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München, 22. Oktober 2016

Brutaler Polizeiangriff auf Demonstration gegen das Ausgrenzungsgesetz der CSU-Staatsregierung

Helga Müller, Infomail 911, Oktober 2016

Mehrere Tausend GewerkschafterInnen – vor allem aus ver.di und GEW, aber auch die IG-Metall Jugend –, politisch Organisierte aus SPD, Die Linke, Die Grünen/Bündnis 90, linke, antirassistische Organisationen und Bündnisse, verschiedene migrantische Organisationen und darunter auch ca. 100 Refugees, die sich am 8. Oktober auf den Marsch nach Nürnberg zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gemacht hatten, demonstrierten am Samstag, dem 22.10., gemeinsam und solidarisch gegen den Entwurf des sog. Integrationsgesetzes der CSU. Das breite Bündnis, bestehend aus 60 Organisationen, das sich kurz nach Bekanntwerden des CSU-Vorhabens gegründet hatte, nennt dieses Gesetz zu Recht ein Ausgrenzungsgesetz. (Wir haben schon öfter über den Inhalt dieses Gesetzes in unseren Publikationen berichtet).

Von Anfang an waren die schwarz vermummten Sondereinheiten der Polizei (Unterstützungskommando Bayern, USK) auf Eskalation und Provokation eingestellt: Ein aggressives und unverhältnismäßiges Eingreifen von Seiten der Polizei begann bereits vor dem offiziellen Beginn der Demo um 12 Uhr am DGB-Haus. Refugees, die nach einem 14-tägigen Marsch nach Nürnberg vom Hauptbahnhof zum Ort der Demo liefen, um auf ihre Forderungen nach Bleiberecht, Recht auf Arbeit und Ausbildung aufmerksam zu machen, wurden ohne ersichtlichen Grund von den USK-Einheiten eingekesselt, um ihre Personalien festzustellen – angeblich, weil sie im Zug randaliert hätten. Nach einer dreiviertel Stunde konnten sie schließlich zum Kundgebungsort vor dem DGB-Haus gehen und worden dort mit großem Applaus empfangen. Vor dem DGB-Haus gab es mehrere Redebeiträge u. a. vom antikapitalistischen Block, der sich zum einen gegründet hatte, um eine Antwort auf die soziale Frage zu geben als eine der Ursachen für die Zunahme von Rassismus und Ressentiments gegen Flüchtlinge auch in der ArbeiterInnenklasse, und sich dafür einzusetzen, dass der Widerstand gegen dieses Gesetz auch auf die Straße und in die Betriebe getragen wird.

Nachdem die DemonstrantInnen losgezogen waren mit einem breiten Spektrum von verschiedenen Gruppen bis hin zum antikapitalistischen Block, kam es am SPD-Büro zu einem erneuten Eklat mit der Polizei und dem USK. Nachdem zu Beginn der Demo die Seitentransparente – auch in verknoteter Form – zugelassen waren, wurden sie auf einmal zu einem Problem. Ob nun die Rauchbomben und Farbbeutel vor dem Polizeiangriff vom antikapitalistischen Block ausgingen, sei dahingestellt. Sicher ist, dass die Polizei nur auf einen Vorwand gewartet hat, um gegen die Demonstration als Ganzes brutal vorzugehen und Verhaftungen vorzunehmen. Demonstranten wurden beiseite geschubst, zusammengeschoben, getreten, mit dem Ellenbogen wurde gegen die Kehle gedrückt, so dass sie kaum noch Luft bekamen. Bei dem Einsatz, der wiederum auch in „neutralen“ Zeugenberichten, die mit dem antikapitalistischen Block gar nichts zu tun haben, als vollkommen unverhältnismäßig und brutal eingeschätzt wurde, wurden teilweise auch DemonstrantInnen, die sich nicht im Block befanden, mit Pfefferspray angriffen und verprügelt. Leider kam es hier zur Verhaftung eines Geflüchteten, der den Demonstranten solidarisch zur Hilfe eilte, um den Polizeieinsatz auf die Demo zu verhindern.

Am Schluss kam es auf der Abschlusskundgebung am Odeonsplatz, auf der auch die Refugees sprachen – die hier nochmal ihren entrechteten Status mit ständigen polizeilichen Übergriffen und Schikanen zum Thema machten und die Gewerkschaften zur aktiven Unterstützung Ihrer Forderungen aufriefen – zu einem weiteren brutalen Polizeieinsatz und weiteren Verhaftungen. Insgesamt sind auf der Seite der Demonstranten 50 - 60 Verletzungen dokumentiert und es kam zu mindestens 11 Festnahmen mit abstrusen Vorwürfen wegen angeblichen Diebstahls eines Pfeffersprays, das ein Polizist verloren hatte, wie sich später herausstellte, wegen Zünden eines Bengalofeuers, die es gar nicht gab, und Schmeißens von Farbbeuteln seitens DemonstrantInnen sowie üblichen Vorwürfen wie Widerstand gegen die Polizei, Landfriedensbruch etc.

Die Strategie der Polizei bestand darin, die Demo in der Öffentlichkeit zu kriminalisieren und zu denunzieren. In einer bekannten Boulevard-Zeitung stand am Montag in großen Lettern zu lesen: „Schwarzer Block greift Polizisten an!“ Ein Vorgriff auf das, was uns in Bayern erwartet, wenn das Integrationsgesetz – mit seiner Vorgabe für alle in Bayern lebenden Menschen, sich auf eine nicht weiter definierte Leitkultur zu verpflichten – durch ist. Aber Ziel war es auch, innerhalb der DemonstrantInnen einen Keil zu treiben, sie in friedliche Demonstranten und Chaoten aus dem antikapitalistischen Block aufzuspalten, die das Angreifen der Polizei erst ermöglicht hätten.

Dieses Vorgehen zeigt auch, wie gereizt und nervös die CSU-Staatsregierung auf einen in die Öffentlichkeit getragenen Widerstand gegen ihre rassistische Politik und Angriffe auf elementare demokratische Rechte reagiert. Am liebsten hätte sie es so gehabt – wie analog es mit dem Bundesintegrationsgesetz geschehen ist –, dass dieses ohne jegliche öffentliche Auseinandersetzung und Widerstand durch den Landtag geht.

Wenn die Demonstration auch nicht sehr groß war, war sie ein voller Erfolg,

weil sie die Auseinandersetzung mit dem Inhalt dieses Gesetzes in die Öffentlichkeit getragen hat,

weil KollegInnen aus Betrieben demonstriert haben,

weil sich SchülerInnen und StudentInnen beteiligt haben,

weil sich über München hinaus DemonstrantInnen angeschlossen haben,

weil sich zum Schluss auch noch KollegInnen aus der IG Metall, die sich anfangs nicht mit diesem Gesetz auseinandergesetzt hatten, angeschlossen haben,

weil sich auch die SPD, die das Bundesintegrationsgesetz mitbeschlossen hat, dagegen positionieren musste,

weil diverse Bündnisse und politische Organisationen von MigrantInnen mitdemonstriert haben,

und vor allem weil sich der Demonstration auch eine kämpferische Gruppe von Refugees angeschlossen hat. Damit hat die Demo selbst auch einen Beitrag zur Überwindung der Spaltung zwischen Geflüchteten und bereits in Bayern lebenden Menschen, die ja (nicht nur) die CSU will, geleistet.

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Nr. 213, Oktober 2016

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