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Stuttgart 21

Nach dem Stresstest

David Müller / Hannes Hohn, Neue Internationale 162, September 2011

Die Ergebnisse des Stresstests für Stuttgart 21 liegen vor. Offiziell bestand der Sinn dieses Tests darin, festzustellen, ob das Projekt S21 Sinn macht oder nicht. Tatsächlich war anhand der Recherchen der S21-GegnerInnen anhand der Fakten schon völlig klar, dass S21 keine Verbesserungen bringt und v.a. der Bahn, den Baukonzernen, Immobilienmaklern und der dahinter stehenden Lobby Milliarden in schwarze und sonstige Kassen spülen soll.

Der wahre Grund für den Stresstest war, die Anti-S21-Bewegung zu demobilisieren. Dieses Kalkül von Bahn, Staat - und auch den Grünen in der Bewegung selbst - ist aufgegangen. Obwohl sich ein Teil der Bewegung in letzter Zeit radikalisiert hat, ist die Gesamtbewegung deutlich zurückgegangen.

So ist es nun keine Überraschung, dass der Stresstest des Unternehmens SMA, einem „alten“ Partner der Bahn AG, zu Gunsten von S21 ausfiel. Schon die Art und Weise, wie der Test durchgeführt wurde, machte offensichtlich, dass es sich dabei weder um eine unabhängige Studie, noch um eine fachlich seriöse Arbeit handelt. Daruf wies u.a. der OB von Tübingen, Palmer (Grüne), überzeugend hin.

Obwohl die Kritik am Ergebnis des Stresstests erneut erwiesen hat, dass S21 ein Projekt ist, das unnütz, teuer und risikovoll ist, geht das scheinheilige Test-Prozedere weiter. Die Bahn AG lehnt zwar einen neuen Stresstest mit Beteiligung der S21-Gegner ab, ist aber bereit, einige Details erneut zu prüfen.

Die Vertreter der Kritiker an S21bei den Schlichtungs-Runden haben nun angesichts der Farce dieser ganzen Veranstaltung ihre Beteiligung für beendet erklärt. Das verweist allerdings darauf, dass die Strategie der Grünen u.a. „gemäßigter“ Gegner von S21, sich überhaupt auf die Schlichtung einzulassen, komplett falsch war. Ihr Rückzug ist auch das offensichtliche Eingeständnis des Scheiterns der eigenen Politik!

Warum sind nur noch so wenige auf den Straßen?

Bereits seit der Landtagswahl Ende März kann man sagen, dass die Protestbewegung gegen Stuttgart 21 nur noch dahin dümpelt. Große Mobilisierungen, die Zehntausende auf die Straßen brachten, blieben seither aus.

Das liegt zum einen daran, dass die “großen” Provokationen ausgeblieben sind, wie es sie zum Beispiel gab, als die Schwarz-Gelbe Regierung unter Mappus mit massiver Gewalt gegen die DemonstrantInnen vorging. Lediglich durch die “Erstürmung” des Grundwassermanagements, die Ende Juni stattfand, konnten mehrere Tausend zu einer Massenaktion gebracht werden. Nach dem Abriss des Nordflügels am Hauptbahnhof im letzten Sommer gingen bei der kurz danach stattfindenden Demonstration ca. 70.000 auf die Straße.

Der weitaus schwerwiegendere Grund aber ist, dass seitens des K21-Bündnisses Mobilisierungen weitgehend ausblieben. Das Bündnis, dass sich v.a. auf das Kleinbürgertum fixiert und in dem die Grünen dominieren, ist nicht an einer weitergehenden Selbstorganisation, geschweige denn einer Ausweitung des Protestes interessiert! Selbst zu radikaleren Aktionen wie Besetzungen oder Streiks aufzurufen und sich mit denen zu solidarisieren, die einer massiven Repression und Hetzkampagne seitens der bürgerlichen Medien ausgesetzt sind, davon will man im K21-Bündnis nichts wissen. Dafür ist das Bündnis sofort an vorderster Front mit dabei, wenn es um die Distanzierung von “gewalttätigen” DemonstrantInnen geht.

