Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Wahlalternative

Aktiv – gegen Linke

Susanne Kühn, Neue Internationale 99, April 2005

Keine Woche vergeht in der WASG, der "Wahlalternative", ohne dass der Bundesvorstand keinen neuen Affront gegen wirkliche oder vermeintliche KritikerInnen verursacht.

Am 28. Februar revidierte der Bundesvorstand seinen Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die SAV - um ihn auf alle Mitglieder von "Parteien oder parteiähnlichen Organisationen" auszuweiten!

Es heißt dort:

"3) Von FunktionsträgerInnen und KandidatInnen der ASG, die noch Mitglied anderer Parteien oder parteiähnlicher Organisationen sind, müssen wir als Partei, die bei Wahlen mit einem klaren politischen Konzept antritt, auch ein unmissverständliches und öffentliches Bekenntnis zu unserem Programm und zu unseren Organisationsprinzipien verlangen.

Sie werden deshalb aufgefordert, öffentliche Aktivitäten und Auftritte für ihre bisherige Partei oder parteiähnliche Gruppierung und das Werben für diese im Zusammenhang mit Veranstaltungen der ASG zu unterlassen."

Gegen KommunistInnen

Mit diesem einstimmig (!) beschlossenen Passus hat sich der Bundesvorstand einen Freibrief gegen Mitglieder kommunistischer und sozialistischer Organisationen ausgestellt.

Der Programmentwurf, der vom provisorischen Vorstand als Entwurf angenommen wurde, wird bereits vor (!) jeder Entscheidung der Mitgliedschaft und des ersten Parteitages als politische Grundlage definiert, auf die jede/r öffentlich zu schwören hätte. Mit diesem Beschluss werden sowohl die Debatte in der Partei als auch das offene Auftreten von KritikerInnen bürokratisch abgedreht.

Diese Vorgangsweise hat Methode und ein Ziel: die WASG soll als "Sozialstaatspartei", als reformistische und wahlfixierte Partei festgelegt werden, die, so die weitestgehenden Äußerungen, in der "Mitte" ihren Platz finden möge.

Dazu sollen alle Linken, die für eine sozialistische, kommunistische oder revolutionäre Programmatik, für eine Politik des Klassenkampfes gegen Generalangriff und Kapitalismus eintreten, aus der Partei gesäubert werden.

Genau darum und um nichts anderes geht es bei diesem Beschluss! Ganz auf dieser Linie wurde auch das sektiererische Verbot von Doppelmitgliedschaften bekräftigt. Wie aber soll eine neue kämpferische Arbeiterpartei aus einer zersplitterten, heterogenen Bewegung gegen Agenda und Hartz-Gesetze, gegen imperialistische Aufrüstung und betriebliche Angriffe, gegen Rassismus und Faschismus entstehen, wenn gleich am Beginn ein Ultimatum an alle Organisierten steht, künftig nicht mehr für ihre Überzeugungen eintreten zu dürfen, wenn sie in der WASG eine Funktion ausüben?!

Ein solcher Maulkorberlass ist bislang auch in der PDS - zu der die WASG doch eine Alternative darstellen sollte - unüblich. Der Statutenentwurf der WASG sieht auch kein Recht auf Bildung politischer Strömungen und Fraktionen vor. So wird gleich zu Beginn jeder Zweifel an den bürokratischen Allüren des Vorstandes ausgeräumt.

Der Grund dafür ist klar. Während PDS und SPD etablierte reformistische Massenparteien sind, die sich auf eine passive Mitgliedschaft und einen etablierten Apparat stützen können, der parteiinternen KritikerInnen einen gewissen Freiraum lassen kann, ohne großen Ärger befürchten zu müssen, so sitzt die WASG-Spitze weniger fest im Sattel.

Die - vor allem von reformistischen "Machern" wie Klaus Ernst - erhofften Legionen hauptamtlicher Gewerkschaftssekretäre und Betriebsratschefs, die den Kern der neuen Partei bilden sollten, sind ausgeblieben. Die WASG soll "Sozialstaatspartei" sein und keine "Linkspartei". Sie soll am deutschen Staat nicht weiter rühren. Ziel der Partei ist im Grunde, SPD, PDS und Grüne wieder auf "Kurs" zu bringen und zum tradierten Klassenkompromiss der 70er Jahre zurückzuführen.

