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Kritik am Aufruf zum 28. März

Reformillusionen sind keine Alternative

Martin Suchanek, Neue Internationale 137, März 2009

Die Gruppe Arbeitermacht hat von Beginn an die Mobilisierung zur Demonstration am 28. März unterstützt und ruft zur Teilnahme auf. Gemeinsam mit der Jugendorganisation REVOLUTION werden wir uns in Berlin und Frankfurt/M. an den antikapitalistischen Blöcken beteiligen, um so den kämpferischen und antikapitalistischen Flügel der Bewegung deutlich sichtbar zu machen.

Das ist auch bitter nötig! Bei der Diskussion um den Aufruf zur Demonstration haben attac, Linkspartei, „linke“ Gewerkschaftsvertreter sowie bürgerliche Gruppierungen wie der den GRÜNEN nahestehende BUND am 8. Februar in Frankfurt/M. einen Aufruf durchgedrückt, der von RevolutionärInnen, ja allen kämpferischen und antikapitalistischen AktivistInnen und Organisationen untragbar ist. Warum?

Kniefall vor der Linkspartei

Erstens haben DIE LINKE, attac u.a. erfolgreich durchgesetzt, dass wichtige konkrete Forderungen wie die nach 10 Euro Mindestlohn, die nach der 30-Stunden-Woche oder nach der Anhebung der Hartz-Regelsätze auf 500 Euro aus dem ursprünglichen Entwurf gestrichen wurden.

Die Linkspartie ließ durch ihr Vorstandsmitglied und ver.di-Funktionär Michael Schlecht ausrichten, dass 10 Euro Mindestlohn und 500 Euro Regelsatz für seine Partei nicht „konsensfähig“ wären. Daraufhin knickte auch der Großteil der anderen Organisationen ein, da DIE LINKE ja unbedingt mit auf dem Aufruf stehen soll. Dafür muss man eben auch deren Erpressung hinnehmen. Fragt sich nur, wozu dann überhaupt noch Bündnistreffen notwendig sind, wenn im Endeffekt ohnedies alles von einer reformistischen Allianz der „Großorganisationen“ bestimmt wird?

Jetzt finden sich nur unverbindliche, verwaschene Formeln im Aufruf wie „armutsfester existenzsichernder Mindestlohn“. So bleibt es jedem überlassen, ob er darunter die 10 Euro versteht, die seit Jahren von den sozialen Bewegungen gefordert werden, oder die 8 Euro von Linkspartei und DGB oder gar die Ein-Euro-Jobs, die auch der Berliner SPD/LINKEN-Senat den Arbeitslosen aufdrückt.

Der Sinn solcher Manöver ist klar: Die Spitzen der reformistischen Organisationen wollen sich auf keine konkrete Forderungen festnageln lassen, die von ArbeiterInnen und Jugendlichen eingefordert werden könnte.

Doch damit nicht genug. Der Aufruf hat nach mehrmaliger Überarbeitung im Sinne obiger Kräfte insgesamt eine klar reformistische Stoßrichtung bekommen: Je lascher und diffuser die Forderungen, desto mehr reformpolitische Glaubenssätze und Nebelkerzen. So heißt es - nachdem auf die sozialen Auswirkungen der Krise, auf Not und Elend vom Millionen und Abermillionen hingewiesen wurde:

“Die Entfesselung des Kapitals und der erpresserische Druck der Finanzmärkte haben sich als zerstörerisch erwiesen. Ein anderes Weltwirtschaftssystem ist nötig. Eines, das Mensch und Natur dient; das auf den Prinzipien globaler Solidarität, ökologischer Nachhaltigkeit und demokratischer Kontrolle aufbaut. Dazu gehört, dass Bildung, Gesundheit, Alterssicherung, Kultur und Mobilität, Energie, Wasser und Infrastruktur nicht als Waren behandelt werden, sondern als gesellschaftliche Leistungen, die allen Menschen zur Verfügung stehen müssen.“

Nicht der Kapitalismus und sein Gesetzmäßigkeiten haben demzufolge zur Krise geführt, sondern die „Entfesselung“ des Kapitals und „der Druck der Finanzmärkte“. Ein „anderes Wirtschaftssystem“ bedeutet daher für die Aufrufer nicht ein sozialistisches, planwirtschaftliches System, sondern - regulierter Kapitalismus.

