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WASG

Der Kampf hat erst begonnen!

Markus Lehner, Neue Internationale 111, Juni 2006

Vor dem Bundesparteitag der WASG schrieben wir: „Aber es ist auch klar, dass die Vorstände von WASG und PDS und die de facto-Führung beider Parteien, die Parlamentsfraktion, ihr reformistisches Projekt durchziehen wollen.“ (Neue Internationale 110, Mai 2006)

Wir schlussfolgerten, dass es notwendig ist, schon von vornherein „eine organisierte Opposition in der WASG zu schaffen, die mit allen Strömungen in der PDS eng kooperiert, die eine antikapitalistische, systemoppositionelle Partei schaffen wollen“.

Im Gegensatz dazu waren viele BasisaktivistInnen der WASG von Verlauf und Ergebnis des Bundesparteitags überrascht und vor den Kopf geschlagen. Viele hatten nicht damit gerechnet, dass die erpresserischen Spaltungsdrohungen von Lafontaine, Maurer und Ernst derart verfangen könnten; dass die knappen Abstimmungsergebnisse besonders in Bezug auf die Verhinderung des Berliner WASG-Eigenantritts von Ernst und Trost als genügend angesehen wurden, um dann mit administrativen Mitteln diesen Beschluss auch umzusetzen.

Dass eine Partei, die sich bei ihrer Gründung als besonders demokratisch von der SPD abheben wollte, mehrfach demokratisch legitimierte Landesparteitagsbeschlüsse über den Haufen wirft, gewählte Landesvorstände durch „Kommissare“ ersetzt, und dann auch noch satzungsgemäß einberufene Landesparteitage für irrelevant erklärt – all das führte bei vielen Mitgliedern zu bodenlosen Staunen.

Dabei ist Klaus Ernst & Co. die Wirkung ihres Absetzungs-Furors bei großen Teilen der aktiven Linken durchaus bewusst. Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautete, äußerte Ernst nach dem Hinweis, dass seine Handlungsweise zu Massenaustritten von Linken aus der WASG führen werde: „Genau das ist der Sinn des Ganzen“!

Die Opferung wichtiger Teile der aktiven Basis der WASG, die Diskreditierung der Partei im sozialen Protest-Milieu sind für die Neo-Noskes an der WASG-Spitze der billige Preis dafür, dass eine handzahm geformte, von oben fusionierte „Linkspartei“ entsteht, die für die nächsten Regierungsbeteiligungs-Schandtaten bereit ist. Die Verhinderung einer Gegenkandidatur gegen die Berliner PDS-Regierungsbeteiligung muss dafür um jeden Preis durchgesetzt werden.

Ein achtbares Ergebnis bei den Wahlen, vor allem aber eine reale Gewinnung von und engere Verbindung mit den von der Senatspolitik Betroffenen (Arbeitslose, MigrantInnen, Beschäftige im Öffentlichen Dienst, SchülerInnen und Studierende ...) würde die innerparteiliche Opposition in der WASG stärken, den Druck von links auf die WASG und die L.PDS erhöhen (und auch oppositionelle Kräfte in der PDS stärken). Daher wird dieser Kampf um die Berliner Linie von beiden Seiten mit steigender Härte geführt – auch für die gesamte Opposition in der WASG ist die Frage der Berliner Eigenkandidatur letztlich die Frage, ob man ebenso als marginalisiertes „linkes“ Feigenblatt endet, wie „kommunistische Plattform“ & Co. es schon seit Jahren in der PDS sind.

Die Linie des jetzigen Bundesvorstandes prägte die WASG von Beginn an politisch-programmatisch. Das zeigt sich z.B. am Programm der WASG, das einen rein system-immanenten Charakter hat und sogar noch hinter die Programme der PDS am Beginn der 90er Jahre zurückfällt. Selbst in der Regierungsfrage steht das Programm rechts von dem der PDS zu Beginn der 90er Jahre. Diese hatte damals korrekterweise noch jede Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung abgelehnt. Die Formel, dass die WASG eine Beteiligung an Regierungen ablehnt, die Sozialabbau betreiben und neo-liberale Politik umsetzen, ist zwar ein Hindernis für den aktuellen Vorstand (und als Hindernis verteidigenswert) - als politisch-programmatische Position jedoch zweideutig und falsch, weil dies die Übernahme der Verantwortung für das bürgerliche System durchaus einschließt (und damit noch immer ein Hintertürchen zur Regierungsbeteiligung offen lässt).

Entscheidend ist jedoch nicht nur die Frage der Regierung. Das Programm der WASG war und ist von Beginn an ein Programm, das über den bürgerlichen Staat „soziale Gerechtigkeit“, also einen „besseren“ Ausgleich zwischen den Klassen schaffen will. Wer ein solches Programm umsetzen will, muss allerdings die Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung anstreben. Daher lehnen wir auch die Vorstellung ab, dass die WASG auf einem verteidigenswerten „Grundkonsens“ gegründet worden sei. Eine organisierte Opposition in der WASG muss unserer Meinung nach den Kampf gegen die politischen und administrativen Angriffe des Vorstandes auf einer anderen politischen und strategischen Grundlage als dem WASG-Programm führen. Ansonsten ist sie letztlich dazu verurteilt, sich selbst in heillose innere Widersprüche zu verstricken.

