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Globalisierung

Eine neue Form des Kapitalismus?

Hat die Globalisierung das Profitsystem grundlegend verändert, oder ist sie lediglich eine Variante des Imperialismus, wie er im 20. Jahrhundert existierte? Vor 150 Jahren sah der Kapitalismus völlig anders aus als heute. Nur eine Handvoll Länder in Nordwesteuropa und Nordamerika waren damals kapitalistisch - während sich die übrigen noch mit den unterschiedlichsten vorkapitalistischen, auf Landwirtschaft beruhenden Gesellschaften abmühten.

Die Manufaktur war die vorherrschende Form kapitalistischer Aktivität; sie fand noch in kleinem Maßstab statt und war für gewöhnlich in Familienbesitz. Die Banken waren nur insoweit an den industriellen Firmen beteiligt, als sie kleinere Kredite verliehen, um die laufenden Ausgaben zu decken, bis die Warenbestände verkauft waren. Der Handel war die Haupt- oder gar ausschließliche Form, die die Wirtschaft international verband. Es gab zwar Kolonien, doch es waren ihre Märkte, und nicht ihre Potenziale, selbst Güter zu produzieren, die in erster Linie ausgebeutet wurden.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, hatte sich der Kapitalismus komplett verändert. In den 50 Jahren vor 1914 breitete er sich unbarmherzig aus und zog alle Nationen in das Geflecht der Märkte hinein. Die typische Form der führenden Firmen waren das Monopol, das Kartell und der Trust - mit nur wenigen Firmen, die den jeweiligen Markt beherrschten. Das gab ihnen die Macht, die Preise festzusetzen, die Zulieferer und den Zugang zu den Märkten zu kontrollieren. Sie waren in der Lage, Innovationen zu verhindern, wenn diese ihre Dominanz gefährdeten. Das war eine qualitative Wende hin zu einer neuen Art des Kapitalismus. Die Welt wurde effektiv unter einer Handvoll mächtiger, kapitalistischer Nationen aufgeteilt, deren große Firmen den heimischen Markt bereits gesättigt hatten und die jetzt fremde Märkte und Rohstoffquellen erobern mussten. Investitionen ersetzten den Handel als die Hauptform internationaler Beziehungen in der Weltwirtschaft - auch wenn sich der Handel im Fahrwasser der Investitionen noch verstärkte. Die frühere Beziehung zwischen Produktion und Finanzwelt wurde umgekehrt. Die Banken hielten sich nicht mehr von der Industrie fern. Sie wurden zur Hauptquelle für Kredite und Investitionen. In vielen Ländern kam es zu einer 'Fusion' zwischen Industrie und Banken. Die Banken suchten jetzt als Besitzer und Anteilseigner nach Macht und Einfluss, um ihr investiertes Kapital zu schützen. In der Beziehung Finanzmacht zu Produktion dominierte jetzt erstere.

Diese neuen, monopolistischen Firmen brauchten jetzt einen ebenso "modernen" Staat - d.h. einen Staat, der in der Lage ist, eine militärische und diplomatische Maschine aufzubauen, mit dem Zweck, ihre Besitztümer im Ausland gegen die Ansprüche ausländischer Konkurrenz und gegen nationale Befreiungsbewegungen zu verteidigen. MarxistInnen nannten dieses System Imperialismus. In das System des Imperialismus sind Konflikte von vornherein eingebaut; Kriege und Revolutionen waren das unausweichliche Resultat dieser neuen Form der Ausbeutung und Unterdrückung.

Im Verlauf des letzten Jahrhunderts blieb die Welt nicht stehen. Manche Länder stiegen in die Riege der herrschenden Mächte auf, andere stürzten ab; einige kleinere Länder, die ganz nach oben wollten, schafften es nicht. Manche Länder, die noch vor 50 Jahren völlig arm und überwiegend agrarisch geprägt waren, sind heute hoch industrialisierte Nationen.

Industrien, die am Anfang des letzten Jahrhunderts zentral waren, fielen zur Mitte des Jahrhunderts in die zweite Reihe zurück und andere wiederum, die bis in die 1950er Jahre nicht groß in Erscheinung getreten waren, dominieren heute in der Profit- und Umsatzrangliste. In den letzten 15 Jahren wurden wir Zeugen der Vollendung in der Entwicklung des imperialistischen Systems, dessen Grundlagen vor 100 Jahren gelegt wurden.

