikapitalismus

Der 8. März muss ein Tag des antikapitalistischen Protestes werden, muss die Frage der politischen Ordnung stellen und kein Organ für linksbürgerliche Versprechungen und neoliberale Anpassungswünsche sein. Wir müssen die europäischen Illusionen in eine Gleichberechtigung im Kapitalismus bekämpfen und stattdessen konkret gegen die Unterdrückung von Frauen kämpfen. Die internationale Ausbeutung und Unterdrückung der Frau nimmt täglich zu - Niedriglohn und Sklavenarbeitsverhältnisse, politische und rechtliche Diskriminierung, Menschenhandel und sexistische Unterdrückung.

Kein bürgerlicher "Feminismus", keine neoliberale Karriere ist fortschrittlich für die Befreiung der Frau. Für eine soziale und politische Emanzipation muss die Frauenbewegung sich wieder der revolutionären Bewegung zuordnen, darf die bürgerliche Ideologie in ihren Reihen nicht weiter unterstützen.

Gleichzeitig darf sich die Frauenbewegung nicht auf die rassistische Auseinandersetzung zwischen dem Westen und der islamischen Welt einlassen. Der Imperialismus führt keinen Krieg für die Frauenrechte der islamischen Welt, sondern allein zur Durchsetzung der kapitalistischen Interessen.

Wir brauchen keine "moderne Familienpolitik" à la CDU/CSU und SPD mit Quotenfrauen in der ersten Reihe - dies ist keine Emanzipation, sondern weiterhin die Ausübung des bürgerlichen Patriarchats. Das Patriarchat hat seine Wurzeln im Krieg und im Besitz - über diese sozialen Kategorien entstand die historische Unterdrückung der Frau. Nur eine kommunistische Gesellschaft kann die Emanzipation der Frau vollenden, denn nur sie kann die Vergesellschaftung der Hausarbeit durchsetzen, den Arbeitsaufwand dafür bedeutend reduzieren, aber auch auf die Schultern beider Geschlechter gleichmäßig verteilen, den engen Horizont der Kleinfamilie, der Privatsphäre überwinden. Erst dann ist die Frau sozial, ökonomisch und ideologisch dem Mann gleichgestellt - keine soziale Schranke steht mehr zwischen ihnen.

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Nr. 118, März 2007
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*  Rente mit 67: Die Basis kämpft - die Führung kneift
*  Internationaler Frauentag: Emanzipation im Kapitalismus?
*  Netzwerk Linke Opposition: Die Chancen des NLO
*  Parteifusion: Die Linke und die "Linke"
*  UN-Klimabericht: Mehr heiße Luft
*  RAF-Diskussion: Widerstand oder "Terrorismus"?
*  Heile Welt
*  Imperialistische Mobilmachung: Kein Krieg gegen den Iran