Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Schlecker-Pleite

Tausende vor dem Aus

Frederik Haber, Neue Internationale 168, April 2012

Schlecker macht pleite und zehntausende Beschäftigte stehen vor dem Nichts. Sie sind die Leidtragenden einer Geschäftspolitik, auf die sie keinen Einfluss hatten und der kapitalistischen Konkurrenz, die nicht nur alle selbstständigen Drogerien, sondern auch schon mehrere kleinere Ketten vernichtet hat.

Die Beschäftigten waren diejenigen, mit deren Arbeit das Imperium aufgebaut worden war. Sie wurden ausgebeutet, betrogen, tw. illegal überwacht und in ihren gewerkschaftlichen Rechten unterdrückt. Anton Schlecker seinerseits hat rechtzeitig hunderte Millionen an seine Kinder übertragen, die jetzt als Kreditgeber bevorzugt werden. Dass der Name Schlecker für miese Arbeitsbedingungen und üble Geschäftspraktiken steht, ist sein Verdienst.

Jahrelang funktionierte sein System aus Ausbeutung und Unterdrückung, weil jeder Widerstand durch Kündigungen gebrochen wurde. Bei Beschäftigten wurden bei Betriebskontrollen auf wundersame Weise abgelaufene Waren gefunden, bevorzugt in Babynahrung. Vor Gericht hätten die Zeugenaussagen der Kontrolleure gegen die Versicherungen der Beschäftigten gestanden, zuvor selbst kontrolliert zu haben. Schlecker hatte immer klar gemacht, keine Gerichts-Kosten zu scheuen und bis in die letzte Instanz zu gehen. Ein ganzes Heer von BezirksleiterInnen, DetektivInnen und KontrolleurInnen war gegen die Verkäuferinnen eingesetzt.

Einen ersten Erfolg gab es, als die Gewerkschaft Handel Banken und Versicherungen (HBV, heute in ver.di) nachweisen konnte, dass Schlecker lügt: In den Arbeitsverträgen wurde den Verkäuferinnen Tariflohn versprochen, tatsächlich wurde aber weniger gezahlt. Dann gab es die ersten Betriebsräte, begleitet von unzähligen Kündigungen. Räume, Telefone und Computer musste zeitweise jeder BR  gerichtlich erstreiten. Mit der Begründung, Telefonkosten von 20 DM gefährdeten den Unternehmenserfolg, verprozessierte Schlecker das Hundertfache davon. Noch heute werden die Verkäuferinnen (wie im gesamten Einzelhandel) betrogen: Tariflohn wird gezahlt, aber meistens erst ab Ladenöffnung, die notwendige Vorbereitungszeit wird unentgeltlich abgefordert.

Anton Schlecker hat so dafür gesorgt, dass sein Name zum Synonym für die schlimmen Bedingungen im Handel geworden ist, die sich aber natürlich nicht auf seine Kette beschränken. Konkurrent Müller (DM-Märkte) jedenfalls setzt in seiner Werbung konsequent und erfolgreich auf ein soziales Image, das natürlich nichts daran ändert, dass es auch dort die Beschäftigten sind, die die Millionen des Herrn Müller vermehren.

Es ist also völlig berechtigt und nötig, Schlecker und seiner Familie die Werte wegzunehmen, die dieser aus der Ausbeutung Hunderttausender gewonnen hat. Damit könnten auch alle weiter in Arbeit gehalten werden. Den Kontrolleuren und Detektiven jedoch, die gegen ihre KollegInnen gearbeitet haben, muss ihre Arbeit genommen werden: Sie dürfen als VerkäuferInnen weiter arbeiten, wenn sie sich bei diesen entschuldigen. BezirksleiterInnen sollen aufhören zu schikanieren, sondern sich um Warenlieferungen u.ä. kümmern. Sie sollen von den Beschäftigten gewählt werden und genauso viel verdienen wie diese.

Nein zur Transfergesellschaft!

Zur Beruhigung der Beschäftigten ist PolitikerInnen und ver.di-Spitzen die Transfergesellschaft eingefallen. Tausende, v.a. MetallerInnen, haben ihre Erfahrungen damit gemacht. Da werden Gelder der Arbeitslosenversicherung verbraten, die Unternehmen stoßen unerwünschtes Personal ab, die Leute wandern in Rente, Arbeitslosigkeit oder Billigjobs.

Doch zu dieser Verarschung gibt es eine Alternative: Die entschädigungslose Verstaatlichung der Kette und ihre Weiterführung unter Kontrolle der Beschäftigten. Ja, es sollen staatliche Gelder verwendet werden. Die Milliarden, die den Banken in den Hintern geblasen werden, könnten hier sinnvoll verwendet werden!

Freilich ändert auch dies noch nichts Grundlegendes an der Konkurrenz in der Branche, wo Lohndrückerei, (unbezahlte) Überstunden übliche Mittel in einem brutalen Verdrängungswettbewerb sind. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die nächste Kette vor ähnlichen Problemen wie Schlecker steht.

Gegen die absurde, gesellschaftlich aberwitzige Auswirkung der Konkurrenz kann die Verstaatlichung Schleckers unter Arbeiterkontrolle nur ein erster Schritt sein. Sie muss jedoch weiter gehen, zum „Modellfall“ für alle Monopolisten der Branche werden.

So könnte auch die Versorgung in der Fläche, also auch in Städten und Gemeinden, wo mit der Schließung von Schlecker das Dichtmachen des letzten Ladens droht, gesichert werden. Statt unsinniger Konkurrenz würde sich die Versorgung unter Arbeiterkontrolle am realen Bedarf der Bevölkerung orientieren, statt Überstunden und Billiglohn, muss der Kampf gegen die Schließungen mit dem Kampf für einen Mindestlohn und Arbeitszeitverkürzung verbunden werden!

Für diese Ziele lohnt es sich zu kämpfen! Und dieser Kampf kann erfolgreich sein, wenn er von der gesamten Gewerkschaftsbewegung und von allen Lohnabhängigen unterstützt wird.

Daher:

Nein zum Transfergesellschafts-Schwindel! Nein zu allen Entlassungen!

Entschädigungslose Enteignung von Schlecker unter Arbeiterkontrolle!

Vollversammlungen an allen Standorten und Wahl von Aktionsausschüssen, um den Streik gegen die Schließung zu organisieren!

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 168, April 2012
*  Tarifrunde Öffentlicher Dienst: Bürokraten, die bellen, beißen nicht
*  Schlecker-Pleite: Tausende vor dem Aus
*  Aktionskonferenz Frankfurt/Main: Eine vergebene Chance
*  Heile Welt
*  Wahl im Saarland: Große Koalition im kleinen
*  Frauenbefreiung: Was nützt die Quote?
*  Europa: Deutsches Kapital regiert
*  Generalstreik in Indien: Arbeiterklasse erwacht
*  Asien-Kommission der Liga für die Fünfte Internationale: Vor neuen Aufgaben
*  Jugendorganisation REVOLUTION: Neues Programm
*  Europa: Solidarität mit der griechischen Arbeiterklasse
*  Frankreich: NPA in der Krise