Doch das Wesen des kapitalistischen Systems bleibt dieselbe wie zuvor: Einige hundert Unternehmen und eine Handvoll Länder monopolisieren die Finanzmärkte und Produktionsmittel der Welt und unterwerfen das Leben von Milliarden ihrer Herrschaft mit wiederkehrenden Kriegen, ethnischen Konflikten, wachsender Ungleichheit und der Zerstörung der Umwelt. Die zunehmenden Transaktionen spekulativen Kapitals destabilisieren die Welt wie nie zuvor. Die Globalisierung hat den Imperialismus als Entwicklungsstadium des Kapitalismus nicht ersetzt.

Während die These, dass die Globalisierung eine völlig neue Ära einleitet, zurecht den höheren Grad der Integration in die Weltwirtschaft hervorhebt, schweigt sie höflich dazu, wie diese Integration geschieht. Zum Beispiel verheimlicht sie die Tatsache, dass die Integration zutiefst ungleich ist: eine Handvoll reicher Länder im Norden, die das Gros von Kapital und Handel monopolisiert, was die Zusammenhänge von Ausbeutung, Ungleichheit und Unterdrückung zwischen den G8 und der OECD auf der einen und den restlichen 200 Nationen auf der anderen Seite ständig reproduziert.

Technologie und Globalisierung

Neue Innovationen haben Entfernung und Zeit zu einem schwächeren Hindernis für Ansiedlung und Bewegung von Kapital gemacht.

So liegt beispielsweise der wachsenden Integration der Weltwirtschaft ein Sinken der Transport- und Kommunikationskosten zugrunde. Zwischen 1930 und 1990 fielen die Einnahmen für Luftfracht von 68 auf 11 US-Cent pro Meile (gemessen am Wert des Dollars 1990). Die Kosten eines dreiminütigen Telefongesprächs von New York nach London fielen von 244,65$ auf 3,32$. Zwischen 1960 und 1990 fielen die Kosten einer PC-Speichereinheit um 99%.

Technologie und Deregulierung verbinden sind miteinander in ihrer Wirkung. Die Kosten für eine Einheit Schiffsfracht fielen beispielsweise von Anfang der 1980er Jahre bis 1996 - aufgrund technologischer Neuerungen und eines gestiegenen Konkurrenzkampfes - um 70%.

Doch dieselben technologischen Neuerungen, welche die Flugpreise senken und Zugang zum Internet geben, ermöglichen uns auch einen besser koordinierten Widerstand: Die internationalen Proteste gegen die Gipfel am Anfang des 21. Jahrhunderts sind ein neues Phänomen, das ohne diese Technologien nicht möglich wäre.

Sie verschleiert die Tatsache, dass die stärkere Durchlässigkeit nationaler Grenzen zu einer stärkeren Regionalisierung der Welt und nicht zu einer Globalisierung im eigentlichen Sinn führt, sondern zum Entstehen einer grenzüberschreitenden Industrie in den drei großen Hauptarenen: der NAFTA, der EU und Südostasien. Globalisierung verkörpert also die Verstärkung von bestimmten Aspekten des modernen Imperialismus und nicht eine gänzlich neue Struktur des Kapitalismus.

Doch die Veränderungen in der Form des imperialistischen Systems sind wichtig, weil sie bestimmte Auswirkungen auf die Natur seiner Krisen haben und ebenso darauf, wie sich der Widerstand dagegen formiert.

In diesem Sinn können wir die wesentlichen Aspekte der Globalisierung folgendermaßen zusammenfassen:

• Die Macht der USA hat sichergestellt, dass Handelsbarrieren abgebaut wurden und die Geschwindigkeit und das Ausmaß von Auslandsinvestitionen und des internationalen Handels beschleunigt wurden.

• Veränderungen in der internationalen Finanzstruktur, die eine weitere Internationalisierung der Wirtschaft beförderten, haben zugleich die Stabilität der kapitalistischen Ökonomie untergraben und die Bedeutung von Schulden und Spekulationen in der Mechanik des Kapitalismus erhöht.

• Veränderungen bei den vorherrschenden Geschäftsführungsmodellen, die von vielen führenden multinationalen Unternehmen angewandt werden und die zur Verlagerung von Produktionsprozessen in weniger entwickelte Länder führten.

 

Internationaler Handel

In den letzten zehn Jahren haben wir eine Explosion im Handel erlebt. Während der 1990er Jahre wuchsen in jedem Jahr die Exporte weltweit drei Mal so stark wie die Industrieproduktion. Mit 6% verdoppelte sich das jährliche Exportwachstum gegenüber den Jahren 1973-1990. Während der Jahrzehnte des Nachkriegsbooms hatte es zwar eine Expansion des Handels von rund 9% gegeben, doch das lag nur um 2% über der Expansion des Industrieoutputs. In diesem Sinn kommt - relativ gesehen - heute ein größerer Teil der Produktion als jemals zuvor auf den Weltmarkt.

