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Generalstreik in Indien

Arbeiterklasse erwacht

Uslan Yentik, Neue Internationale 168, April 2012

10 Millionen indische ArbeiterInnen haben am 28. Februar gestreikt. Sie folgten damit dem Aufruf von 11 großen Gewerkschaftsverbänden. Finanztransaktionen, Bildungsstätten, Verkehr, Kohleförderung, Energieversorgung und verarbeitende Industrien waren stark behindert. Die Polizei attackierte Streikposten und DemonstrantInnen, v.a. in Dschammu, Kaschmir und Westbengalen. Sie nahm über 5.000 ArbeiterInnen fest.

In der Hauptstadt Delhi brachten streikende Taxi- und Rikschafahrer den Verkehr zum Erliegen. In Mumbai, dem größten Finanzplatz des Landes ruhte der Bankensektor. Die Waffenfabrik in Nagpur erlebte ihren ersten Streik seit vielen Jahren.

Die Trinamul-Kongressregierung der Provinz Westbengalen ergriff Notstandsmaßnahmen gegen den Streik, drohte den Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes mit Rentenabzügen und organisierte sogar Nachtschichten -  35% der ArbeiterInnen streikten dennoch. Der militanteste Teil der Streikbewegung befand sich in der südindischen Provinz Kerala.

Die Bewegung forderte u.a. einen gesetzlichen Mindestlohn von 10.000 Rupien (ungefähr 150 Euro). Gegenwärtig liegen die Bezüge je nach Provinz oder Industrie bei 5.500 bis 6.500 Rupien. Weitere Forderungen waren:

nationaler Absicherungsfonds für unorganisierte ArbeiterInnen;

keine Leiharbeit und Auslagerungen;

keine weiteren Privatisierungen;

Anhebung aller Löhne und Sozialleistungen auf ein einheitliches Niveau;

feste Verrentung für alle;

sofortige Anerkennung von Gewerkschaften.

Diese Grundforderungen sind heute so wichtig, weil die indische Arbeiterklasse Reallohnverluste auf Grund  gestiegener Lebensmittelpreise hinnehmen musste. Die Lebenshaltungskosten haben sich um rund 30% verteuert, die Inflationsrate beträgt 9%.

Prekäre Arbeitsverhältnisse sind für den expandierenden Industriesektor üblich. Mehr als zwei Drittel der Arbeiterklasse sind im informellen Sektor tätig. Einige Industriekonzerne beschäftigen mehr als doppelt so viel LeiharbeiterInnen wie Stammpersonal. Die Gewerkschaften fordern für das 50 Millionen ArbeiterInnen umfassende Prekariat dauerhafte Arbeitsplätze.

Das Problem wird durch den weitreichenden Missbrauch von JungarbeiterInnen verschärft, die einen 2-Jahresvertrag erhalten, aber auf Leiharbeitsniveau bezahlt werden - unter dem Vorwand, sie müssten erst ausgebildet werden. Viele von ihnen haben jedoch praktische Erfahrungen und zwei bis drei Jahre berufsbildende Schulen hinter sich.

Die Renten sind in Indien sehr niedrig. Bezugsberechtigt sind nur Stammbelegschaften und Staatsangestellte.

Mehrtägige Aktionen und ein eintägiger Generalstreik haben in den vergangenen Jahren stattgefunden, so im September 2010. Dies zeugt von wachsender Unruhe in der Arbeiterklasse, die die Gewerkschaften zum Handeln zwingt. Den linken Verbänden wie dem gesamtindischen Gewerkschaftsbund, der mit der indischen KP, und dem indischen Gewerkschaftaftszentrum, das mit der KP-Marxisten verbunden ist, haben sich der nationale indische Gewerkschaftskongress, der die regierende Kongresspartei unterstützt, und selbst die rechte Bharatija Masdur Sangh, die der nationalistischen Hindu-Partei BJP anhängt, angeschlossen.

Der Druck seitens der Arbeiterklasse auf ihre FührerInnen erhöht sich, zumal sich die Probleme mit steigenden Preisen und prekären Jobs verschärfen. Doch es ist auch klar, dass sich die Forderungen nur durch einen eintätigen Streik nicht durchsetzen lassen. Große Teile der Arbeiterklasse stehen noch abseits v.a. im privaten Sektor, aber auch im Öffentlichen Dienst, z.B. bei der Eisenbahn, dem nach Beschäftigtenzahl größten Betrieb Indiens.

Der nächste Schritt

Der Generalstreik ist ein wichtiger Schritt vorwärts im Kampf der indischen Arbeiterklasse. Um die Forderungen  durchzusetzen, müssen permanente lokale Aktionsausschüsse aufgebaut werden, die in den Betrieben verankert sind, aber ebenso Leih-, Heim- und LandarbeiterInnen einschließen müssen sowie die große Zahl von Scheinselbständigen und v.a. den Privatsektor.

Arbeiterzentren, die sich um die sozialen Belange der Arbeiterklasse kümmern, wie Wohnungen, Kindererziehung usw. zeigen nicht nur die brennende Notwendigkeit einer solchen breiten Arbeitereinheitsfront, sondern auch einen Weg, den informellen Sektor der Arbeiterklasse einzubeziehen, wo Analphabetismus und mangelnde Kenntnis über eigene Rechte noch verwurzelt sind.

Genauso notwendig für die Fortführung des Kampfes ist der Aufbau einer permanenten Führung. Zum einen müssten darin die FührerInnen der traditionellen Verbände vertreten sein. Aber weil sie Bürokraten sind, müssen RevolutionärInnen dafür streiten, dass lokale und regionale Basisabordnungen darin auch ihren Platz haben mit dem Mandat von lokalen Ausschüssen und Fabrikräten, die demokratisch gewählt und jederzeit abrufbar sind.

Ein unbefristeter Streik könnte die Regierung zum Nachgeben zwingen. Arbeiterzentren, Aktionskomitees und von der Basis geführte Fabrikausschüsse sollten darum kämpfen, den offiziellen Führungen das Heft des Handelns zu entwinden und für den Aufbau einer revolutionären Partei und einer Arbeiterregierung eintreten, die imstande ist, nicht nur ihre Forderungen umzusetzen, sondern auch Maßnahmen in Richtung Sozialismus ergreift.

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Nr. 168, April 2012
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