Konferenz

Am 20.5. fand in Kassel ein bundesweites Treffen der WASG-Oppsoition statt, das endlich über unverbindliche Absprachen und politisch inhaltsleere Erlebnisberichte von der WASG-Gremienarbeit hinaus gehen sollte. Die Gruppe Arbeitermacht vertrat auf dieser Konferenz die Position, dass endlich eine organisierte Opposition geschaffen werden muss, die nicht nur klar und entschlossen den Kampf gegen Ernst & Co mit allen Mitteln aufnimmt, sondern auch den programmatischen Bruch mit deren perspektivlosen Reformismus vollzieht. Dazu formulierten wir in unserem Flugblatt:

„Wir sind von Beginn an dafür eingetreten, dass die WASG zu einer Partei wird, die durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist:

Partei des Kampfes, der Aktion

Entscheidend ist die Organisierung des Klassenkampfes in den Betrieben, auf der Straße, an den Schulen, Unis, vor den Arbeitsagenturen usw. Das Parlament und die Kandidatur müssen zur Mobilisierung und als Bühne zum Angriff auf die Kapitalisten, die Regierung und ihr System genutzt werden.

Klassenpartei

Wir treten dafür ein, dass die neue Partei eine Partei der Arbeiterklasse wird (wobei für uns die Arbeiterklasse auch jene Lohnabhängigen einschließt, die ihre Arbeitskraft nicht an den Käufer bringen). Arbeiterpartei heißt keinesfalls, dass nur ArbeiterInnen Mitglied sein dürfen, sondern dass die Partei vom Klassenstandpunkt des Proletariats ausgehen muss - und damit nicht nur die unmittelbaren ökonomischen Interessen vertritt, sondern auch die historischen Interessen der Arbeiterklasse, also den Kampf für eine Gesellschaft frei von Ausbeutung und Unterdrückung, für die klassenlose kommunistische Gesellschaft.

Revolutionär

Die ganze bisherige Geschichte hat gezeigt, dass die Arbeiterklasse sich und alle andere Unterdrückten nur befreien kann, wenn sie die politische Macht ergreift. Es hat sich auch gezeigt, dass das etwas gänzlich Anderes ist, als die Regierung und den bürgerlichen Staatsapparat in Besitz zu nehmen (oder ihn, wie im Ostblock, „nachzubauen“).
Eine solche Umwälzung kann nur revolutionär geschehen, indem die Arbeiterklasse eigene Organe des Kampfes und der Organisierung des Übergangs zu einer sozialistischen Gesellschaft – Räte oder räteähnliche Organe – schafft und an Stelle der alten bürokratischen Staatsmaschine setzt.

Internationalistisch

Die gegenwärtigen Angriffe können nur durch international organisierten Kampf gestoppt werden – daher ist es von Beginn an notwendig, für eine internationale Organisierung auch als Partei einzutreten.

Doch auch das Ziel einer befreiten Gesellschaft lässt sich nur international verwirklichen oder gar nicht. Nur durch die soziale Revolution im Weltmaßstab kann eine neue Gesellschaft geschaffen werden.

Uns ist bewusst, dass in der WASG und auch in der WASG-Linken kommunistische Kräfte eine Minderheit darstellen. Aber wir halten es für unbedingt notwendig, dass die Linke in der WASG eine politische Diskussion über ihre eigenen Ziele und Methoden initiiert. Ansonsten bleibt sie in einem letztlich perspektivlosen Abwehrkampf stecken.“

Über diese notwendige programmatische Neuorientierung hinaus, forderten wir, dass sich die Opposition in Kassel verbindliche Strukturen gibt, die im Kampf mit der Bundesführung zu Erklärungen, Kampagnen und koordiniertem Handeln fähig sind – insbesondere so bald wie möglich einen von der Basis legitimierten neuen Bundesparteitag erzwingt; die den eigenständigen Wahlantritt in Berlin mit allen Mitteln bundesweit unterstützen; die mit oppositionellen anti-kapitalistischen Strömungen in der PDS Kontakte knüpft; neue, aktivistische Kräfte aus der Arbeiterbewegung und den sozialen Bewegungen in die WASG holt; sich aktiv an den sozialen und politischen Kämpfen beteiligt, ob es sich um den 3.Juni oder die Anti-Bush-Demo handelt; und so bald wie möglich einen weiteren Bundeskongress der linken Opposition auf breiterer Basis organisiert.