Das Verhältnis der Exporte zur Industrieproduktion ist im Lauf des Jahrhunderts stetig angestiegen und erreichte in den letzten 25 Jahren Zahlen wie in den Jahren des Nachkriegsbooms von 1950-1970. Das Verhältnis der Exporte zum globalen Output betrug 1913 9%, 1950 7%, 1973 11%, Anfang der 1990er Jahre 14% und letztes Jahr über 20%. Mehr als irgendein anderer Faktor trug das Lobbying der US-amerikanischen Unternehmen zu dieser Entwicklung bei. Seit Mitte der 1980er Jahre führten die Multinationalen Konzerne (MNK) einen wilden Angriff auf die Handelsbarrieren, die sie vom Rest der Welt trennten. Als Ergebnis der multilateralen Handelsvereinbarungen der Uruguay-Runde wurden die durchschnittlichen Zölle auf Importe von Fertigprodukten in fortgeschrittene Volkswirtschaften 2001 auf 4% gesenkt.

Von den Ländern der Dritten Welt verhängte Importsteuern fielen seit 1987 von durchschnittlich 34% auf den heutigen Stand von 14%. Zwischen 1970 und 1997 sprang die Zahl von Ländern, die ihre Importkontrollen von Waren und Dienstleistungen abschafften, von 35 auf 137.

Allein die USA konnten im Verlauf der letzten 90 Jahre den Anteil der Waren und Dienstleistungen, die sie exportieren, verdoppeln; ein Trend, der sich vor allem in den letzten 20 Jahren beschleunigt hat. Doch alle Multinationalen Konzerne sind mehr und mehr auf den Welthandel angewiesen, um ihre Profite zu steigern, und auf die 'economies of scale', die Produktion in immer größerer Größenordnung, um den Vorsprung vor der Konkurrenz zu halten.

In der Dritten Welt herrscht jedoch eine andere Wirklichkeit. Was das Ausmaß der 'Integration' der Ersten mit der Dritten Welt durch den Handel betrifft, so gab es dabei seit den 1960er Jahren einen drastischen Niedergang. Während der Anteil dieser Handelsbeziehung damals 46% des Welthandels ausgemacht hat, lag er 1990 nur mehr bei 27%. Zusätzlich veränderte sich die Natur des Handels, als die Zollmauern abgerissen wurden. Der wachsende Welthandel hat den Bilanzen der multinationalen Konzerne Auftrieb verliehen, doch die Auswirkungen für die Länder des "Südens", deren Handelsregimes liberalisiert wurden, waren im Allgemeinen verheerend.

Die Preise der Waren, von denen ihre Exporte abhängen, sind in den 1990er Jahren extrem verfallen, was die Zahlungsbilanzkrisen verschärfte. Mit der heimischen Industrie und Beschäftigung ging es bergab. Öffentliche Hilfszahlungen wurden mit der Begründung gekürzt, dass der anwachsende Handel dem sinkenden Nationaleinkommen entgegenwirken würde. Doch dem war nicht so.

 

Auslandsinvestitionen

Gemessen an seinem Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist Japan heute der weltweit führende Exporteur von Kapital. Aber es exportiert weit weniger als jene 5% vom BIP, die Britannien als Auslandsinvestitionen zwischen 1870 und 1913 tätigte. Doch hier ist weniger das Verhältnis der Auslandinvestitionen zum BIP entscheidend, als vielmehr das Verhältnis der Auslandsinvestitionen zu den heimischen Investitionen und zu den Warenexporten.

1996 wurde die Summe aller weltweiten Auslandsdirektinvestitionen (ADI) mit 3.200 Milliarden US-Dollar bewertet. Zwischen 1986 und 1996 wuchsen die ADI doppelt so schnell an wie die Gesamtinvestitionen. Sie wuchsen zwischen 1991 und 1996 um 12% jährlich an, während die weltweiten Exporte nur um 7% stiegen. Das beweist, dass der Antrieb für die Expansion der internationalen Wirtschaft immer noch, so wie vor 100 Jahren, der Kapitalexport ist. Allerdings ist heute die Form der Investitionen anders als damals. Britanniens überschüssiges akkumuliertes Kapital, dass sowohl aus dem Inland als auch aus seinem riesigen Empire herausgesogen worden war, war zum überwiegenden Teil in Form von Schuldscheinen als Darlehenskapital an ausländische Regierungen verliehen worden. Dasselbe galt auch für die anderen "Großmächte".

Heute sind Aktien (Teilbesitz von Unternehmen) gleich wichtig wie Anleihen, doch Auslandsdirektinvestitionen in Werke und Investitionsgüter sind um ein vielfaches bedeutender als beide zusammen. Vor 1914 gingen die meisten ADI in Eisenbahnen oder Bergbau. Heute erstrecken sie sich durch alle Bereiche der Produktion und in wachsendem Maße auch in Dienstleistungen.