Durch diesen Gründungskurs hat die WASG die VertreterInnen kämpferischer Belegschaften, sozialer Bewegungen, der Montagsdemos, der Erwerbslosen, der Jugend abgestoßen. Ein Blick in WASG-Versammlungen zeigt deutlich: die Parteimitgliedschaft ist männlich, weiß, älter als 40. Hinzu kommt, dass sich ein größer werdender Teil sozial aus dem Kleinbürgertum und lohnabhängigen Mittelschichten rekrutiert, der gerade davon angezogen ist, dass sich die WASG programmatisch rechts von der PDS zu positionieren versucht und durchaus zu einer populistischen, d.h. kleinbürgerlichen Partei werden könnte.

Hinzu kommt eine politische Differenz an der reformistischen Parteispitze. Während Klaus Ernst eine Partei aus Betriebsräten und Gewerkschaftssekretären will, halten die reformistischen Intellektuellen in der WASG-Führung um Bischoff und Troost (allesamt aus der "Sozialismus"-Gruppierung) eine solche Einschränkung auf Arbeiterbürokratie und -aristokratie für zu eng. Die "sozialen Bewegungen" sollen mit uns Boot. Daher gibt man sich auch "offener" und etwas linker als Klaus Ernst und Co.

In der politischen Substanz nimmt sich das zwar wenig - es zeigt jedoch, wie hohl und verlogen selbst unter den ReformistInnen die ständige Beschwörung der "Einigkeit" der Partei ist, der "allgemeinen" Zustimmung zum Programm. Selbst diese politischen Kontroversen werden nicht offen ausgetragen, sondern gedeckelt.

Pseudolinke Flankendeckung

Nun ist der Kampf gegen linke, sozialistische, kommunistische und revolutionäre KritikerInnen nichts Ungewöhnliches für Reformisten oder kleinbürgerliche, "mittige" Kräfte. Alles andere wäre ein Wunder.

Von Beginn an hat sich die "Linksruck"-Strömung diesem Chor angeschlossen. Geradezu euphorisch wird auch von dieser "sozialistischen" Seite jede Kritik an der reformistischen Ausrichtung der WASG, an ihrer Nationalbornierheit kritisiert und bekämpft.

Christine Buchholz, Linksruck-Mitglied und Mitglied des Bundesvorstandes, gibt im Beitrag "Was für eine Partei brauchen wir?" ihr Bekenntnis zum reformistischen Programm ab: "Deswegen hat die ASG ein Reformprogramm erarbeitet, in dem sich alle wieder finden können. Jeder Versuch, das Programm der ASG auf ein sozialistisches Programm einzuengen, würde das Spektrum derer einschränken, die in der ASG eine (neue) politische Heimat finden könnten."

Sieh an! Die "Sozialistin" und "Marxistin" Buchholz will uns einreden, dass sich RevolutionärInnen in einem Programm, dass auf die Verteidigung des Kapitalismus ausgerichtet ist, "wieder finden" sollen. Schon vor über hundert Jahren war Rosa Luxemburg gegen solche klassenversöhnlerischen, bürgerlichen Tendenzen in der Sozialdemokratie mit vollem Recht vorgegangen.

Buchholz verschweigt geflissentlich, dass eine Partei, die kein "sozialistisches Programm", also kein Programm des Kampfes gegen den Kapitalismus und zur revolutionären Machtergreifung der Arbeiterklasse durch die sozialistische Revolution vertritt, unwillkürlich bei einem bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Programm landen muss.

Sie verschweigt geflissentlich, dass ein "Reformprogramm" ein Programm zur Verteidigung des Kapitalismus ist, dass es die Interessen des "linken Flügels" der herrschenden Klasse und nicht die Interessen der Lohnabhängigen zum Ausdruck bringt.