Die Rolle der Grünen

Die Grünen, vor der Landtagswahl noch stärkste Kraft im K21-Bündnis, konzentrieren sich nun darauf, einen möglichst guten Eindruck beim Kapital als führende Partei in der Landesregierung zu hinterlassen. Die Grünen sind offiziell gegen S21, ihr Koalitionspartner SPD ist eher dafür. In einem sind sie sich aber einig: Sie distanzieren sich geschlossen von Aktionen, wenn diese den „Aktionskonsens“ der Bewegung überschreiten, der von bürgerlichen FührerInnen undemokratisch festgelegt wurde!

Dazu kommt noch, dass es keine demokratisch gewählte Führung der Protestbewegung gibt. Hier haben sich die Grünen an die Spitze gestellt und verteidigen ihren Führungsanspruch. Es ist dieser Führungsanspruch einer offen bürgerlichen Partei, die lieber schlichtet, als den Konflikt zugunsten der Protestierenden zuzuspitzen, die lieber laviert als mobilisiert und die Protestbewegung damit ruiniert.

Die Volksabstimmung

Nun setzen die selbsternannten Führer auf ein „neues Pferd“: die Volksabstimmung! Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Denn: Wer bestimmt über Formulierungen und Ablauf dieser Abstimmungen? Es ist der bürgerliche Staat und über ihn die DB, die Aktionäre und Immobilienspekulanten.

Schon allein die Tatsache, dass nicht die Stuttgarter Bevölkerung, die am besten über S21informiert ist, sich am meisten engagiert hat und am stärksten davon betroffen ist, nicht abstimmt, sondern das ganze Land, ist ein fragwürdiges Verfahren, das die S21- Befürworter bevorteilt. Es ist auch naiv zu glauben, man könne einfach durch „die besseren Argumente“ gegen die bürgerlichen Medien und eine vom Kapital breit angelegte Kampagne gewinnen.

Wie kann S21 noch gestoppt werden?

Mittlerweile hat sich eine seltsame Mischung aus Vertrauen in die Grünen als Regierungspartei und Demoralisierung in der Bewegung breit gemacht. Die momentane Bewegung wird den Bau von S21 oder Geisslers S21 Plus nicht aufhalten können.

Doch in ihr schlummert durchaus das Potential, S21 zu verhindern. 2010 haben wir riesige Mobilisierungen erlebt, die Schwarz-Gelb mächtig Druck machten. Doch genau hier liegt das Problem! Die kleinbürgerlichen FührerInnen der Bewegung, wollten uns weiß machen, dass „Druck“ allein genügen würde, um das „Gewissen“ der „Herrn da oben“ zu erweichen. Doch das ist ein Trugschluss!

Was die Bewegung braucht, sind erneute Massenproteste und groß angelegte Aktionen. Diese dürfen aber nicht am „Aktionskonsens“ halt machen. Die Bewegung darf sich nicht an dem Gejammer der Grünen aufhalten, die besorgt sind, weil das Grundwassermanagement demoliert wurde oder weil ein Bahnhofsteil besetzt wird.

Besetzungen und Streiks sind nötige Mittel, um aus dem Protest wirklich effektiven Widerstand zu machen. Dazu ist es aber unerlässlich, dass die Bewegung sich endlich demokratische und transparente Strukturen wählt, die in erster Linie Aktionen gegen S21 planen, darüber hinaus aber auch die politischen Perspektiven des Widerstandes offen diskutieren.

Die einzige reale Kraft, die in der Lage wäre, z.B. mit Streiks genug Druck zu entwickeln, um S21 zu stoppen, ist die Arbeiterklasse. Sie kann dem Protest gegen S21 neuen Schwung geben. Doch die ArebiterInnen werden momentan von der Gewerkschaftsbürokratie, der SPD und den FührerInnen der Bewegung nicht in den Protest einbezogen, sondern draußen gehalten.

Desahlb ist eine gemeinsame Koordinierung unabdingbar. Es ist wichtig, dass der Kampf gegen S21 mit anderen Kämpfen verbunden wird, wie den Bildungsprotesten oder Tarifkämpfen. Es ist genauso wichtig, auch Sozialproteste und die Anti-Atom-Bewegung miteinzubeziehen, denn S21 u.a. Schweinereien haben eine gemeinsame Ursache: den Kapitalismus!

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