Beschränkungen für die Investitionsflüsse wurden während der 1990er Jahre nahezu überall abgebaut. Zwischen 1991 und 1997 gab es weltweit 570 Liberalisierungsmaßnahmen bei Bestimmungen, die Auslandsdirektinvestitionen regeln. Rund 1330 zwischenstaatliche Verträge für Investitionen, die 162 Länder betreffen, gibt es mittlerweile - ein Anstieg um das Dreifache innerhalb eines halben Jahrzehnts.

Natürlich sind Richtung und Ausmaß der Investitionen unter der Kontrolle der reichsten Nationen und der größten Unternehmen. Der Zugang zu den Kapitalmärkten für künftige Investitionen wird ebenso von jenen kontrolliert, die bereits die Märkte beherrschen.

Die Beseitigung von Investitionsbeschränkungen führte in den 1990er Jahren zu einer einschneidenden Veränderung der Gründe, warum Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern. Der Trend, eine Reihe von regionalen oder lokalen Werken zu bauen, um die jeweiligen Märkte zu beliefern, war eine Chance für viele multinationale Konzerne, die hohen Zölle, die Länder auf Importe von Fertigprodukten verhängten, zu umgehen. Zum Beispiel waren viele japanische Investitionen in den USA und in der Europäischen Union eine Antwort auf die Schutzmaßnahmen gegenüber seinen Exporten. Das gleiche gilt für viele Investitionen in der Dritten Welt - in der Auto- und Lastwagenproduktion beispielsweise.

Zusätzlich ermutigte die Furcht vor Schwankungen der realen Wechselkurse in den 1970er und 1980er Jahren die Ausweitung der grenzüberschreitenden Produktionskapazitäten. Doch in den 1990er Jahren banden viele Länder in Asien und Lateinamerika ihre Währung an den Dollar. In Europa hat der Euro für jene, die innerhalb der Eurozone leben, die Schwankungen der Wechselkurse eliminiert.

Eigentum von Kapital in den 1990ern

In den 1990ern wurde das US-amerikanische Modell des Unternehmenseigen-tums auch in jenen Ländern immer mehr zur Regel, die bislang andere Modelle hatten, wie etwa Deutschland oder Japan. In den USA stehen die Geschäfts-führungen und Vorstände unter einem viel größeren Druck der großen institutionellen Anteilseigner (z.b. Pensionsfonds), die Aktienkurse und die Jahresdivi-denden zu erhöhen.

Das hat mehrere Konsequenzen. Es kommt immer mehr darauf an, Geld zu machen und nicht Produkte. Das heißt, die Finanzen bestimmen alles, nicht die Produktlinie. Das wiederum erzwingt Veränderungen bei den Arbeitsverhältnis-sen, die Stammbelegschaften etwa wurden drastisch reduziert, während die ungesicherten Arbeitsverhältnisse angewachsen sind. Diese Entwicklung wurde in den USA vorangetrieben, weil sie es Unternehmen ermöglicht, schnell und flexibel Kosten zu senken. Zugleich ist sie typisch für die globalisierten Unternehmen, da diese es sich leisten können, sich um so weniger um die Loyalität der Arbeiter-schaft zu kümmern, je weniger ihre Verkäufe und Profite vom heimischen Markt und der heimischen Arbeitskraft abhängen.

Wichtiger ist aber, dass als Ergebnis des immensen Drucks der USA und der EU auf den Abbau von Beschränkungen für den Im- und Export ihrer Produkte in den 1990er Jahren der Durchschnittszoll für Importe bei 7% lag; das ist weniger als ein Fünftel von dem, was er in der 1950er Jahren betrug. Dies bedeutete, dass es keinen Grund mehr gab, in allen Märkten Werke zu bauen, da sie von Übersee aus beliefert werden können. Australien importierte beispielsweise 1987, als die Importzölle noch 57% betrugen gerade 15% der Autos, die es verkaufte. Jetzt betragen die Zölle 22% und mehr als die Hälfte der verkauften Autos sind Importe. Als eine Folge davon konnte Nissan die Autoproduktion in Australien abschaffen.

Eine Konsequenz der Handelsliberalisierung in den 1980ern und 1990ern war, dass das Augenmerk bei den Entscheidungen für die Investitionen der Unternehmen wieder einmal auf die Arbeitslöhne gelenkt wurde - das ist der Grund, warum die Werke des Elektroniksektors von Hongkong nach Taiwan und Korea und jetzt nach Indonesien und China abwanderten. Allgemeiner Trend ist es, mit Blick auf bestimmte Weltregionen Werke zur langfristigen Entwicklung von Produkten in Industriestaaten aufzubauen und dazu eine Kette von niedrig entlohnten Produktionstätigkeiten zu haben, die ziemlich flexibel je nach Bedarf rund um die Welt verlegt werden können.