Daher werden auch alle Forderungen vermieden, die das Privateigentum an Produktionsmitteln einschränken. Im Aufruf finden sich ganze fünf Punkte mit „Sofortmaßnahmen“.

Für „umfangreiche Investitionsprogramme (...) in Bildung, Umwelt- und Klimaschutz, öffentliche Infrastruktur und Gesundheit”.

Diese Forderung ist so vage, dass sie auch von der Bundesregierung stammen könne. Auch Merkel und Steinbrück sind für „nachhaltige“ Investitionen in Infrastruktur und Bildung.

Ohne jede weitere Bestimmung kann diese Forderung, würde sie umgesetzt, nur heißen, dass staatliche Aufträge zur Stützung bestimmter Kapitalgruppen erteilt werden, die ihrerseits durch erhöhte Staatsverschuldung finanziert werden. Kurz, es ist ein Programm zur Stützung (von Teilen) des Kapitals!

Durch einen „sozialen Schutzschirm für Beschäftigte, Erwerbslose, RentnerInnen“, der aufgrund der Intervention von Linkspartei u.a. der meisten, konkret für die Mobilisierung einforderbaren, Forderungen entkleidet wurde.

„Die Profiteure (sollen) die Kosten der Krise bezahlen. Mit einer Sonderabgabe auf große Vermögen, und einer Millionärssteuer. Der Bankenrettungsfonds muss von den Banken finanziert werden.” Zweifellos eine der unterstützenswerten Teile des Textes. Bezeichnenderweise sollen nur die Banken zur Finanzierung der Kosten herangezogen werden - keine anderen Unternehmensgruppen!

Für “die demokratische Ausrichtung von Wirtschaft und Banken. Der private Bankensektor muss gesellschaftlich kontrolliert und am öffentlichen Interesse orientiert werden.”

Auch hier fällt der vage Charakter der “Forderung” auf. Klar ist eigentlich nur, was die Aufrufer nicht wollen: die entschädigungslose Enteignung der Banken. So sagen nicht, wer genau kontrollieren soll, sondern sprechen ganz im Ton der jetzt auch “kritisch” gewordenen und ständig nach “Kontrolle“ und „globaler Finanzarchitektur” rufenden Regierung von einer “demokratischen Ausrichtung” und vom “öffentlichem Interesse”, an dem sich der privater Bankensektor zu orientieren hätte.

Die „Krise (darf) nicht auf die Menschen des globalen Südens und die Natur abgewälzt werden”.

Die beiden letzten Punkte verdeutlichen noch einmal die ganze Schwäche des Aufrufs. Die „Sofortmaßnahmen“ sind in aller Regel überhaupt keine Vorschläge für Maßnahmen, sind keine konkreten Forderungen, sondern moralische Gebote oder allgemeine Zielsetzungen. Sie blieben vollkommen unverbindlich, weil der Aufruf fast gar keine konkreten Forderungen erhebt, die dem Staat oder den Unternehmern abgerungen werden sollen.

Oft handelt es sich wie bei der Ausrichtung des privaten Bankensektors am „öffentlichen Interesse“ einfach um kleinbürgerliche Flausen. Von den Kapitalisten wird hier gefordert, dass sich ihre Banken oder Unternehmen nicht gemäß ihren Profitinteressen und den Zwängen der Kapitalakkumulation, also wie Kapital, verhalten mögen.

Genauso gut könnte man von einem Stier fordern, Milch zu geben. Doch während jemand, der solche Forderungen an den Stier stellt, von den meisten Menschen als Idiot bezeichnet würde, glauben die Reformisten, besondern klug zu sein, wenn sie den Stier als Kuh behandeln.

Wer solcher Logik folgt, kann dann auch fast alles behaupten. So sollen die „Sofortmaßnahmen“ des Aufrufs nicht nur „den Opfern der Krise helfen“, sondern auch „gleichzeitig den ökologischen und demokratischen Umbau der Wirtschaft vorantreiben“.

Dabei bleibt völlig unklar, mit welchen Aktionen und Kampfmaßnahmen, durch welche Bündnisse usw. die Maßnahmen, Forderungen oder Zielvorstellungen gegen Kapital und Regierung durchgesetzt werden sollen.

