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Erneuerung der Gewerkschaften? Bruch mit der Klassenzusammenarbeit Frederik Haber, Neue Internationale 213, Oktober 2016 Gemeinsam gewinnen“ heißt das Motto der dritten Konferenz „Erneuerung durch Streik“, die vom 30. September bis zum 2. Oktober in Frankfurt/Main stattfindet. So gut es ist, dass es diesen Rahmen für kämpferische, aktive und linke KollegInnen gibt, so groß ist auch diesmal die Gefahr, in den vielen kleinen Problemen der gewerkschaftlichen Alltagspraxis stecken zu bleiben und dem Bemühen, damit fertigzuwerden. Zugespitzt zeigt es sich daran, dass es seit der letzten Konferenz eine Rechtswende in einem beträchtlichen Teil der ArbeiterInnenklasse gibt, dass die AfD die höchsten Stimmenanteile bei denen erhält, die wahlsoziologisch als „ArbeiterInnen“ bezeichnet werden - und das nicht nur im Osten. Da brauchen die Gewerkschaften mehr als Argumente gegen Rassismus für „StamtischkämpferInnen“. Wenn bei sinkender Tendenz nur noch die Hälfte der Klasse durch Tarifverträge und Betriebs- oder Personalräte erreicht wird, dann müssen wir über eine „erneuerte Gewerkschaftspraxis“ hinaus Fragen stellen. Wenn wir „gemeinsam gewinnen“ wollen, dann muss der anhaltende Niedergang der Gewerkschaftsbewegung zum Thema werden. Dann reicht es für die Linke in den Gewerkschaften nicht, sich an den Strohhalmen einiger weniger guter Beispiele festzuhalten. Es ist richtig, dass in den Gewerkschaften eine bürokratische Praxis dominiert, die die organisierten Betriebe verwaltet. Wenn seitens der Vorstände eine „Organizing“-Kampagne beschlossen wird, wird auch diese bürokratisch aufgesetzt. Ohne einsatzfreudige, innovative Menschen, von denen viele bei der Konferenz vertreten sein werden, würden die meisten dieser Kampagnen scheitern. Aber wenn es rechten, rassistischen Demagogen gelingt, massenhaft in den ArbeiterInnenschichten Anhang zu finden, die durch Arbeitslosigkeit, dauerhaften Niedriglohn, Leiharbeit und Hartz IV verarmt und perspektivlos sind, dann hat das damit zu tun, dass die Spitzen von DGB und Einzelgewerkschaften vor diesen Verschlechterungen nicht nur kapituliert haben, sondern prekäre Arbeitsverhältnisse mehrheitlich auch nur „mitgestalten“ wollen. Die ganze Zielrichtung der Agenda 2010, das Lohnniveau dauerhaft zugunsten der Exportfähigkeit zu senken, wurde ebenso mitgetragen wie die Ausweitung der Leiharbeit. Sie soll geregelt werden, nicht bekämpft. Statt durch Kündigung der Tarifverträge für LeiharbeiterInnen diesen das gesetzliche Equal-pay zu erlauben, sollen diese Abmachungen in Geheimverhandlungen erneut verlängert werden. Ebenso wenig wurde auch nur ein wichtiger Kampf gegen Werksschließungen ernsthaft seitens der Organisationen unterstützt. Wenn, dann nur von den lokalen Strukturen ohne Einsatz der Kampfkraft der gesamten Organisation. Die Streiks bei der Post, den ErzieherInnen und im Öffentlichen Dienst wurden ausverkauft. Die IG Metall schließt trotz größter Mobilisierungen in den Warnstreiks stets so ab, dass es dem Kapital nicht wirklich weh tut. Die Krönung dieser Unterordnung unter die Strategie des deutschen Kapitals, Großmacht in Europa und auf der Welt durch Wirtschaftsmacht zu sein, war es, den Angriff auf das Streikrecht mitzumachen. Belegschaften könnten mit kleinen Gewerkschaften die Maschinerie aus Arbeitsteilung, Transport und Logistik empfindlich stören - auch wenn die großen DGB-Gewerkschaften dies vermeiden. Im Namen der Einheitsgewerkschaft wurde übelste Klassenzusammenarbeit betrieben. Kein Wunder, dass bei einer solchen Politik auch die internationale Solidarität auf der Strecke bleibt. Die Erpressungen Griechenlands wurden durch unsere Vorstände mitgetragen, die französischen Gewerkschaften erhielten keine Solidarität im Kampf gegen die dortige „Agenda“. Auf dieser Schiene werden auch Rüstungsexporte, TTIP und CETA gut geheißen - wenn nur ein paar Standards eingehalten werden. Erneuerung durch eine andere Politik Wir brauchen nicht nur eine Erneuerung der gewerkschaftlichen Praxis, sondern der ganzen Ausrichtung. Das erfordert eine breite Debatte in den verschiedenen gewerkschaftlichen Strukturen und gerade auch auf dieser Konferenz: Der Kampf für eine solche Wende kann nicht individuell oder durch Einbringen einzelner Forderungen hier und da geschehen. Wir sind heute eine Minderheit, aber umso wichtiger ist es, dass ein solches Programm öffentlich sichtbar wird und wir den Aufbau einer organisierten, klassenkämpferischen Basisbewegung in Angriff nehmen. Dass solche Bewegungen möglich sind, zeigen die Massenbewegungen für Sanders in den USA und die Bewegung für Corbyn in Großbritannien. Das geht natürlich nicht einfach mit ein bisschen gutem Willen. Vor zwei Jahren hätte das damals aktuelle Thema des Angriffs auf das Streikrecht dazu dienen können, um eine Bewegung gegen die Kollaboration der DGB-Spitzen mit Regierung und Kapital zu formieren. Die Streik-Konferenz in Hannover hatte es damals versäumt, hier einen entsprechenden Aufruf zu diskutieren und zu einer zentralen Demo in Berlin aufzurufen. Wir schlagen vor, jetzt das Thema Leiharbeitstarife auch in diesem Sinne zu nutzen: Wir brauchen die Debatte hier auf dieser Konferenz und sind sicher, dass noch andere gute Vorschläge kommen - wenn wir diese Gelegenheit nicht nutzen, laufen wir Gefahr, uns in zwei Jahren noch weiter in die Defensive gedrängt zu finden. |
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![]() Nr. 213, Oktober 2016
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