Die meisten Hightechinvestitionen, die für die Entwicklung der Produkte wichtig und daher der Schlüssel sind, das Monopol des imperialistischen Clubs bei hochwertigen Arbeitsprozessen und -produkten aufrechtzuerhalten, bleiben weiterhin fest in der Hand des "Nordens". Das ist der Grund, warum sich 1995 75% des Mehrwerts aus Produktion der Welt auf zwei Dutzend OECD-Länder verteilte, was es ihnen ermöglichte, die Schere in der Entwicklung gegenüber dem "Süden" aufrecht zu erhalten und sogar weiter zu öffnen.

Zwei Drittel aller Auslandsdirektinvestitionen gingen in den 1990er Jahren in Länder der OECD - ausgehend von vier Fünftel in den 1980er Jahren. Doch in den 1960er Jahren ging noch die Hälfte aller ADI in die Dritte Welt. Diese erneute kleine Hinwendung zu den sogenannten unterentwickelten Ländern, die im Lauf der 1980er und 1990er Jahre stattfand, resultierte daraus, dass Multi-Nationale Konzerne aus OECD-Ländern "konzernintern" in hoch arbeitsintensive Fertigungsstätten investierten, die diesen Konzernen gehörten oder für sie Vertragsarbeit leisteten. Viel Kapital strömte auch in spekulative Bauprojekte.

Die Investitionen in die Dritte Welt waren in den 1990er Jahren sehr ungleich verteilt. China erhielt allein 20% der ADI in die Dritte Welt und die zehn größten Empfänger erhielten den Mammutanteil von 88%. Wie wenig diese Investitionsströme zu einer abgerundeten Entwicklung beitrugen, konnte man sehen, als es 1997 zur Finanzkrise in Asien kam. Der überwiegend kurzfristige Charakter dieser Investitionen wurde auf dramatische Weise illustriert, als das Spekulationskapital aus den krisengeschüttelten Finanzmärkten und Banken in die sicheren Häfen der USA und Europas floh. Dort konnte es fortfahren, einen überhitzten Boom anzutreiben, während die Massen in Asien an Arbeitslosigkeit litten und ihre Ersparnisse verloren.

Das Strickmuster der Investitionsflüsse hat die Globalisierung die Form einer Regionalisierung der Welt annehmen lassen. Die meisten Auslandsdirektinvestitionen fließen jeweils innerhalb der NAFTA, der EU oder Ostasiens und weniger zwischen diesen einzelnen Blöcken.

 

Finanzkapital

Imperialismus bedeutet Herrschaft des Finanzkapitals. Diese Tatsache wird durch die Macht der Finanzmanager innerhalb moderner Unternehmen verdeutlicht: das Hauptanliegen dieser Erbsenzähler ist es, die Aktienkurse hochzutreiben und Profit zu machen - sie beschäftigen sich aber nicht mit dem eigentlichen Geschäft. Der oberste Boss von Corus sagte es so, als er die Schließung des Stahlwerks von Newport in Südwales bekannt gab: "Wir machen keinen Stahl, wir machen Geld".

Die Führungsrolle des Finanzkapitals im Imperialismus ist nichts Neues. Sie rührt von der einfachen Tatsache her, dass im 20. Jahrhundert nur Banken als Quelle für solch große Mengen an Kapital dienen konnten, die nötig waren für die langfristigen, fixen Investitionen, die von den neuen riesigen Unternehmensgiganten getätigt wurden.

Der österreichische marxistische Ökonom Rudolf Hilferding erkannte 1908 diese Führungsrolle als die entscheidende Eigenschaft des "Finanzkapitals", als er die Tendenz der Banken beschrieb, Kredite in Eigentum an Firmen, an die sie verliehen hatten, umzuwandeln, um damit den Wert ihrer Anteile zu sichern.

Doch das Finanzkapital hat seine Position noch mehr gefestigt und ist heute allgegenwärtiger als jemals zuvor. In der Tat ist die Fusion zwischen Finanzkapital und Industrie heute noch ausgereifter als vor 100 Jahren. Die Hegemonie des Finanzkapitals kann im Trend der 1980er Jahre erkannt werden, die Schulden der Unternehmen aus der Dritten Welt in Anteile in der Hand der Kreditgeber umzuwandeln.