Auch das ist kein Zufall, sondern hat Methode. Die UnterstützerInnen des Aufrufs gehen davon aus, dass es vor allem gilt, Forderungen und Ziele zu formulieren, die so vage sind, dass sie auch Teile der Unternehmerschaft und des „linken“ Bürgertums erreichen und im Grunde über das Parlament umgesetzt werden sollen. Daher fehlt z.B. die Eigentumsfrage und jede Orientierung auf die Arbeiterklasse als handelndes Subjekt. Es fehlt jede klassenkämpferische Perspektive. Vielmehr werden „Sofortmaßnahmen“ ausgedacht, die „allen Menschen“ unabhängig von ihrer Klassenposition als „vernünftig“ erscheinen sollen.

Da es aber keine über den Klassen stehende „reine Vernunft“ gibt, bleiben die Maßnahmen notwendigerweise bescheiden und dürr: staatliche Interventionen, die den Kapitalismus - und damit die Krisenursache - nicht bekämpfen, sondern retten, ja dessen „Umbau“ vorantreiben sollen.

Lehren

Einen solchen Aufruf lehnen wir entschieden ab! Auch wenn er einige Forderungen enthält, die auch wir teilen, so ist er in seine Gesamtheit keine Plattform zur gemeinsamen Aktion und Mobilisierung, sondern eine Sammlung reformistischer und kleinbürgerlicher Phrasen, die v.a. dazu dienen, der Bewegung die ideologischen Glaubensbekenntnisse von Linkspartei, attac oder linken Bürokraten aufzudrücken.

Für die Aktionen, Demonstrationen und Bündnisse über den 28.3. hinaus gilt es daher, einige politische Schlussfolgerungen zu ziehen:

a) Es ist notwendig, Bündnisse von revolutionären, antikapitalistischen, klassenkämpferischen Kräften mit den Reformisten zu schließen. Der Erfahrung mit deren bürokratischen Manövern und dem Durchsetzen ihrer reformistischen Programme als „Konsens“ darf nicht zur falschen Schlussfolgerung führen, sich auf die „radikale Linke“ zu beschränken oder Bündnisse „ohne Reformisten“ anzustreben. Gerade die linken Gewerkschafter, aber auch DIE LINKE stellen auch die Führung von Teilen der Arbeiterbewegung. Angesichts der kommenden Krise, die in den nächsten Monaten zur Schließung großer Betriebe, der Entlassung 100.000er ArbeiterInnen führen wird, müssen diese Führungen zur gemeinsamen Aktion aufgefordert, ermutigt oder gar gezwungen werden. Aber wir müssen dafür eintreten, dass sich Bündnisse auf gemeinsame Aktionen konzentrieren und um konkrete Forderungen geführt werden - nicht auf vage Versprechungen und Phrasen, wie es die Reformisten bevorzugen. Sollten sich die Reformisten trotzdem damit durchsetzen, so sollen und müssen die kämpferischeren Kräfte mit eigenen Aufrufen und Blöcken zur Aktion mobilisieren.

b) Es ist unbedingt notwendig, dass sich all jene Kräfte, die den Auswirkungen der Krise auf die Massen Widerstand leisten wollen, koordinieren. Erstens, um einen Gegenpol zu den Reformisten zu bilden. Zweitens aber auch, um sich über die Ziele und Perspektiven des Kampfes auf nationaler und internationaler Ebene zu verständigen. Das heißt sowohl internationale Aktionskonferenzen und Koordinierungen z.B. zum länderübergreifenden Kampf gegen Schließungen und gegenseitiges Ausspielen der Beschäftigten in der Autoindustrie. Es heißt auch, die Frage des Aufbaus einer politischen Partei und Internationale, die eine revolutionäre Alternative zu den Reformisten darstellt, zu diskutieren und in Angriff zu nehmen.

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Nr. 137, März 2009
*  Krise und Klassenkampf: Gegen Krise und Kapitalismus!
*  8. März: Wo bleibt die Frauenbewegung?
*  Autoindustrie: Das dicke Ende kommt noch
*  Programm: Wessen Verstaatlichung?
*  NPA in Frankreich: Ein Schritt vorwärts
*  Guadeloupe: Generalstreik gegen koloniale Ausbeutung
*  Kritik am Aufruf zum 28.März: Reformillusionen sind keine Alternative
*  Überfälle auf AntifaschistInnen: Kein Vertrauen in den Staat!
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