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Anhang I

Diktatur des Proletariats?

Von Brigitte Falke

Die SAV beginnt den Abschnitt "Arbeiterdemokratie" mit: "Eine Arbeiterdemokratie ist eine Übergangsgesellschaft vom Kapitalismus zum Sozialismus." Unter Arbeiterdemokratie versteht die SAV jedoch nicht, wie man denken könnte, die demokratische Herrschaft der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie, d.h. eine revolutionäre Staatsform. Diese Staatsform wurde von Marx als "Diktatur des Proletariats" bezeichnet. Sie bedeutet, dass es eine Arbeiterdemokratie nur innerhalb der Arbeiterklasse gibt, nicht gegenüber der noch existierenden Bourgeoisie und ihren Anhängseln. "Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt eine Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andere. Der entspricht eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts anderes sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats" (MEW 19, S.28).

Stillschweigend hat die SAV also eine eigene Phase des demokratischen Übergangs zum Sozialismus eingeführt! Insofern ist es auch kein Zufall, dass das Programm in typischer SAV-Tradition auch weder von der Notwendigkeit der Zerschlagung des bürgerlichen Staates spricht, noch die Notwendigkeit der Bewaffnung des Proletariats sieht. Wie man sieht, hat die SAV-Position nichts gemein mit der marxistischen Staatsauffassung!

Ihrem Demokratismus folgend, sollen für den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus die Gesetze der Warenproduktion genutzt werden: "Wertgesetz und Warenproduktion wirken aber nicht mehr wie im Kapitalismus blind und destruktiv über die Marktgesetze, sondern werden bewusst eingesetzt zur Vermehrung des gesellschaftlichen Reichtums." Dieses Verständnis von Ökonomie in der Übergangsgesellschaft ist falsch!

Wertgesetz und Warenproduktion wirken immer blind und destruktiv, weil sie gerade darauf beruhen, dass nicht die Gesamtproduktion auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse, d.h. auf den Gebrauchswert orientiert ist, sondern auf die abstrakte Vermehrung von Tauschwert. Herrschaft von Wertgesetz und Warenproduktion führen naturwüchsig dazu, dass sich kapitalistische Verwertungsprinzipien durchsetzen, weil nur durch sie Warenproduktion wertgesetzlich effektiv sein kann.

Eine ganze gesellschaftliche Periode dadurch zu charakterisieren, dass einerseits Wertgesetz und Warenproduktion fortwirken, die politische Herrschaft jedoch arbeiterdemokratisch organisiert sei, ist eine Umkehr der Marxschen Konzeption von den Erfordernissen des Übergangs zum Sozialismus: "Innerhalb der genossenschaftlichen, auf Gemeingut an den Produktionsmitteln gegründeten Gesellschaft tauschen die Produzenten ihre Produkte nicht aus; ebenso wenig erscheint hier die auf Produkte verwandte Arbeit als Wert dieser Produkte, als eine von ihnen besessene sachliche Eigenschaft, da jetzt, im Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft, die individuellen Arbeiten nicht mehr auf einem Umweg, sondern unmittelbar als Bestandteile der Gesamtarbeit existieren" (MEW 19, 19f).

Die Vergesellschaftung der Produktion ist im Kapitalismus schon tendenziell angelegt, aber durch das Privateigentum an Produktionsmitteln und die private Verwertung von Kapital erfolgt die Vergesellschaftung in einer widersprüchlichen, sich gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung richtende Weise. Eine Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die Durchsetzung eines gesamtgesellschaftlichen Planes ist daher der notwendige erste Schritt, um den Übergang zum Sozialismus zu ermöglichen. Solange Tauschprinzipien (Markt) und Privateigentum an Produktionsmitteln (in welcher „demokratischen“ Form auch immer) zugelassen werden, müssen sich kapitalistische "Sachgesetzlichkeiten" notwendigerweise immer wieder geltend machen.

Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die Unterdrückung des Marktes sind aber unmöglich ohne die Zerschlagung des Staatsapparates, der das Privateigentum verteidigt. Damit ist die Diktatur des Proletariats notwendig. Daraus ergibt sich, dass es von der Machtergreifung an eine Einheit von Vergesellschaftung der Produktionsmittel, Diktatur des Proletariats und Entwicklung der Rätedemokratie geben muss.

Die SAV verfolgt eine kautskyanische Konzeption vom friedlichem Übergang durch Rätedemokratie und Verstaatlichung, so dass es kein Wunder ist, dass bei ihr die Notwendigkeit der Diktatur des Proletariats fehlt.

Diese Auffassung vom demokratischen Übergang zum Sozialismus bei der SAV ist Ausdruck eines in der Linken weit verbreiteten Demokratismus. Geblendet vom Prinzip der "sanften Gewalt der Vernunft", wird verkannt, dass die vielfältigen Wirkungsweisen des Kapitalverhältnisses, der von ihm hervorgebrachten Arbeitsteilung und gesellschaftlichen Differenzierungen, vielfältige "Sachzwänge" und "strukturelle Gewalt" hervorbringen. All das muss radikal, an der Wurzel angegriffen werden, um überwunden zu werden! Gegenüber Privateigentum, Marktorientierung oder dem Beharren auf Privilegien innerhalb der gesellschaftlichen Arbeitsteilung kann es für KommunistInnen keine "demokratische Toleranz" geben.

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