Während der letzten zwanzig Jahre haben große industrielle multinationale Konzerne ihr überschüssiges Geld dazu verwendet, sich in Bankaktivitäten einzumischen, Aktien auszugeben und sich über Fonds in Spekulationen zu engagieren - der amerikanische Gigant General Electric ist das bekannteste Beispiel.

Auf der anderen Seite konnten die Finanziers ihre Anteile an einzelnen Unternehmen in riesigen Fonds konzentrieren, die selbst großen Aktiengesellschaften Änderungen in ihrer Geschäftsstrategie diktieren. Während bei Jahreshauptversammlungen der Unternehmen oftmals eine Ansammlung von Rentnern, Besserwissern und Aktionären aus dem Kleinbürgertum auftaucht, findet der wirkliche Dialog zwischen den Unternehmensvorständen und den großen Versicherungen statt.

Der jüngste Aufschwung der Macht und der Dominanz des Finanzkapitals liegt in der Deregulierungswelle begründet, die den Finanzsektor in den 1970er Jahren erfasste. Dadurch verschwanden viele Barrieren, die die Banken davon abgehalten hatten, mit ihrem Kapital alles zu tun, was sie wollten.

Seitens der großen Unternehmen führte eine wachsende Verunsicherung nach dem Ende des langen Booms dazu, dass viele versuchten, den Wert ihrer langfristigen, fixen Anlagen vor den Launen des Wirtschaftszyklus und einer tiefen Rezession mittels einer Reihe neuer Finanzinstrumente (z.b. Optionen, Futures und Derivate) durch Risikostreuung zu schützen. Es war also die Suche nach Stabilität und Sicherheit des industriellen Kapitals, welche zu einem Anwachsen der Finanzoperationen führte. Diese sind daher nicht das bösartige Produkt einer Verschwörung zum Schaden der Industrie, wie einige Ökonomen meinen.

Das industrielle Kapital - sofern es überhaupt Sinn macht, sich so etwas im engeren Sinn vorzustellen - braucht die Dienste der großen Investmenthäuser wie Goldman Sachs, JP Morgan und USB, um den Kapitalmarkt für Investmentfonds anzuzapfen und um Fusionen zu bewerkstelligen. Es braucht außerdem die Finanzmärkte als Weg, industrielle Profite in die Aktienmärkte und andere hochriskante, aber auch hochprofitable Finanzinstrumente zu investieren. Und es braucht die Finanzmärkte, um die geringe industrielle Profitrate, die durch die beinharte Konkurrenz gedrückt wird, die die Liberalisierung freigesetzt hat, auszugleichen. Aber das Wachstum des Finanzsektors barg eine starke Tendenz zur Destabilisierung in sich. Geldkapital hat seine eigene relative Unabhängigkeit und steht unter dem Zwang, Geld zu machen. Seit den 1970ern erreicht es das auf zwei Wegen.

Fusionswahn, Konkurrenzkampf und Kapitalzentralisation

Die 1990er erfanden weder das Monopol, den Konkurrenzkampf, noch globale Unternehmen. Doch die Globalisierung in den 1990ern brachte weitreichende Veränderungen in der Entwicklung aller drei. Monopol und Konkurrenzkampf gehen Hand in Hand. So schrieb etwa Jack Welch, der Vorstandsvorsitzende von General Electric, 1997 in einem Artikel in der Financial Times: "Es gibt einen weltweiten Überschuss von Kapazitäten in fast jedem Sektor. Der Preisdruck ist in jedem Sektor gewaltig. Ein Weg, um diesem Druck zu begegnen, ist das größtmögliche Niveau: Kosten und Einnahmen über die gesamte Welt zu verteilen." Das nennen sie "economies of scale".

Globale Reichweite und weltweiter Absatzmarkt sind heute schnell zur kleinsten akzeptablen Basis geworden, auf der die größten Firmen Profit erwirtschaften (z.b. Autos, Petrochemie, Elektronik, Pharmazie). Der Konkurrenzkampf und die schmalen Gewinnspannen zwingen große Unternehmen dazu, Allianzen zu schmieden und Rivalen zu schlucken. Das Ergebnis dessen ist eine extrem starke Fusionswelle in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre. Diese beispiellose Welle von Übernahmen wurde durch geringe Zinssätze und Überbewertungen ermöglicht, die der Mittelschicht das Geld aus der Tasche zogen und es den Firmenbankkonten zuführte.