Bewertung

Gemessen an diesen Forderungen blieb der Kongress in Kassel unter den Möglichkeiten. Und die waren an Hand der 280 angereisten vor allem auch Basis-GenossInnen nicht so schlecht. Gemessen an den vorherigen ähnlichen Zusammenkünften und dem Stand der oppositionellen Diskussion stellte der Kongress sicher einen Schritt in die richtige Richtung dar. Es fehlten diesmal die sonst bei WASG-„Oppositionstreffen“ notorischen Anti-Kommunisten. Trotz der dezidiert anti-kapitalistischen Stimmung im Saal wurde jedoch vom Podium her eher abgewiegelt und eine scharfe Konfrontationslinie vermieden. Dies liegt sicherlich auch an den verschiedenen, in der linken Opposition vertretenen politischen Strömungen.

Die SAV sieht die Frage einer bundesweiten Koordination der Opposition offenbar schon für gelöst: sie sieht sich wohl schon als Koordination genug. Ihre Intervention ging vor allem in die Richtung so viel wie möglich Unterstützung für den eigenständigen Antritt in Berlin bundesweit zu mobilisieren. Weder das Interesse an einem Programm, das den „Gründungskonsens der WASG“ verlässt war bei ihr – außer als Bekenntnis - zu bemerken, noch eine klare Stellungnahme zur Frage der Regierungsbeteiligung: Ihre Vertreter formulierten letztlich den Kompromiss in der Abschlusserklärung, der Regierungsbeteiligungen im Falle eines „echten Politikwechsels auf anti-neoliberaler Grundlage“ letztlich nicht ausschließt.

Die DKP-VertreterInnen schließlich verstanden das auf dem Kongress weit verbreitete Bedürfnis nach Formulierung einer anti-kapitalistischen Stoßrichtung für die WASG überhaupt nicht. Für sie solle die WASG eine konsequent kämpferische Massenorganisation bleiben, die den Anti-Kapitalismus der DKP überlässt (die dafür doch gerade erst ein Programm erarbeitet habe).

Von VertreterInnen der isl (internationale sozialistische Linke, 4. Internationale) wurde das Ziel einer organisierten Opposition (neben uns) noch am deutlichsten formuliert – sofern sie ausnahmsweise Mal einer Meinung waren.

Aufgrund der mangelnden bundesweiten Strukturen der linken Opposition – die auch durch das auf der Konferenz begründete „Koordinierungsgremium“ kaum beseitigt werden wird – spielt die Redaktion der Netzzeitung „linkezeitung“ die Rolle einer inhaltlichen Quasi-Führung der Opposition. Auch wenn in dieser (insbesondere aus der NRW-Opposition rekrutierten) Gruppe durchaus GenossInnen mit anti-kapitalistischen Anspruch vertreten sind, so bleiben sie doch einem Etappenkonzept des Kampfes gegen den Bundesvorstand und für den eigenständigen Berliner Antritt verhaftet, und vermieden jede Kritik am „Gründungskonsens“.

Fortschritte

Angesichts dieser Gemengelage waren folgende Punkte ein Erfolg der Konferenz:

(1) es gab eine klare Verurteilung der Maßnahmen des Bundesvorstandes gegen den Berliner Landesverband und eine Unterstützung für die politischen Ziele des Eigenantritts (auch wenn man sich nicht zu einer unumwundenen Unterstützung der Eigenkandidatur durchringen konnte).

(2) es wurden in einzelnen Feldern (Programmdiskussion, demokratische Strukturen, Bildungsarbeit,...) Arbeitsgruppen eröffnet, die auch über den Kongress hinaus weiter arbeiten sollen, und die zu Ausgangspunkten für eine inhaltlich wirklich entwickelte Opposition werden könnten.

(3) Es wurde eine aktivistische Orientierung auf Kampagnen innerhalb einer breiteren sozialen Protestbewegung beschlossen – im Sinne eines Parteibildungsprozesses, der sich vor allem den AktivistInnen des anti-neoliberalen Protestes öffnet.

(4) Es wurden konkrete Schritte zur Vernetzung mit Strömungen der anti-kapitalistischen Opposition innerhalb der Linken.PDS unternommen. Dazu ist im Herbst ein gemeinsamer bundesweiter Kongress geplant.

(5) Gerade auch zur Unterstützung des Berliner Kampfes wurde für August ein nächster bundesweiter Kongress in Berlin beschlossen.

Das auf dem Kassler Treffen gegründete (offene) Koordinierungsgremium wurde rein auf die organisatorische Vorbereitung von bundesweiten Treffen und die Organisierung der Diskussionen dazwischen beschränkt.

Wie gesagt – eine organisierte bundesweite Opposition auf anti-kapitalistischer Grundlange ist dies offenbar noch lange nicht. Aber das Potential einer kämpferischen Basis hat sich deutlich gezeigt – und Ansätze für eine Weiterentwicklung dieser linken Opposition möglich gemacht. Es wird in den nächsten Monaten darauf ankommen, einerseits die Berliner Bastion so lange wie möglich zu verteidigen. Andererseits um diesen Oppositionskampf die programmatische Diskussion der Opposition voran zu bringen. Letztlich wird es von den sozialen Kämpfen im Lande und der Möglichkeit, sich mit ihnen zu verbinden, abhängen, ob die Opposition eine Chance hat, sich zu einer wirklichen politischen Alternative zu entwickeln.

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Nr. 111, Juni 2006

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