Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Autozulieferer Mahle

Werk Alzenau soll geschlossen werden

Interview mit einem Betriebsrat, Neue Internationale 138, April 2009

Sich selbst stellt die Firma als einen der 30 größten Autozulieferer weltweit mit 110 Standorten und 48.000 MitarbeiterInnen dar. Doch das soll offensichtlich nicht so bleiben. Werkschließungen und Massenentlassungen stehen an. Ein Mitglied des Betriebsrates aus dem Werk Alzenau bei Aschaffenburg, der namentlich nicht genannt werden will, antwortet auf unsere Fragen.

Frage: Am Freitag, dem 27. März konnte man der Presse entnehmen, dass die Konzernleitung das Werk in Alzenau schließen will. Was bedeutet das? Wie viele Menschen sind betroffen?

Antwort: Wir sind noch 412 Beschäftigte von einst über 1.000. Wir stellen Kolben für PKW her. In der Region sind wir einer der großen Betriebe. Eine Schließung wäre nicht nur für die Betroffenen und ihre Familien verheerend, sondern auch für die Region. Andere Arbeit in der Metallindustrie zu finden, war schon früher hier schwierig. In der Krise ist es völlig unmöglich.

F: Ihr seid von den Absichten überrascht worden?

A: Dass unser Werk gefährdet ist, war allen klar. Mit entsprechenden Absichten sind wir seit Jahren konfrontiert. Ein Beschäftigungssicherungsvertrag für alle inländischen Werke sollte 450 Arbeitsplätze sichern. Wir wurden schon gezwungen, darunter zu gehen. Über einen Standortsicherungsvertrag hinaus haben wir eine Vereinbarung zu weiterem Personalabbau abgeschlossen. Die Leute wurden abgebaut, aber Gegenleistungen der Geschäftsführung blieben aus. Uns wird vorgerechnet, dass wir Verluste in zweistelliger Millionenhöhe machen würden, aber wir haben die zugesagten Aufträge nicht erhalten. Die Geschäftsführung hat gezielt Aufträge und Anlagen in die Werke in Spanien und Polen verlegt. Zugesagte Ersatzaufträge kamen nicht. So sollten wir flexibel Kleinserien fertigen. Die zugesagte zweite Fertigungszelle haben wir seit 2 Jahren nicht erhalten, ebenso wenig die Oberflächenanlage.

Allerdings sind wir schon davon überrascht worden, dass es jetzt so schnell ging und vor allem wie. Das war generalstabsmäßig geplant und muss den Kollegen in allen anderen Werken eine Warnung sein. Letzten Mittwoch wurde der Betriebsausschuss zur Sitzung des Wirtschaftsausschusses in die Zentrale nach Stuttgart eingeladen. Während also die Spitze des Betriebsrates dort das neue „Europa-Konzept“ für die Kolbenfertigung präsentiert bekam, das die Schließung vorsieht, wurde zugleich zuhause die Belegschaft zusammengetrommelt. Nur unter heftigem Protest bekamen die Kollegen des Betriebsausschusses ein Auto gestellt, um rechtzeitig zurückzukommen, da die Zentrale über 200 km entfernt ist.

Dann kam der Geschäftsführer Köhnen mit Begleitschutz in Form von Security um die Stilllegung zu verkünden. Ebenso geschützt verließ er das Werk auch wieder. Die schwarzen Sheriffs mit ihren Hunden blieben allerdings. Sie haben uns wie Verbrecher bei der Arbeit bewacht. In der Nacht zuvor hatten schon Betriebsfremde alle fertigen Teile ausgeräumt. Sie wollen das Werk offiziell erst zum 1. Januar 2010 schließen, die Produktion soll zum 30.6. 09 eingestellt werden. Aber anscheinend sollen schon jetzt alle heimgeschickt werden.

F: Wie war die Reaktion der Belegschaft? Ist die Angst des Herrn Köhnen vor Euch berechtigt?

A: Wir waren immer eine kämpferische Belegschaft. Zuletzt gab es vor zwei Jahren einen zweitägigen Streik gegen die Verlagerung einer Fertigungsreihe. Zur Aufsichtsratssitzung vor 4 Wochen sind wir mit 3 Bussen gefahren, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen, dass wir die zugesagten Maschinen und Aufträge haben wollen. Aber letzte Wochen waren die Leute erst mal völlig geschockt. Natürlich spielt die Krise eine Rolle. Die Stückzahlen sind zwischen 30 und 60% gesunken. Da hat es die Geschäftführung leicht, unsere Produkte woanders zu fertigen.

Wir werden aber nicht schweigend zuschauen, wie man uns abschlachtet. Wir haben die sofortige Entfernung der Securities gefordert und mit der IG Metall durchgesetzt. Wir werden auf einer Betriebsversammlung am Dienstag, dem 31. März, über weitere Maßnahmen diskutieren.

Ganz wichtig ist für uns die Solidarität aus anderen Betrieben. Was die anderen Mahle- Standorte angeht, sie sollten sich anschauen, wozu unsere Geschäftsführung fähig ist. Wir werden nur das Modell sein, andere werden folgen, wenn die Geschäftsführung damit durchkommt. Auch andere Standorte sind ganz klar im Visier dieser Herren, auch wenn sie uns gern als die „Unbelehrbaren“ hinstellen. Auch in England, Frankreich und Italien werden Werke geschlossen.

F: Welche Unterstützung habt ihr von der IG Metall erfahren?

A: Bisher war die Unterstützung seitens der Verwaltungsstelle und der Bezirksleitung ganz gut. Was uns weniger schmeckt, ist die Tatsache, dass der Aufsichtsrat, also auch die Vertreter der Belegschaften und der IG Metall schon seit 10. März Bescheid wussten.

F: Wir danken für die Informationen und wünschen Euch viel Erfolg in Eurem Kampf!

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 138, April 2009
*  Gegen NATO, Imperialismus und Kapitalismus: Für die sozialistische Revolution!
*  Bilanz 28. März: Wie weiter im Kampf gegen die Krise?
*  Arbeitermacht-Rede auf dem anti-kapitalistischen Block
*  London: Put people first
*  Wien: ... und jetzt zum Schulstreik!
*  Antikriegsbewegung: Antiimperialismus oder Pazifismus?
*  Pakistan: Regierung muss Massenbewegung nachgeben
*  Kurzarbeits-Regelung: Bittersüße Pille
*  VW Hannover: LeiharbeiterInnen kämpfen gegen ihre Entlassung
*  Autozulieferer Mahle: Werk Alzenau soll geschlossen werden ...
*  Prostitution: Kein Randphänomen
*  Wirtschaftskrise: Ein neuer “New Deal”?