Die USA übernahmen die Führung in den 1990ern was Größen- und Machtzuwachs der Unternehmen betriff, auf Grundlage eines langen Inlandsaufschwungs nach 1991 und weil die mit dem Internet verbundenen Technologien nach 1995 ausgereift waren. 1999 erreichten die Fusionen mit 1730 Milliarden US-Dollar einen Rekordwert; nach von 1630 Milliarden US-Dollar im Jahr 1998. Eine gewaltige Konzentration fand im Energiesektor, bei Fluglinien, bei Investitionsbanken und Zeitungen statt. Weltweit kam es im Jahr 2000 zu Fusionen und Übernahmen im Wert von 3470 Billionen US-Dollar.

Am Beginn des 21. Jahrhunderts beherrschen weniger, dafür aber größere Mega-Unternehmen einen größeren Anteil der weltweiten Produktion und des Handels als jemals zuvor. Fünf Firmen kontrollieren in jedem der folgenden Sektoren mehr als 50% des Weltmarkts: langlebige Konsumgüter, Stahl, Luftfahrt, Öl, PCs, Medien, Elektronikkomponenten, Fluglinien und Autoindustrie.

In den USA kontrollieren zwei bzw. drei Firmen 90% des Marktes für Computersoftware bzw. Hardware. Das gleiche gilt für die Zivilluftfahrt und die Flugzeugproduktion.

Das Größenwachstum der wenigen hundert führenden multinationalen Konzerne hat ihnen mehr Macht verliehen als je zuvor. Selbst reiche Nationen können ihrem Druck nicht widerstehen. Kanadas Politik beispielsweise, "Generika" (günstige Nachahmungen von Medikamenten) zuzulassen, musste unter dem Druck der Pharmagiganten zurückgenommen werden.

Die Tendenz zu Monopolen bei der Produktion und der heftige Konkurrenzkampf zwischen diesen ist ein inhärentes Merkmal des Kapitalismus. Monopole gab es schon im 19. Jahrhundert. Doch wie groß ihre Macht auch immer war, sie erstreckte sich nur über das eigene Land. Multis waren nicht die Regel und von denjenigen, die existierten, war keiner auf Märkte in Übersee angewiesen, um das Gros ihrer Produktion zu verkaufen, noch brauchten sie globale Ambitionen, um im Konkurrenzkampf zu überleben.

Heute stimmt das nicht länger. Für eine Reihe der größten Spieler, wie IBM oder ICI, hängt mehr als die Hälfte der Einnahmen von Verkäufen im Ausland ab. Nestle tätigt mehr als 98% seiner Verkäufe außerhalb der Schweiz.

Alle Firmen, die Konsumgüter oder Investitionsgüter herstellen, müssen global präsent sein. Selbst diejenigen, die in Marktnischen tätig sind, müssen feststellen, dass sie entweder globale Ambitionen entwickeln müssen, oder dass sie aus dem Spiel sind. Das ist der Grund, warum die Zahl transnationaler Unternehmen auf der Welt von 7.000 im Jahr 1970 auf 40.000 im Jahr 1995 hochgeschnellt ist.

Trotz dieses zahlenmäßigen Anstiegs liegt die wirkliche Macht bei den 300 größten Unternehmen, die ein Viertel der Produktionsanlagen in der Welt besitzen. Ihre Bosse treffen sich in Foren wie dem WEF (World Economic Forum) in Davos, um ihre nächsten Schritte zu planen. Für diese Unternehmenselite wird selbst die Welt schon zu klein und zu eng, um ihre "economies of scale" umzusetzen, mit denen sie ihren Rivalen in Schach halten und die riesigen jährlichen Profite erwirtschaften können, die von den Anteilseignern verlangt werden.

Erstens durch schrittweise Abschaffung von Kontrollen bei den Wechselkursen, die zu einer massiven Spekulation auf Währungsschwankungen einlud. Das führte mehr als irgend etwas sonst dazu, dass heute die meisten Investitionen nicht mehr langfristig, sondern kurzfristig sind. Im Ergebnis werden heute mehr als 1,5 Billionen Dollar täglich im weltweiten Finanzsystem gehandelt - eine extreme Summe verglichen mit dem Wert, der mit realen Gütern umgesetzt wird. Die flächendeckend destabilisierende Natur dieser Art erlaubten Glückspiels konnten wir in ihrer zerstörerischen Auswirkung während der Asien-Krise 1997 erleben.

Zweitens gedeiht das Finanzkapital auf Schulden. Über den Prozess der Rückversicherung - der Schaffung vieler Möglichkeiten und Wege, sich zu verschulden - machen Banken riesige Mengen an Geld, indem sie damit handeln. Natürlich machen sie noch weit mehr Geld, indem sie Geld an verschuldete Länder der Dritten Welt leihen, wobei sie sich sicher sein können, dass - so wie es auch bei der mexikanischen Peso-Krise 1994 war - eine unterwürfige Marionettenregierung Gewehr bei Fuß steht, um die Rechnung zu begleichen, selbst wenn etwas falsch läuft.