Ähnlich den Reformisten an der WASG-Spitze zeichnet auch Buchholz das Bild von der "durch und durch" reformistischen Arbeiterschaft, die es zu gewinnen gelte. Zweifellos ist das vorherrschenden Arbeiterbewusstsein heute reformistisch, eine Spielart bürgerlichen Bewusstseins.

Gleichzeitig haben sich aber in den letzten Jahren erste Brüche in diesem Bewusstsein gezeigt - siehe die Demonstration am 1. November 2003, siehe die Massenmobilisierungen in Genua.

Die Aufgabe einer neuen Partei, die einen Schritt vorwärts führen soll, wäre es gerade, diese Bewegungen zu bündeln und ihnen eine politische Perspektive zu weisen, also das politische Bewusstsein zu heben, statt den Reformismus schön zu reden.

Dieser Aufgabe wird jedoch nicht nur Linksruck nicht gerecht. Unter dem Druck des Vorstandes und der Rechten ist auch die SAV, die in der Gründungsphase der WASG noch für ihr eigenes Programm eingetreten war, zurückgewichen. Sie beschränkt sich darauf, für einige Änderungen am Entwurf und für "konkrete Kampagnen" einzutreten.

Am grundsätzlichen Charakter des WASG-Programms ändert das jedoch nichts. Im Gegenteil: die SAV hat ihren Widerstand gegen die Verfestigung der WASG zu einer parlamentarisch fixierten "Reformpartei" aufgegeben.

Der Reformismus mag zwar das aktuelle Bewusstsein der Masse oder eines Teils der politisch fortgeschritteneren Lohnabhängigen, die sich von SPD und PDS abwenden, widerspiegeln - dass das auch im Interesse der Lohnabhängigen wäre, ist jedoch ein bürgerliches Märchen.

Genau aus diesem Grund lehnen wir es ab, uns im "Reformprogramm" der WASG "wieder zu finden" oder einige "Verbesserungen" vorzuschlagen. Die GenossInnen und UnterstützerInnen der Arbeitermacht und des von uns vorgelegten Programmentwurfs treten in der WASG gegen die Verengung auf Reformismus und Verteidigung des Kapitalismus ein. Genauso lehnen wir es ab, uns den undemokratischen Allüren des Vorstandes zu beugen.

Keine Kapitulation!

Wir werden kein Glaubensbekenntnis zum Programmentwurf des Vorstandes und seinen "Organisationsprinzipien" abgeben, die dabei sind, das ganze Projekt in den Sand zu setzen.

Im Gegenteil: wir werden sie in- und außerhalb der WASG kritisieren, weil wir die Chance, eine neue Arbeiterpartei aufzubauen, die eine wirkliche Alternative zu SPD und PDS darstellt, nicht leichtfertig verspielen wollen.

Die Arbeiterklasse und die Jugendlichen, die Hunderttausenden, die in anti-kapitalistischen Mobilisierungen, bei den Montagsdemos, in Abwehrkämpfen bei Daimler und bei Opel aktiv wurden, haben mehr verdient als eine SPD-"Sozialstaatspartei" mit neuem Namen.

Der WASG-Parteitag vom 6.-8. Mai wird daher ein entscheidendes Datum sein. Sollten sich die Vorschläge des Vorstandes, v.a. der Programmentwurf, ohne nennenswerten Widerstand durchsetzen, so ist die WASG wohl schon am Ende ihres progressiven Potentials angekommen.

Leserbrief schreiben   zur Startseite

neue internationale
Nr. 99, April 2005

*  Arbeitslosigkeit: Schwarze Bilanz von Rot/Grün
*  Erster Mai: Klassenkämpferische Opposition sichtbar machen!
*  Tarifabschluss Öffentlicher Dienst: Zahnloser Tiger Ver.di
*  Heile Welt
*  Wahlalternative: Aktiv - gegen Linke
*  NRW-Wahlen: Schröder am Ende?
*  China: Boom und Billigjobs
*  100 Jahre Relativitätstheorie: Relativ revolutionär
*  Libanon: Nein zur imperialistischen Intervention!
*  Arbeitskämpfe in Frankreich: Eine neue Einheit