Das rasante Wachstum der Schulden in den letzten 15 Jahren ist für den Kapitalismus gefährlich. Der Boom in den USA in den 1990er Jahren wurde zum Großteil über die Verschuldung der Haushalte finanziert - durch individuelle Überziehungen, Hypotheken und Kreditkarten. Sie hat mittlerweile ein beispielloses und unhaltbares Niveau erreicht. Die Anhäufung von nicht rückzahlbaren Schulden der Dritten Welt ruft eine soziale Krise nach der anderen hervor.

Doch die Finanzoligarchie ist so mächtig, dass die weltweiten Institutionen keine sinnvollen Schritte zur Kontrolle oder Beherrschung der Finanzmärkte zu ergreifen vermögen. In den 1990ern kam immer wieder die zerstörerische Natur der Finanzexplosionen zum Vorschein. Alles zusammengenommen ließen diese Entwicklungen selbst einen globalisierungsskeptischen Autor der Financial Times, Martin Wolf, eingestehen, dass "die Integration der internationalen Wirtschaft alles in allem wahrscheinlich weiter fortgeschritten ist als jemals zuvor".

Der Haken ist natürlich, dass diese Entwicklung ungleich war und eine Handvoll Nationen und wenige hundert Multis bereichert, aber Hunderte Millionen Menschen von wirtschaftlicher Tätigkeit ausgeschlossen hat.

Veränderungen in Produktion und Marketing

Singer begann in den 1850er Jahren, in den USA Nähmaschinen herzustellen. Um 1880 produzierte und verkaufte er bereits im Ausland; das größte Werk war in Übersee und er hatte Hauptquartiere in New York, London und Hamburg.

Das war in den nächsten 100 Jahren das Musterbeispiel für Multinationale Unternehmen auf der ganzen Welt. Mit dem Hauptstützpunkt in den USA oder in Europa wurden sie vor Ort durch regionale Zentralen vertreten, von denen die meisten ein gewisses Ausmaß an Autonomie hatten, wenngleich die Grundlinien für das Produktdesign und die Strategie in der Konzernzentrale festgelegt wurden. Sie alle besaßen den Großteil der Werke und der Anlagen, die sie brauchten, um ihre Produkte fertig zu stellen. Japanische Multis kopierten dieses Modell in den 1960ern.

In den letzten 30 Jahren hat sich viel verändert.

Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts sahen wir das Entstehen eines riesigen Marktes für Konsumgüter, ausgehend von grundlegenden Nahrungsmitteln. Als dieser Markt gesättigt war, erklomm der Kapitalismus die nächste Stufe: Küchengeräte, Autos, Staubsauger, Radios, TV usw.

Diese Waren waren in der Zwischenkriegszeit noch Luxusgüter und wurden nach dem Krieg Güter des Massenkonsums; andere Haushaltsgüter, z.b. Elektronikgeräte, Fertiggerichte und neue Autos folgten.

Am Ende der 1980er gingen auch diese Märkte in den Industrieländern schnell ihrer Sättigung entgegen. Was also tun, wenn man einer beinharten Konkurrenz ausgesetzt ist, der Druck auf die Gewinnspanne gewaltig ist und die Produktlinie einfach kopiert werden kann?

Es kam die 'Markenrevolution' der 1990er. Es gab für die großen Unternehmen keinen anderen Ausweg, um ihre Profitspannen zu erhöhen, als denjenigen, die KonsumentInnen dazu zu bringen, eine Prämie für den Markennamen zu zahlen. Viele Unternehmen merkten nun auch, dass sie die Produktion in Billiglohnländer der Dritten Welt verlagern können.

Nike ist ein typisches Unternehmen der 1990er, mit einem Markt, einem Management und einer Designabteilung im Mutterland, aber ohne eine einzige Näherin dort. Die ProduktionsarbeiterInnen sind irgendwo in der Dritten Welt. Diese Veränderung beruht natürlich auf einer technologischen Grundlage, da Entfernung und Zeit für Produktionsentscheidungen in den 1990ern immer kleinere Probleme darstellen.

Unternehmen wie Nike, die Vorreiter bei Ausgliederungen waren, haben einige handfeste Vorteile, etwa, dass auf eine veränderte Wirtschaftslage ungehindert reagieren können, da sie keine Werke haben, über die sie direkt verfügen.

Es gibt aber reale Grenzen für diesen Trend. Produktdesign und -entwicklung machen es in vielen Industriezweigen notwendig, eigene Werke und Ausrüstung zu besitzen (z.b.: Flugzeugbau, viele pharmazeutische Unternehmen).

 

Globalisierung, Antikapitalismus und Krieg